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# taz.de -- Piraten in Nordrhein-Westfalen: „Wir machen nicht auf Opposition�…
> Bernd Schlömer, Bundesvorsitzender der Piraten, spricht über den Erfolg
> in NRW und welche Rolle seine Partei dort jetzt spielen will. Er erklärt
> auch, warum er kein Linker ist.
Bild: Bernd Schlömer möchte sich als politischen Hanseaten verstanden wissen.
taz: Herr Schlömer, Rot-Grün war in Nordrhein-Westfalen zu erfolgreich für
eine Minderheitsregierung unter Beteiligung der Piraten. Jetzt sind Sie
sicher traurig.
Bernd Schlömer: Nein. Die Piraten in Nordrhein-Westfalen werden dort, wo es
thematisch und inhaltlich sinnvoll ist, mit der rot-grünen Regierung
stimmen. Das galt für die Idee einer Minderheitsregierung, das gilt auch
jetzt. Ich habe am Wahlabend Gespräche mit einigen Grünen führen können –
und die stehen dieser Idee durchaus offen gegenüber. Ich gehe davon aus,
dass kooperiert wird.
Sie gehen in die Opposition, ohne Opposition zu machen?
Ja. Es wird zumindest keine richtige Opposition in jenen Punkten geben, in
denen die Piraten Ziele umgesetzt sehen möchten. Das gilt vor allem bei
klassischen Piratenthemen, wo es etwa um Fragen von Transparenz und
Urheberrechten geht.
Das Selbstbewusstsein, mit dem Sie sich den Regierenden angedeihen, ist ja
fast schon dreist.
Wieso? Wir sind eine gesellschaftliche Strömung, die sich entschlossen hat,
Partei zu sein, am Parlamentssystem teilzunehmen und zu Wahlen anzutreten.
Dem entsprechend wollen wir unsere Themen und Inhalte natürlich auch
durchsetzen. In dem sturen Bekenntnis, eine Oppositionspartei zu sein,
gewinnt dieses Anliegen nichts. Unsere Rolle folgt der Strategie, dass in
der Politik wieder stärker inhaltlich argumentiert werden soll.
Die Piraten sind mit 7,8 Prozent der Stimmen in den Landtag eingezogen.
Trotzdem stehen Norbert Röttgen und die FDP im medialen Fokus. War es das
jetzt mit dem Hype um Ihre Partei?
Ich glaube nicht, dass das den Piraten zum Schaden gereichen wird. Aber
eines ist richtig: Die mediale Aufmerksamkeit, die die Piratenpartei in den
letzten Monaten erlebt hat, muss man sehr kritisch betrachten.
Was genau?
Ich frage mich, ob die mediale Überzeichnung der Piraten uns wirklich so
guttut. Viele Mitglieder der Piraten werden meiner Meinung nach zum Opfer
einer Verwertungsindustrie, die lediglich die Quote zum Ziel hat. Auch die
Piraten sind keine Oberbescheidwisser. Wir sind vielleicht Weltverbesserer
und Menschenfreunde.
Mich interessiert aber auch, wie der neue Bundesvorsitzende der
Piratenpartei tickt. Darf ich das nicht fragen?
Doch natürlich.
Wer ist der Mann aus dem Verteidigungsministerium: Sind Sie ein Soldat?
Nein. Ich bin ziviler Beamter und arbeite im Bundesministerium der
Verteidigung. Dort bin ich zuständig für die Betreuung der beiden
Bundeswehrhochschulen.
Sie waren aber mal Soldat?
Ich habe Wehrdienst geleistet, ja.
Gibt es einen bestimmten Soldatentypus, der Ihnen zusagt?
Nein. Ich habe Soldaten in meiner beruflichen Karriere immer als
ausgewogene und kompetente Gesprächspartner, als Kollegen, auch als
Bekannte oder manchmal Freunde kennengelernt. Selbst bei den Piraten gibt
es ja auch einige engagierte Soldaten. Ich würde den Status des Soldaten,
wie Sie ihn beschreiben, nicht überbetonen. Soldaten sind zunächst mal als
Menschen ernst zu nehmen, die eine Aufgabe wahrnehmen. Das gilt für
Soldaten genauso wie für Pädagogen, Priester, Politiker oder Journalisten.
Es gibt keinen Soldatentypus, der Sie schreckt?
Nicht in der Gegenwart. Ich habe natürlich Angst vor einem Soldatentypus,
wie wir ihn aus der historische Erfahrung des dritten Reiches kennen.
Singen Sie gern die deutsche Nationalhymne?
Nein. Ich habe sie auch noch nie gesungen.
Sie wollten früher auch mal Knastchef werden. Tendieren Sie zum autoritären
Charakter?
Ganz und gar nicht. Sie haben da ein falsches Verständnis von Strafvollzug.
Ich bin Anhänger eines klassisch-liberalen Strafvollzuges. Als aufgeklärter
Kriminologe ist es mir ein Anliegen, mich dafür einsetzen, den Straftäter
im Vollzug adäquat auf ein künftiges Leben in Freiheit vorzubereiten. Das
ist eine tolle und fordernde Aufgabe. Als Anstaltsleiter haben Sie viel
Gestaltungsspielraum, wie sie die Vollzugsbedingungen von Gefangenen
gestalten können. Das hat mich gereizt.
Sie wollen Knastparadiese?
Darum geht es nicht. Es geht darum, den Strafvollzug so zu gestalten, dass
er zivilisiert ist und zugleich soziale Verantwortung lehrt, damit
Strafgefangene künftig ein straffreies Leben verbringen können. Wenn ich
das sagen darf: Ihre Frage ist tendenziös und missachtet Erkenntnisse der
modernen Strafvollzugswissenschaft. Wenn Sie sich als linke Zeitung
beschreiben, stoßen Sie vielen – übrigens auch linken – Kriminologen mit
einer solchen Frage nahezu das Messer in die Brust. Diese Frage kann man so
nicht stellen.
Ich wollte auf etwas anderes hinaus: Sie sind also doch ein Linker.
Nein, ich lehne das ab, mich in einem politischen Spektrum einzusortieren.
Ich finde das zu schematisch. Ich bin ein liberal und tolerant handelnder
und denkender Mensch.
Sie haben sich in den letzten Jahren und vor Ihrer Wahl zum
Bundesvorsitzenden als ruhig, unterordnend und der Sache verpflichtet
präsentiert. Das sind die Eigenschaften eines Parteisoldaten.
Sie können es versuchen, aber mit diesem Bild kommen Sie nicht sehr weit.
Ich versuche, den Strukturen und Ideen der Partei als ihr Vorsitzender
Rechnung zu tragen. Das bedeutet für mich, zurückhaltend zu sein und nicht
sehr fordernd aufzutreten. Es bedeutet auch, zu versuchen, keine
inhaltlichen Vorgaben zu formulieren, sondern koordinierend und positiv auf
die Genese der Meinungsbildung bei den Piraten zu wirken. Wenn Sie mich
politisch beschreiben wollen, dann vielleicht am ehesten als einen
Hanseaten: urban, weltoffen, tolerant und liberal. Das ist aus meiner Sicht
auch das, wofür die Piraten stehen.
Martin Kaul berichtet für die taz über die Piraten und twittert unter
[1][@martinkaul]
15 May 2012
## LINKS
[1] http://twitter.com/#!/martinkaul
## AUTOREN
Martin Kaul
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