# taz.de -- Blockupy in Frankfurt: Der Zustrom der Empörten wird größer | |
> Die Demonstrationen gegen den Kapitalismus in Frankfurt entwickeln sich | |
> zu Protesten für die Versammlungsfreiheit. Der Polizei ist das egal. | |
Bild: Bisher nahm die Polizei am Donnerstag und am Freitagmorgen insgesamt 190 … | |
FRANKFURT/MAIN taz | Sie wollten nach Frankfurt kommen, zu Tausenden, um | |
unter dem Motto Blockupy gegen die europäische Krisenpolitik und den | |
Kapitalismus zu demonstrieren. Doch durch die Verbotspolitik der Stadt | |
Frankfurt und die restriktiven Maßnahmen der Polizei wurden viele | |
Protestierende bisher davon abgehalten. | |
Sie haben sich abschrecken lassen oder wurden an der Teilnahme gehindert. | |
Am Donnerstag hat die Polizei zwei Reisebusse voller Demonstranten aus | |
Hamburg und drei Busse aus Berlin bereits auf der Autobahn gestoppt und den | |
Aktivisten Stadtverbote bis einschließlich Sonntag erteilt. Diese dürfen | |
also auch nicht zur erlaubten Demo am Samstag anreisen. Auch in Zügen gab | |
es vermehrt Kontrollen. | |
Dafür sind am Donnerstag andere aus Frankfurt und Umgebung zu Kundgebungen | |
gekommen: Rentner und Familien, Passanten und Bürgerliche. Sie haben ihr | |
eigenes Anliegen: Sie empören sich über die Versammlungsverbote. Gegen | |
diese hatte das Grundrechtskomitee für Donnerstag zu einer Demo aufgerufen. | |
Doch auch diese wurde verboten, wegen angeblicher Nähe zu Blockupy. | |
Die Empörten ließen sich aber ihren Protest nicht nehmen. Um 12 Uhr | |
versammelten sich mehrere Hundert Menschen auf dem Frankfurter Paulsplatz, | |
wo die deutsche Demokratie 1848 ihren Anfang nahm. Viele von ihnen halten | |
Grundgesetze hoch und rufen: „Ihr klaut uns unsere Freiheit.“ | |
## Schlafbörse | |
Da ist etwa Gabriele Kloske, 61. Sie lässt zwei Aktivisten aus Hamburg und | |
Göttingen bei sich übernachten, die sie zuvor nicht kannte. Vermittelt | |
haben diese Schlafbörse die Globalisierungskritiker von Attac. Oder Axel | |
und Claudia samt Tochter Hannah. „Sie soll ruhig das Ende der Demokratie | |
mitbekommen“, sagt ihr Papa. Schnell ist auch die Polizei vor Ort und | |
riegelt die Versammlung ab, an der auch der Liedermacher Konstantin Wecker | |
teilnimmt. | |
Eigentlich wollte er in Frankfurt für die Bewegung singen, doch das wurde | |
ihm untersagt. „Das habe ich noch nie erlebt“, so Wecker auf dem | |
Paulsplatz. Dort bleibt alles friedlich, obwohl die Polizei solche | |
Kundgebungen verhindern will. Wenig Erfolg hat sie auch auf dem nur ein | |
paar Meter entfernten Römer, dem Platz vor dem Frankfurter Rathaus. | |
Dort versammeln sich gegen Mittag ebenfalls viele Hundert Menschen. Auch | |
hier ist es bunt und laut, allerdings mit mehr Jungen und Alternativen. In | |
Windeseile schlagen sie rund 30 Zelte auf. Einer verbindet der Justicia, | |
die in der Mitte des Platzes steht, die Augen. Auch hier geht es um das | |
Recht auf Versammlungs-freiheit. | |
Das sieht die Polizei allerdings anders und kesselt die Demonstranten ein. | |
Trotz dass diese friedlich Musik machen, tanzen und diskutieren, räumt die | |
Polizei schließlich den Platz. Dabei kommt es zu unschönen Szenen: Menschen | |
werden schreiend über den Boden geschleift und bekommen die Hand verdreht. | |
## Parlamentarischer Beobachter der Piraten abgeführt | |
Eine ältere Frau liegt fast regungslos da, sie wird von Sanitätern | |
behandelt, ein Krankenwagen kommt. Mit Polizeigriff abgeführt wird auch | |
Martin Kliehm, und das, obwohl er sich als parlamentarischer Beobachter | |
ausweist. Der 44-Jährige sitzt für die Piratenfraktion in der Frankfurter | |
Stadtverordnetenversammlung. „Das ist ein undemokratisches und total | |
übertriebenes Verbot“, kritisiert er. | |
Wieder folgt auf Repressionen die Empörung. Nicht alle, aber viele der | |
herum-stehenden Passanten schütteln den Kopf. Beobachtet wurden diese | |
Szenen auch von Reuven Moskovitz. Der jüdische Friedensaktivist und | |
Überlebende des Holocaust war eigentlich auf dem Weg zum deutschen | |
Katholikentag, als er von Freunden nach Frankfurt gerufen wurde. | |
Wegen der Blockupy-Proteste, aber vor allem wegen des Versammlungsverbots. | |
„Ich bin erschüttert über die Gewalttätigkeit der Polizei“, sagt er kurz | |
nach der Räumung des Römers. „Dieser Tag hinterlässt Hoffnungslosigkeit.“ | |
Die Stadt Frankfurt sieht die Dinge etwas anders. Eine Sprecherin des für | |
die Verbote zuständigen Ordnungsdezernenten Markus Frank, sagte am | |
Donnerstag zur taz: „Es ist der Polizei zu verdanken, dass die Lage bisher | |
nicht eskaliert ist.“ | |
Außerdem zeige die Tatsache, dass Demonstrationen stattfinden, die zuvor | |
verboten wurden, „dass da nicht alles mit rechten Dingen zugeht.“ | |
Kundgebungen dieser Art gab es in Frankfurt noch etliche am Donnerstag und | |
auch am Freitagmorgen. Stets war die Polizei sofort vor Ort und verhinderte | |
ein Weiterkommen. | |
## „Entdemokratisierung“ | |
So geschehen mittags am Hauptbahnhof und abends auf dem Uni Campus | |
Bockenheim. In dessen Nähe wurden bereits mittags Aktivisten aus ganz | |
Europa eingekesselt und festgenommen. Wie viele, konnte die Polizei am | |
Freitagmorgen nicht sagen, sie sprach insgesamt von 150 Festnahmen am | |
Donnerstag. Freitagvormittag kommen noch weitere 40 hinzu. | |
Hanno, der in Bockenheim verhaftet wurde, kritisierte das Verhalten der | |
Behörden massiv: „Wir sind stinksauer, dass wir unser Versammlungsrecht | |
nicht wahrnehmen können.“ Der Marburger Aktivist sagt: „Ich habe die | |
Entdemokratisierung, gegen die wir demonstrieren wollten, am eigenen Leibe | |
erfahren.“ | |
Solche Meldungen könnten durchaus erneut den Zustrom empörter Bürger für | |
die einzig erlaubte Veranstaltung von Blockupy, die Großdemonstration am | |
Samstag, bedeuten. | |
18 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Timo Reuter | |
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