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# taz.de -- Debatte Iran: Im Schatten der Bombe
> Vielleicht ist es die letzte Gelegenheit, einen Krieg abzuwenden zwischen
> Israel und dem Iran. Am Mittwoch wird in Bagdad erneut über das iranische
> Atomprogramm verhandelt.
Bild: Der Preis für Blattgemüse hat sich teilweise mehr als verdoppelt. Marks…
Wird Ajatollah Ali Chamenei sich den äußeren Zwängen beugen und im
Atomkonflikt einlenken? Die erste Runde der Verhandlungen in Istanbul am
14. und 15. April hatte keine konkreten Ergebnisse gebracht. Doch immerhin
herrschte, wie die Beteiligten bestätigten, eine „friedlich-freundliche
Atmosphäre“. Die EU-Außenbeauftragte Kathrin Ashton sagte, die Gespräche
seien „konstruktiv und nützlich“ gewesen.
Nun steht die zweite Runde bevor. Sie wird am 23. Mai in Bagdad
stattfinden. Es sei die letzte Chance, mögliche Militärschläge Israels
gegen iranische Atomanlagen abzuwenden, warnen Vertreter des Westens.
Tatsächlich ist die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung sehr
groß. Denn schaut man sich die Positionen der Kontrahenten an, scheint eine
kurzfristige Lösung kaum denkbar. Zwar hat der Iran Kompromissbereitschaft
signalisiert. Teheran werde die Produktion von auf 20 Prozent
angereichertem Uran für einen Forschungsreaktor einstellen, aber erst dann,
wenn genügend davon gelagert sei, sagte der Direktor der iranischen
Atombehörde, Freidun Abbasi.
## Kontrolleure brauchen Zugang
Das könnte ein erster Schritt zur Annäherung sein. Nur ist es nicht klar,
ob Abbasis Äußerung die offizielle Position Irans widerspiegelt. Bereits am
nächsten Tag lehnte Präsident Mahmud Ahmadinedschad jeglichen Verzicht
Irans auf sein Nuklearprogramm ab. „Jeder, der die Rechte des iranischen
Volks verletzt, wird auf seinen Platz verwiesen“, sagte er.
Auch der Westen ist Iran um einen wichtigen Schritt näher gekommen. Anfang
April sandte Barack Obama ein Schreiben an Chamenei, in dem er dem
Revolutionsführer signalisierte, die USA könnten ein ziviles iranisches
Atomprogramm akzeptieren. Allerdings müsste Teheran nachweisen, dass es auf
keinen Fall Atomwaffen anstrebe.
Wie sollte Iran aber etwas nachweisen, was nach iranischer Darstellung
nicht existiert? Indem Iran die Forderungen des Westens akzeptiert, lautet
die Antwort. Um welche Forderungen es sich handelt, machte New York Times
Anfang April bekannt. Teheran solle die unterirdische Atomanlage Fordo
sofort schließen und die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent endgültig
stoppen. Die bereits bestehenden Vorräte an diesem sollen außer Landes
gebracht werden.
Zudem solle Teheran das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das
unangemeldete Kontrollen der Internationalen Atombehörde (IAEA) zu jeder
Zeit und an jedem Ort erlaubt, akzeptieren. Auch Militäranlagen wie
Parschin in der Nähe von Teheran, sollen für Inspekteure offen stehen. Die
IAEA müsste auch Zugang haben zu Atomwissenschaftlern und Mitarbeitern des
Atomprogramms, zu Dokumenten und unveröffentlichten Informationen.
Israel geht noch einen Schritt weiter. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
warnte davor, Teheran könne die Gespräche dazu missbrauchen, „Zeit zu
schinden und zu täuschen“. Teheran müsse die Urananreicherung gänzlich
einstellen, bereits angereichertes Uran beseitigen und die
Anreicherungsanlage Fordo schließen. Es ist kaum vorstellbar, dass Teheran
solche Forderungen akzeptiert. „Wir werden ihnen (den Verhandlungspartnern)
sagen, dass wir kein Jota von unseren nuklearen Rechten abweichen werden“,
sagte Ahmadinedschad.
## Eine Front gegen Teheran
Dem Regime in Teheran geht es einzig und allein um den Erhalt der eigenen
Macht. Dafür scheut es vor keinem Verbrechen zurück. Mehrere tausend
Oppositionelle wurden seit Bestehen der Islamischen Republik, also seit
1979, hingerichtet. Aber das Regime wird nicht nur von innen, sondern auch
von außen massiv bedroht. Entlang der iranischen Grenzen befinden sich
US-Stützpunkte.
Im Persischen Golf wimmelt es von amerikanischen und britischen
Kriegsschiffen. Längst haben die arabischen Golfstaaten, die vom Westen mit
modernsten Waffen beliefert wurden, unter der Führung der USA eine Front
gegen die Islamische Republik gebildet. Schließlich haben immer härtere
Wirtschaftssanktionen das Land vor schier unüberwindbaren Probleme
gestellt.
In dieser Situation ist es durchaus denkbar, dass radikale Kräfte im Iran
zu der Überzeugung gelangen könnten, mit einer nuklearen Bewaffnung äußere
Gefahren abwenden zu können. Ob aber das Regime sich tatsächlich dafür
entschieden hat, ist eine offene Frage. Bis heute gibt es keinerlei Beweise
dafür. Selbst sämtliche amerikanischen Geheimdienste haben gemeinsam 2007
und noch einmal vor wenigen Monaten erklärt, die Behauptung, Iran baue
schon an der Bombe, ließe sich nicht nachweisen. Lassen sich aber allein
aufgrund eines bloßen Verdachts harte Sanktionen, gar ein Krieg
rechtfertigen?
Das Regime in Teheraner wird aber, wie es scheint, eher einen Krieg mit
verheerenden Folgen in Kauf nehmen, als die genannten Forderungen des
Westens zu akzeptieren. Denn bei größeren Zugeständnissen liefe es Gefahr,
sein bereits stark beschädigtes Ansehen bei den eigenen Anhängern vollends
zu verlieren. Seit Jahren predigt die Staatsführung, das Land werde sich
niemals äußeren Zwängen beugen.
Das Regime versucht das Volk von der Notwendigkeit des Atomprogramms zu
überzeugen. Seit Jahren wird gegen äußere Feinde Hass geschürt, ideologisch
verbrämte Glaubensgrundsätze und Nationalgefühle werden propagiert und jede
kritische Stimme im Keim erstickt, um die Massen bei der Stange zu halten.
Aber auch die Argumente, die das Regime im Atomkonflikt vorbringt, sind
nicht von der Hand zu weisen.
## Die Interessen des Westens
Iran ist Mitglied des Atomwaffensperrvertrags und als solches dazu
berechtigt, im eigenen Land Uran anzureichern und auch den Brennstoff für
die friedliche Nutzung der Atomenergie herzustellen. Selbst den Gegnern des
Regimes will nicht einleuchten, warum Pakistans Nuklearwaffenprogramm
schweigend hingenommen wird, mit Indien neue Verträge zur Weiterentwicklung
seines Atomprogramms geschlossen werden und auch Israel unwidersprochen und
mit Hilfe des Westens sein Atomarsenal weiter ausbauen kann, Iran hingegen
sein verbrieftes Recht untersagt wird.
Dabei hat keiner der genannten Staaten den Atomwaffensperrvertrag
unterzeichnet. Soll Iran für seine Mitgliedschaft bestraft werden? Auch der
Westen wird vermutlich Iran gegenüber keine größeren Zugeständnisse machen.
Denn im Grunde geht es nicht um den Atomkonflikt, sondern um die Isolierung
oder noch besser den Wechsel eines Regimes, das sich den geostrategischen
und ökonomischen Interessen des Westens widersetzt.
Doch man sollte bedenken, dass ein Krieg das Regime nicht schwächen,
sondern stärken und der Oppositionen erheblich schaden würde. Die Frage
eines Regimewechsels sollte man aber dem iranischen Volk überlassen.
22 May 2012
## AUTOREN
Bahman Nirumand
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