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# taz.de -- Wes Anderson über abgeschlossene Welten: „Ich war kein großer C…
> „Moonrise Kingdom“-Regisseur Wes Anderson über altbekannte Orte, die
> Suche nach Harmonie und die Gründung eines eigenen Landes mit eigenen
> Regeln.
Bild: „Als Kind habe ich gewiss von einer solchen Flucht fantasiert.“ Kinde…
taz: [1][„Moonrise Kingdom“] spielt im Jahr 1965, also kurz bevor sich in
den USA vieles verändern wird. Warum haben Sie sich für diesen Zeitpunkt
entschieden?
Wes Anderson: Es ist eine Ära in Amerika, in der sich Weichen gestellt
haben. Mir gefiel diese Idee, zurück an einen Ort zu gehen, an dem die alte
Welt noch konserviert erscheint. Es ist so, als ob man sich im Zwielicht
bewegt. Dieses ländliche, Norman-Rockwell-ähnliche Amerika, die Pfadfinder,
all das schien hier noch intakt zu sein.
Waren Sie selbst auch bei den Pfadfindern?
Nicht wirklich, ich war kein großer Camper. Ich war auch nicht lange genug
dabei, um einen Rang zu ergattern.
Das Paar bricht in die Natur aus. Was hat es mit der Flucht der beiden
Teenager auf sich?
Ihre Gefühle stoßen in der Familie auf Skepsis. Ich sehe diese Flucht als
eine Rebellion an, allerdings eine, die für etwas steht – eine Liebe, die
beide ausleben wollen; es hat aber auch etwas von einem Abenteuer. In
gewisser Weise gründen die beiden ihr eigenes Land mit eigenen Regeln.
Das Motiv erinnert auch ein wenig an Filme mit einem kriminellen Paar auf
der Flucht – Nicholas Ray hat einen frühen gemacht …
„They Live By Night“, genau; ich kenne diese Filme, es mag auch etwas davon
in meinem sein. Meist ist es aber so, dass es viele unbewusste Einflüsse
gibt, die ich gar nicht benennen kann. Ich bilde mir lieber ein, ich hätte
das alles selbst erfunden. Als Kind habe ich gewiss von einer solchen
Flucht fantasiert. Das sind Geschichten, an denen man im Kopf arbeiten kann
wie an einem Bild.
Viele Ihrer Filme spielen in abgeschlossenen Welten: in großen Häusern, die
wie Puppenhäuser wirken, auf U-Booten, der nun auf einer Insel. Warum?
Die Idee des Puppenhauses gefällt mir, weil es eine Bühne ist. Ich suche
wohl stets Welten, die ich selbst aufbauen kann und die dabei etwas
Theaterhaftes behalten. Tatsächlich habe ich nie in meinem Leben Theater
gespielt. Außerdem kehre ich auch gern an Orte zurück, an denen ich schon
einmal war, obwohl sie in der Regel enttäuschen, weil alles zerstört ist.
Aber es gibt auch solche, an denen sich etwas bewahrt hat, das sich
wiedererwecken lässt.
Das führt mich zur Nostalgie in Ihren Filmen. Haben sie Sehnsucht nach der
Vergangenheit?
Ich bin definitiv zufriedener mit älteren Zeiten … Ich empfinde allerdings
keine Nostalgie für die sechziger Jahre, eher für die zwanziger oder
dreißiger Jahre. Es muss keine Zeit sein, die es wirklich gegeben hat. Mir
gefällt der Look bestimmter Objekte besser, das Handwerkliche daran, das
auch von den Menschen erzählt. Dies mag ein romantischer Gedanke sein. Doch
ich könnte vermutlich mit vielen Dingen gar nicht richtig umgehen.
Ist die Musik Ihrer Filme auch so ein Behältnis von Zeit?
Die Musik ist auch ein Mittel, um den Eindruck des Bühnenhaften zu betonen.
Mit der Nummer von Françoise Hardy, zu der sich die beiden das erste Mal
küssen, verbinde ich selbst allerdings gar nicht so viel. „The Young
Person’s Guide to the Orchestra“, dieses Benjamin-Britten-Album, besaß ich
selbst, mit ihm verbinde ich bestimmte Erinnerungen, deshalb musste es auch
die Aufnahme von Leonard Bernstein sein, die um 1960 entstanden ist. Sie
war ein zentraler Ausgangspunkt für den Film.
Mit dem Theater teilt Ihre Arbeit auch die Idee eines Ensembles.
Erleichtert das etwas in der Gestaltung?
Das Ensemble lässt mich freier arbeiten. Man muss nicht jedes Mal von vorn
anfangen, es gibt ein Grundvertrauen. Es hat tatsächlich etwas
Familienhaftes, was allerdings nicht jedermann gefällt – es gibt eben auch
Familien, in denen man sich unwohl fühlt. Ich suche allerdings immer
Harmonie.
Wie leicht haben sich Neulinge wie Edward Norton oder Bruce Willis in Ihre
Crew eingefügt?
Mit Edward Norton verbindet mich schon eine längere Freundschaft. Wir haben
mit Kameramann Robert Yeoman auch eine Zeit lang gemeinsam gewohnt, um die
Rolle des Scout Master Ward vorzubereiten – ein intensiver, schöner
Prozess. Edward ist als Typus wie geschaffen für dieses ländliche
Amerikabild. Bruce Willis hatte weniger Zeit zur Verfügung, aber das
Überraschende an ihm war, dass er eine sehr klare Vorstellung von seiner
Rolle als Polizist hatte.
Die szenischen Auflösungen sind bei Ihnen sehr ausgeklügelt. Ist das auch
eine Rebellion gegen gängige Erzählkonventionen?
Ich habe immer ein paar Bilder im Kopf, die für den Film von Bedeutung sind
und denen ich dann hinterherjage. Das Setting der einzelnen Szenen, die
Kamerabewegungen, all das verdankt sich auch unbewussten Ideen – es ist wie
eine Handschrift. Allgemein geht es mir in der Umsetzung darum, das
Intendierte am besten zum Ausdruck zu bringen. Aber lieber sehe ich es
natürlich als Rebellion, weil das als Idee etwas Wagemutiges und Bewegendes
hat.
24 May 2012
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## AUTOREN
Dominik Kamalzadeh
## TAGS
Wes Anderson
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