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# taz.de -- Debatte Urheberrecht: Sechs Prozent plus Steuern
> Das Problem ist nicht neu. Außerhalb des Netzes regeln wir es jeden Tag,
> wenn es um Wohnungen, Architekten und Käufer geht, recht klug.
Bild: Der Berufsstand der Makler ist trotz Deckelung in Deutschland nicht von A…
Einst war das Internet mit der Utopie angetreten, Wissen und Wohlstand
durch das Beseitigen unproduktiver Transaktionskosten zum Blühen zu
bringen. Im Internet sind Produzenten und Konsumenten von realen wie
geistigen Produkten nur noch einen Mausklick voneinander entfernt.
Eigentlich die ideale Voraussetzungen für eine beidseitig vorteilhafte
Geschäftsbeziehung – zum Nachteil nur für die Dienstleister und Profiteure
dazwischen.
Beispielsweise haben Zeitungen vor der Erfindung des Internets
üblicherweise halb und halb Einnahmen aus Werbung und aus dem Verkauf
erzielt, andererseits aber deutlich über die Hälfte der Ausgaben für Druck
und Vertrieb aufwenden müssen. Wenn diese Kosten dank des Internets
wegfallen, sollte man meinen, dass es sich ökonomisch rechnet, Zeitungen im
Internet kostenlos zu vertreiben, ohne an der Bezahlung der Autoren zu
sparen. Die Realität ist weit davon entfernt.
Tatsächlich haben sich im Bereich zwischen Produzenten und Konsumenten seit
massenhafter Nutzung des Internets florierende Unternehmen mit
monopolartigen Strukturen herausgebildet, während sich die beiden
Hauptakteure der Wirtschaft in einem destruktiven Streit gegenseitig für
grassierende Fehlentwicklungen verantwortlich machen: Die Einkommen der
Produzenten von geistigem Eigentum sinken kontinuierlich, was an der
fehlenden Moral und der Kostenloskultur im Internet läge, indessen der
Zugang zu den Produkten geistiger Arbeit immer unfreier wird und
mittlerweile ein juristisches Minenfeld nicht nur den Konsum, sondern auch
die Erschaffung neuer Ideen und Produkte behindert.
Die Probleme sind nicht neu. Es lohnt ein Blick auf die Lösungsideen, die
sich in jahrhundertelangen Debatten zu den vergleichbaren Problemen mit
traditionellen Formen von Eigentum herausgebildet haben. Zum Beispiel von
Immobilieneigentum. Einerseits ist Wohnraum – so wie der freie Zugang zu
Wissen, Bildung und Kultur – ein Menschenrecht. Andererseits arbeiten
(auch) die Produzenten von Wohnraum nicht als ehrenamtliche
Menschenfreunde, sondern hauptsächlich für den Profit. Trotzdem dürfte es
die Verfechter von strengen Copyrightgesetzen, die das materielle Eigentum
als Vorbild für die Rechtsform des geistigen Eigentums anpreisen,
verblüffen, wie reglementiert der Immobilienmarkt selbst in einer freien
Marktwirtschaft wie Deutschland ist.
## Rechtliche Begrenzung
Um das Spannungsverhältnis zwischen notwendiger Profitabilität und sozial
gerechter Verteilung von Immobilien zu entschärfen, wurden nicht nur der
Mieterschutz, das Wohngeld und die Grundsteuer erfunden, sondern
insbesondere auch ein Marktinstrument, dessen analoge Anwendung auf den
Handel mit geistigem Eigentum die aktuellen Probleme effektiv beseitigen
könnte: die rechtliche Begrenzung von Maklerhonoraren.
Wer als Vermittler zwischen Eigentümer und Käufer von Wohnraum auftritt,
darf ein Honorar von maximal 6 Prozent (plus Mehrwertsteuer) des
Kaufpreises verlangen, womit auch sämtliche Unkosten und Vorleistungen
abgegolten sind. Ohne Zweifel, in einem unregulierten Markt könnten Makler
sehr viel höhere Honorare realisieren. Aber trotz dieser Deckelung ist der
Berufsstand der Makler nicht von Armut bedroht. Und würde man dieses
Markthemmnis wegliberalisieren, käme es zwar zu einer explosionsartigen
Vermehrung von Makleragenturen, aber nicht zum Bau einer einzigen
zusätzlichen Wohnung.
Mein Vorschlag ist, diese bewährte und gerechte Honorarbegrenzung auf
sämtliche Geschäftsformen, die wie Immobilienmakler nur mit Rechtstiteln
und dem immateriellen Informationstransfer handeln, zu verallgemeinern.
Also auch bei jeder Verwertung von geistigem Eigentum sollten zukünftig nur
noch höchstens 6 Prozent zu dem Geldbetrag, der vom Endnutzer an den
tatsächlichen Schöpfer eines Werks bezahlt wird, als Honorar für sämtliche
dazwischenliegenden Dienstleister aufgeschlagen werden dürfen. Oder
umgekehrt: Wann immer ein Rechteverwerter hundert Euro einnimmt, muss er
gut 94 Euro an den tatsächlichen Urheber abführen, der das geistige
Eigentum an seinem Werk naturgemäß unveräußerlich besitzt und nur konkrete
Nutzungsrechte vermarkten kann.
Niemand, der für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage von Autoren,
Künstlern und Erfindern eintritt, wird diesem Vorschlag widersprechen
können, ohne in den Verdacht zu geraten, in Wirklichkeit ganz andere, der
Kreativwirtschaft fremde Interessen zu verfolgen.
Tatsächlich wird – so radikal diese Honorarbegrenzung verglichen mit den
gegenwärtigen Profitmargen der Verwerterindustrie erscheinen mag – durch
diesen Vorschlag keine einzige seriöse Geschäftsidee behindert oder
unrealisiert bleiben. Angesichts der sehr geringen Transaktionskosten im
Internet lassen sich auch mit einer 6-Prozent-Marge fantastische Profite
erzielen. Und für klassische Verlage würde sich sowieso nichts ändern, weil
am Preis eines gedruckten Buchs der Wertanteil des geistigen Eigentums des
Schriftstellers nur einen Bruchteil ausmacht.
## Problem der Abmahnindustrie
Aber nicht nur Kreative, auch die Konsumenten profitieren von dieser
6-Prozent-Regel. Zwar bliebe Raubkopieren weiterhin strafbar, aber bei der
Umsetzung der Copyrightgesetze wird sich zwangsläufig Augenmaß und
Verhältnismäßigkeit einstellen, wenn die Verwertungs- und Abmahnindustrie,
die sich dank der heute exorbitanten Margen parasitär zwischen Produzenten
und Konsumenten von geistigem Eigentum gezwängt hat, auf ein
volkswirtschaftlich gesundes Maß zurückgestutzt wird.
Wenn Anwalts- und Verfahrenskosten nur bis zu einem maximal 6-prozentigen
Aufschlag zu der gerichtlich festgelegten Schadenssumme erstattet werden,
behindert das die Verfolgung von kommerziellen Raubkopierern nicht. Aber
bei privaten Kleinverstößen würde sich der juristische Aufwand nur lohnen,
wenn der tatsächliche Urheber des raubkopierten Werks persönlich und auf
eigenes Gerichtsrisiko die Initiative ergreift.
28 May 2012
## AUTOREN
Ulrich Kühne
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