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# taz.de -- Diplomaten-Depeschen von Wikileaks: Die CIA als Kronzeugin
> Viele der von Wikileaks veröffentlichten Depeschen enthalten brisante,
> aber getarnte Informationen der CIA. Eine taz-Recherche offenbart nun den
> Tarnnamen des Geheimdienstes.
Bild: Die Rolle der CIA blieb lange verdeckt.
BERLIN taz | Diplomaten haben nicht den Ruf, gute Entertainer zu sein. Mit
Grund. Sie versinken gern in nichtssagenden diplomatischen Floskeln und
scheuen klare Meinungen. Doch dass sie auch anders können, haben die
inzwischen legendären diplomatischen Depeschen gezeigt, die Wikileaks Ende
2010 veröffentlicht hat.
Tausende der internen Dokumente beweisen, dass amerikanische
Botschaftsvertreter durchaus die Fähigkeit haben, unverblümt die Wahrheit
zu sagen. Auch wenn es um Politiker in den Ländern geht, in denen sie
gerade arbeiten.
Ein Beispiel hierfür ist der ehemalige amerikanische Botschaft in
Bulgarien, John Beyrle. In einer [1][als geheim eingestuften
Wikileaks-Depesche] schreibt der Karrierediplomat nach Washington, dass
Sofias Bürgermeister Boiko Borisov „in schwerwiegende kriminelle
Aktivitäten" verwickelt sei. Ein spannendes Urteil für Bulgarien. Denn
Boiko Borisov ist heute Ministerpräsident des Landes.
Als Wikileaks 2010 die amerikanischen Diplomaten-Depeschen veröffentlichte,
gelangte die amerikanische Einschätzung über den Ministerpräsidenten an die
Öffentlichkeit. Borisov reagierte jedoch unbeeindruckt. Wikileaks
veröffentliche doch nur „Gerüchte“. Die US-Botschaft in Sofia betonte, die
Botschaftsdepeschen seien häufig „unvollständige Analysen“.
## Tarnname „SIMO“
Ob Borisov auch im Amt geblieben wäre, wenn der amerikanische Geheimdienst
CIA als Kronzeuge für die Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten gedient
hätte? Taz-Recherchen zeigen nun, dass zahlreiche Wikileaks-Depeschen
Informationen über die Arbeitsweise der CIA enthalten – und Einblicke in
geheime CIA-Informationen über ausländische Politiker ermöglichen. Diese
Informationen sind bislang unentdeckt geblieben, weil die CIA in den
Botschaftsdepeschen mit dem Tarnnamen SIMO bezeichnet wird.
So heißt es in der bulgarischen Depesche von 2006, „Informationen von SIMO“
würden die Vorwürfe gegen den heutigen Ministerpräsidenten Borisov stützen.
Der ehemalige bulgarische Innenminister habe illegal mit Metamphetaminen
gehandelt und schmutzige Geschäfte mit dem Öl-Konzern Lukoil abgewickelt,
schreibt Ex-Botschafter Beyrle im Mai 2006 – und beruft sich dabei auf die
Erkenntnisse der CIA. Als Polizeichef habe Borisov zudem angeblich dafür
gesorgt, dass seine Gattin ungestört Geldwäsche betreiben konnte. Überdies
bestünden Mafia-Verbindungen.
Ein ehemaliger Abteilungsleiter der CIA bestätigte der taz, dass es sich
bei SIMO um die CIA handelt. „SIMO ist ein Verwaltungsbegriff für die CIA.
Eigentlich dient er ausschließlich für interne Zwecke. Er hätte in den
Cables nie benutzt werden dürfen.“
## Fidels Gesundheit und gefälschtes Geld
Die Erkenntnis, dass es sich bei SIMO um die CIA handelt, wertet den Inhalt
einiger US-Depeschen maßgeblich auf. Die Anschuldigungen gegen Bulgariens
Ministerpräsidenten Borisov gewinnen deutlich an Schärfe. Der ehemalige
Senatspräsident von Haiti, Joseph Lambert, [2][wird mit Hilfe von
CIA-Informationen] als Drogenhändler dargestellt. Aus Venezuela
[3][berichtet die CIA] im Jahr 2006 von veränderten Reiseplänen von
Präsident Chavez – und schließt so auf den schlechten Gesundheitszustand
des kubanischen Staatsoberhaupts Fidel Castro.
Die Erwähnungen von SIMO sind nur in Ausnahmefällen derart pikant. Die
Mehrheit der Depeschen mit SIMO-Nennung ermöglicht Rückschlüsse auf
Sicherheitsvorkehrungen von US-Botschaften, die Zusammenarbeit der CIA mit
ausländischen Nachrichtendiensten und die Koordination mit anderen
US-Regierungsbehörden im Kampf gegen den Terrorismus.
Auch absurde Beispiele für die Arbeit der CIA im Ausland finden sich unter
den Berichten, in denen SIMO auftaucht. So berichtet [4][eine Depesche aus
der US-Botschaft in Ulan Bator] aus dem Jahr 2006, dass zwei eingereisten
Nordkoreanern eine Millionen Dollar in bar abgenommen worden seien. Die
Männer seien entweder Regierungsmitarbeiter oder Bankangestellte. SIMO –
oder die CIA – sollte nun mithelfen, die Dollarberge auf Fälschungen hin zu
überprüfen.
Die Amerikaner ließen daraufhin eilig ein Team des Secret Service
einfliegen. Währenddessen forderte die nordkoreanische Botschaft in der
Mongolei per diplomatischer Note die Herausgabe des Geldes. Das Ergebnis:
[5][die Geldscheine waren echt] und mussten an die Nordkoreaner
zurückgegeben werden.
30 May 2012
## LINKS
[1] http://wikileaks.org/cable/2006/05/06SOFIA647.html
[2] http://wikileaks.org/cable/2006/05/06PORTAUPRINCE847.html
[3] http://wikileaks.org/cable/2006/08/06CARACAS2367.html
[4] http://wikileaks.org/cable/2006/02/06ULAANBAATAR139.html
[5] http://wikileaks.org/cable/2006/03/06ULAANBAATAR155.html
## AUTOREN
J. Goetz
H. Burmester
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