| # taz.de -- Urteil des höchsten britischen Gerichts: Assange darf ausgeliefert… | |
| > Das höchste britische Gericht hat eine endgültige Entscheidung über das | |
| > Schicksal des Wikileaks-Kopfes gefällt. Eigentlich. Das Urteil hält | |
| > unfreiwillig eine Hintertür für Assange bereit. | |
| Bild: Könnte noch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen… | |
| DUBLIN taz | Als das höchste britische Gericht in London über seine | |
| Auslieferung an Schweden entschied, steckte Julian Assange im Londoner | |
| Verkehr fest. So hörte der Wikileaks-Gründer im Radio, dass seine Berufung | |
| gegen die vorigen November angeordnete Auslieferung abgelehnt worden ist. | |
| Die Entscheidung war nicht einstimmig, zwei der sieben Richter des Obersten | |
| Gerichtshofs lehnten Assanges Auslieferung ab. | |
| Bei der Berufungsverhandlung ging es um die Frage, ob ein Staatsanwalt eine | |
| Auslieferung beantragen könne, wie es in Assanges Fall geschehen ist, oder | |
| ob das - wie nach britischem Recht - einem Richter vorbehalten sei. Fünf | |
| der Richter waren der Meinung, dass ein Staatsanwalt eine „richterliche | |
| Instanz“ sei. Der entsprechende englische Begriff „judicial authority“ sei | |
| an das französische „autorité judiciaire“ angelehnt, und das umfasse auch | |
| Staatsanwälte. | |
| Die Staatsanwaltschaft Göteborg will den 40-jährigen Australier zu den | |
| Vorwürfen der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung befragen, die zwei | |
| Frauen gegen ihn erhoben haben. Eine der beiden hat ausgesagt, Assange habe | |
| im August 2010 gegen ihren Willen ohne Kondom mit ihr Geschlechtsverkehr | |
| gehabt, die andere wirft Assange vor, sie im Schlaf vergewaltigt zu haben. | |
| Assange bestreitet die Vorwürfe. Er hatte sich im Dezember 2010 in London | |
| der Polizei gestellt, nachdem Schweden einen europäischen Haftbefehl gegen | |
| ihn erlassen hatte. Seitdem steht er in Ellingham Hall in Norfolk, dem | |
| Landhaus eines Unterstützers, unter Hausarrest. Er trägt eine elektronische | |
| Fußfessel und muss sich täglich auf dem örtlichen Polizeirevier melden. | |
| Nach 10 Uhr abends darf er das Haus nicht verlassen. Obwohl nun bereits die | |
| dritte und höchste britische Instanz gegen Assange entschieden hat, bleibt | |
| ihm noch ein Hintertürchen offen. | |
| ## Zwei Wochen Frist | |
| Das Gericht räumte ihm auf Antrag seiner Verteidigerin Dinah Rose eine | |
| Frist von zwei Wochen ein, um die Neuaufnahme des Verfahrens zu beantragen. | |
| Bis dahin darf er nicht nach Schweden ausgeliefert werden. Rose hatte | |
| argumentiert, dass sich die Richter in ihrer Urteilsbegründung mehrmals auf | |
| das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961 beriefen. | |
| Während der Verhandlung war davon jedoch nie die Rede, und weder die | |
| Verteidigung noch die Staatsanwaltschaft waren vor der Urteilsverkündung | |
| darüber informiert worden. | |
| Joshua Rozenberg, der bekannteste britische Rechtsexperte, sagte, Assange | |
| stünden deshalb noch alle Möglichkeiten offen. Es wäre für das Gericht | |
| äußerst peinlich, wenn es den Fall neu aufrollen müsste, fügte er hinzu. | |
| „Es ist seltsam, dass die Richter ein Übereinkommen herangezogen haben, | |
| ohne den Parteien die Gelegenheit zu geben, zu argumentieren“, sagte er. | |
| „Das ist noch nie geschehen, seit dieses Gericht existiert.“ Der | |
| Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson beschuldigte die US-Regierung, | |
| Einfluss auf das heutige Urteil genommen zu haben. Claes Borgström, der die | |
| beiden schwedischen Frauen vertritt, wies das zurück. „Assanges Risiko, an | |
| die USA ausgeliefert zu werden, ist in Schweden nicht größer als in | |
| Großbritannien.“ | |
| In Schweden ist bisher keine formale Anklage gegen Assange erhoben worden, | |
| denn dafür muss der Beschuldigte persönlich anwesend sein. Falls Assange | |
| ausgeliefert wird, bringt man ihn zunächst auf ein Polizeirevier. Innerhalb | |
| von 96 Stunden muss er dann einem Richter vorgeführt werden, der zu | |
| entscheiden hat, ob Assange bis zum Prozess in Haft bleiben muss. Per | |
| Samuelson, Assanges schwedischer Anwalt, ist zuversichtlich, dass sein | |
| Mandant bei einem Verfahren in Schweden freigesprochen wird. „Ich freue | |
| mich darauf“, sagte er. Selbst wenn Assange in Schweden verurteilt würde, | |
| wäre nach Einschätzung von Experten ein großer Teil seiner Strafe bereits | |
| durch die 540 Tage Hausarrest in Großbritannien verbüßt. | |
| 30 May 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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