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# taz.de -- Abstieg der „Hells Angels“: Klein, aber gerne groß
> Polizisten verhaften Mitglieder der „Hells Angels“ in ganz Deutschland.
> Was ist vom Mythos des wilden Rockers noch übrig? Das Wochenende mit der
> Freiheitsmaschine.
Bild: Glorreiches Gestern: Dennis Hopper und Peter Fonda in „Easy Rider“.
Bereits vor 60 Jahren fürchtete man die Rocker. Marlon Brando spielte 1953
den „Wilden“, wenig später gab Horst Buchholz den Rebellen, der in
Deutschland diskreditierend „Halbstarker“ gerufen wurde.
Doch der halbe Mann galt den Behörden zugleich als brandgefährlich, es hieß
Ende der 50er Jahre in Westberlin sogar, die motorradfahrenden
Lederjackenträger seien Agenten der Deutschen Demokratischen Republik.
Man versuchte daher, ihnen allerhand Delikte anzuhängen. Doch konnte man
die jungen Kerle nicht zähmen, auch wenn sie abends wieder zu ihren Eltern
nach Hause fuhren und das Motorrad in der Garage einschlossen. Diese frühen
Rocker waren ein bisschen aufmüpfig und ein bisschen unabhängig, ihre Haare
wehten im Wind der Freiheit, sie erschienen vor allen Dingen schön – alle,
die sich nicht ganz und gar den Eltern, der Kirche und dem Staat
unterordneten, wollten so sein wie sie.
## Mythos der wilden Kerle
Vor dreißig Jahren schließlich waren die Rocker auch auf dem Land
angekommen, nun wehten vor den Gartenlauben der Republik die
Südstaatenflaggen, die merkwürdigerweise als Symbol der Freiheit galten,
obschon sie ja eigentlich für die Beibehaltung der Sklaverei standen. Die
Rocker waren nun weniger schön, sie trugen Bierbäuche vor sich her,
hässliche Tätowierungen verunstalteten sie, und auf ihren Motorrädern saßen
sie eher wie Fernfahrer hinterm Steuer.
Der Mythos der wilden Kerle verblasste. Jugendliche Rocker, die eigentlich
noch Mofas fuhren, vertrieben kleine Kinder von Spielplätzen und tranken
heimlich Likör, ältere Rocker spielten in verrauchten Bahnhofsgaststätten
mit ihren Kumpels Billard, tranken zu viele Tequilas, hielten ihre „Bräute“
fest im Arm und ihren „Präsi“ für das Größte und weinten hemmungslos, w…
die Harley auf der langen Fahrt wieder zu viele Schrauben verloren hatte.
Rocker waren zu dieser Zeit weder sportlich noch toll, weder wild noch
frei, sie waren Kleinkriminelle und Möchtegernganoven, sie verdienten ihr
Geld, indem sie ein bisschen Haschisch verkauften oder Türsteherdienste
machten, sie waren keine Aufmüpfigen mehr, sondern Angepasste. Dann
erschossen sie sich plötzlich gegenseitig.
## Erpressen, Schmieren, Drogen Verkaufen
Denn aus den Rockern sind mit einem Mal Businessmen geworden, im
osteuropäischen Sinne des Wortes. Nun sind es Leute, die erpressen,
schmieren, Drogen verkaufen und Puffs betreiben, auf ihren
Freiheitsmaschinen fahren sie nur sonntags herum.
Die „Kutte“ wird zur Uniform, die Gruppenhierarchie wird beinahe
militärisch-diszipliniert eingehalten, es herrscht nicht mehr das
Testosteron, sondern das Geld.
Und die Polizei sieht in den Rockern keine Kommunisten mehr, sondern
erkennt sie als Mafiosi, die in ihren Clubs schmutzige Geschäfte machen und
die wieder so brandgefährlich sind, dass man Antiterroreinheiten gegen sie
einsetzen muss – derzeit zu beschauen in Norddeutschland und in Berlin.
Dabei sind die Rocker doch nur die, deren schmutzige Geschäfte man zunächst
duldete, damit sie „die Albaner“ vertreiben, denn das schmutzige Geschäft
wurde nicht etwa bekämpft, es wurde einfach nur verdeutscht.
## Kleinbürger und Gernegroß
So ein Rotlichtviertel braucht es in einer großen Stadt ja schließlich. Und
der Chef der Truppe, Frank Hanebuth, gehörte nun zu einer Hannoveraner
Kleinstadt-High-Society, die nur ein Biedermann wie Christian Wulff für
eine Welt voller Glamour halten kann. Der Rocker ist das geworden, was
seine Vorfahren einst bekämpften, er ist Kleinbürger und Gernegroß,
korrupt, bigott, kleinkariert und hässlich.
Nur wird er noch immer von der Polizei verfolgt, jetzt aber wegen seiner
Geschäfte, nicht mehr seiner Aufmüpfigkeit wegen. Und niemand will so sein
wie er, der vorm Präsi und Gruppenboss buckeln muss wie jener Sklave,
dessen Unterdrückung die Südstaatenflagge noch immer einfordert.
30 May 2012
## AUTOREN
Jörg Sundermeier
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