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# taz.de -- Rechtsrock-Fans verletzen Punker: Fußtritte gegen den Kopf
> In Delmenhorst ist ein Punker von Fans der Hooliganband "Kategorie C"
> schwer verletzt worden. Der Verfassungsschutz wusste offenbar von dem
> Auftritt.
Bild: Delmenhorster Kneipe "Die Szene": hier wurde der Punker von rechten Hooli…
BREMEN taz | Fans der rechten Hooligan-Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe"
haben am Samstag in Delmenhorst einen Punker schwer am Kopf verletzt. Sie
waren mit Baseball-Schlägern bewaffnet. Am Montag wurde der Punker ins
Klinikum Bremen-Mitte verlegt, weil er dort medizinisch besser versorgt
werden kann.
Gegen 22 Uhr, so erzählen es Freunde später, sei der Punker Thomas L. (Name
geändert) durch die Lange Straße in der Delmenhorster Innenstadt gegangen.
"Verpiss Dich, du Schwein", rufen ihm auf einmal einige junge Männer
entgegen, als er an der Kneipe "Die Szene" vorbeikommt. Er ahnt nicht, dass
dort seit 21 Uhr etwa 50 Rocker, Hooligans und Neonazis den
gewaltverherrlichenden Lieder der Bremer Rechtsrock Band "Kategorie C"
lauschen. Die Konzertbesucher hätten ihn geschubst, seien ihn "angegangen",
sagen seine Freunde.
Thomas geht weiter zu einer Party, trinkt, feiert. "Um 2 Uhr morgens haben
wir uns auf den Weg nach Hause gemacht", sagt eine Freundin. Wieder durch
die Innenstadt, wieder an der Kneipe vorbei. Als sie diesmal von einem der
Hooligans erblickt werden, sei der hineingegangen. Kurz darauf stürmen etwa
20 Leute aus der Kneipe, acht sollen mit Baseball-Schlägern aus Aluminium
bewaffnet gewesen sein. Sie gehen auf die Punker los. "Alles ging total
schnell", sagt die Freundin, "vor meinen Augen sind sie auf ihn drauf."
Auf den am Boden liegenden Thomas treten die Konzert-Besucher ein, auch
mehrfach auf seinen Kopf. "Mich haben sie nur weggeschubst, ich hatte wohl
Glück, weil ich ein Mädchen bin", sagt die Freundin. Irgendwie schaffen es
die Punker zu entkommen. Als die Polizei eintrifft, sind sie schon weg.
Erst am nächsten Tag geht Thomas zum Arzt, weil er sich die ganze Zeit
übergeben musste. Das Delmenhorster Krankenhaus behält ihn gleich da, die
Ärzte stellen schwere Kopfverletzungen fest. So schwer, dass sie ihn in das
wesentlich größere Klinikum Bremen-Mitte überweisen.
"Auf unseren Konzerten kommt es nicht zu strafbaren Handlungen", hatte der
Sänger der Band, Hannes Ostendorf, Ende November auf der Webseite der Band
verkündet. Der Bremer Innensenator hatte damals ein Konzert der Band
verboten: Die rechtsextremistischen Musikstücke seien "geeignet,
insbesondere auch durch Ausdruck aggressiven, martialischen und militanten
Verhaltens und Ausländerfeindlichkeit, teile der Bevölkerung massiv
einzuschüchtern". Sänger Hannes Ostendorf wurde Ende September vom
Amtsgericht Bremen für einen Überfall auf linke Werder-Fans im
Ostkurvensaal verurteilt.
## Besonders konspirativ
Die Band ging schon immer besonders konspirativ vor, am Tag eines Auftritts
wurden Konzertbesucher über eine Handynummer zu Schleusungspunkten
geleitet, um den Auftrittsort geheim zu halten. Journalisten hatten im
Dezember berichtet, dass die Band eine "Balladen-Tour" unter dem Namen
"H.E.R.M.", einem Akronym der Vornamen der vier Bandmitglieder, plant. Das
Konzert am Samstag war das zweite dieser Art. Am 4. Februar soll es erneut
einen Auftritt in der Kneipe geben. Regelmäßig, so heißt es, würden dort
Rechtsextreme verkehren. Der Besitzer sei angeblich Präsident des örtlichen
Red Devils Rockerclubs, der den Hells Angels nahe steht.
Die Polizei Delmenhorst konnte dies nicht bestätigen. Einen Einsatz in der
Nacht zu Sonntag habe es gegeben, so ein Polizeisprecher. Dass es sich um
ein Rechtsrock-Konzert gehandelt habe, hätten sie aber erst erfahren,
nachdem Staatsschützer im Nachhinein auf ein Internet-Video des Konzerts
gestoßen seien.
Der Verfassungsschutz Niedersachsen hingegen erklärte gegenüber der taz,
schon vorher Bescheid gewusst zu haben: "Der Niedersächsischen Polizei und
dem Niedersächsischen Verfassungsschutz ist kurzfristig bekannt geworden,
dass das betreffende Konzert nach Delmenhorst verlegt worden ist."
Das Fan-Video zeigt Eindrücke des Auftritts: Männer grölen in die Kamera,
der Sänger Hannes Ostendorf ins Mikrofon. Szene-Kenner machen Neonazis der
"Aktionsgruppe Delmenhorst" und Mitglieder der Bremer Hooligan-Truppe
"Standarte 88" im Publikum aus. Auch die späteren Schläger sind vermutlich
auf dem Video zu sehen. Die Polizei Delmenhorst teilte mit: "Hinweise auf
einen Sachverhalt, der strafrechtliche Relevanz hätte, sind uns bisher
nicht bekannt geworden."
## Mäßiger Erfolg
Letzte Woche hatte Niedersachsens Innenminister in einem neuen
"Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus" den Einsatz von V-Leuten damit
begründet, dass mit ihrer Hilfe "Skinhead"-Konzerte in Niedersachsen
"reduziert" werden konnten. In dem Konzept heißt es: "Über V-Leute werden
frühzeitig bedeutende Erkenntnisse gewonnen, die für die Einschätzung von
rechtsextremistischen Veranstaltungen und Versammlungen unerlässlich sind."
In Delmenhorst scheint der Erfolg mäßig.
24 Jan 2012
## AUTOREN
Georg Kirsche
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