# taz.de -- EU-Grüner über Wachstum: „Die Investitionen scheitern am Geld“ | |
> Das Geld muss in ökologische und soziale Zukunftsbereiche fließen, | |
> fordert der EU-Abgeordnete der Grünen Sven Giegold. Mehr falsches | |
> Wachstum mache die Krise schlimmer. | |
Bild: „Die Fans des Euroausstiegs erzeugen erst den Euroausstieg“, sagt der… | |
taz: Herr Giegold, die EU-Politiker haben ein neues Thema entdeckt: Jetzt | |
sollen „Wachstumsinitiativen“ gestartet werden, um die Eurokrise zu | |
bekämpfen. Was halten Sie davon? | |
Sven Giegold: Es gibt eine richtige Wachstumsbesoffenheit. Was daran | |
stimmt: Wachstum ist ein Teil der Lösung. Hohe Schulden lassen sich besser | |
abbauen, wenn die Wirtschaft wächst. | |
Wo ist dann das Problem? | |
Mehr vom falschen Wachstum macht die Krise schlimmer. Es hilft gar nichts, | |
wenn dann auch der Verbrauch von Öl, Gas und Kohle wächst. | |
Weil die Umwelt leidet? Das klingt nach dem klassischen Widerspruch | |
zwischen Ökonomie und Ökologie. | |
Nein. Auch aus rein wirtschaftlichen Gründen ist es absurd, weiter auf | |
Betontourismus zu setzen oder noch mehr Autobahnen zu bauen. Wenn man sich | |
ansieht, wie die Auslandsverschuldung von Krisenländern wie Italien, | |
Spanien oder Portugal zustande kommt, dann zeigt sich: Sie leiden sehr | |
stark unter den steigenden Preisen für Öl und Gas. | |
Das Problem sind also die Importe – nicht die schwächelnden Exporte und die | |
mangelnde Wettbewerbsfähigkeit? | |
In einer umfassenden Studie haben wir alle 27 EU-Staaten untersucht. | |
Ergebnis: Im vergangenen Jahr haben sie für fossile Brennstoffe und andere | |
Rohstoffe 408 Milliarden Euro ausgegeben. Diese Importe konnten nicht | |
komplett durch die Exporte kompensiert werden. Es kam dadurch zu einer | |
Auslandsverschuldung in Höhe von 119 Milliarden Euro. Das kann man auch auf | |
die einzelnen Krisenländer runterbrechen. In Spanien zum Beispiel wären | |
Importe und Exporte ausgeglichen, wenn nicht die steigenden Rohstoffkosten | |
wären. Daraus folgt: „Wachstumsinitiativen“ sind richtig, aber man muss in | |
einen Green New Deal investieren. | |
Wie viele Milliarden wollen Sie denn ausgeben? | |
Es besteht bereits Einigkeit darin, das Eigenkapital der Europäischen | |
Investitionsbank um 10 Milliarden Euro aufzustocken. Dadurch kann die Bank | |
mehr Kredite aufnehmen, so dass insgesamt etwa 100 Milliarden Euro | |
zusätzlich zur Verfügung stehen. Entscheidend ist, dass das Geld nun in | |
soziale und ökologische Zukunftssektoren fließt. | |
Bisher steht aber nirgends, dass die Mittel der Europäischen | |
Investitionsbank nur an die Krisenländer fließen sollen. | |
Ich befürchte auch, dass die Mittel mit der Gießkanne auf alle Länder | |
verteilt werden könnten. Das bringt nichts. Die Krisenländer können an | |
Wettbewerbsfähigkeit nur gewinnen, wenn dort die Investitionsrate höher ist | |
als im restlichen Europa. | |
Nun ist es ja keine neue Erkenntnis, dass in der Ägäis die Sonne scheint | |
und oft starker Wind herrscht. Die Türkei hat daher sehr stark in | |
erneuerbare Energie investiert. In Griechenland ist dies unterblieben, weil | |
es große Widerstände der staatlichen Energiegesellschaft gibt, die um ihr | |
Monopol fürchtet. Warum sollte sich dies ändern? | |
Ich habe mit Windunternehmen gesprochen. Alle beschweren sich über die | |
Korruption in Griechenland und die schwierigen Genehmigungsverfahren. Es | |
ist kein neoliberaler Mythos, dass Griechenland Strukturreformen benötigt. | |
Trotzdem scheitern die Investitionen jetzt auch am Geld. Solange alle | |
befürchten, dass die Griechen zur Drachme zurückkehren könnten, wird sich | |
kein privater Unternehmer in Griechenland engagieren. Die Fans des | |
Euroausstiegs erzeugen erst den Euroausstieg. | |
Nehmen wir ein anderes Krisenland: Spanien. Dort gibt es längst ein | |
Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es wurde sogar von Deutschland abgeschrieben. | |
Was soll also ein Green New Deal noch bringen? | |
Spanien hat leider den großen Fehler gemacht, den Investoren zu lange zu | |
hohe Gewinne zu versprechen. Dann wurde im Nachhinein die zugesagte | |
Förderung gekürzt – und das Vertrauen der Anleger zerstört. Außerdem gibt | |
es gerade bei der Dämmung der Gebäude sehr viel zu tun. Es ist ja ein | |
Mythos, dass es im Süden das ganze Jahr über warm wäre. | |
Bisher rechnet sich die erneuerbare Energie nur, weil es staatliche | |
Subventionen gibt. Soll die EU also nicht nur die Investitionen in den | |
Krisenländern fördern, sondern auch noch die Einspeisevergütung zahlen? | |
Nein. Gerade in den südeuropäischen Ländern befinden sich die erneuerbaren | |
Energien am Break Even Point. Sie tragen sich bei fairen Rahmenbedingungen | |
selbst. Deswegen wäre es ja für die gesamte EU ein so gutes Geschäft, dort | |
gezielt in einen Green New Deal zu investieren. | |
1 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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