# taz.de -- Urteil des Arbeitsgerichts Berlin: Nachschlag für Zeitarbeiter | |
> Eine Leiharbeitnehmerin bekommt nachträglich 55.000 Euro: Sie hatte zum | |
> illegalen Billigtarif der Christlichen Gewerkschaften gearbeitet. | |
Bild: Zeitarbeit? Aus vielen Gründen ungeliebt. | |
BERLIN taz | Die 36-jährige Bürokraft war mehr als fünf Jahre lang an ein | |
Berliner Unternehmen der Metallindustrie als Zeitarbeitnehmerin verliehen | |
worden. Sie arbeitete zum Billigtarif der „Christlichen Gewerkschaften für | |
Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen“ (CGZP). | |
Das Arbeitsgericht Berlin hat der Frau nun in einem jetzt zugestellten | |
Urteil 55.000 Euro Nachzahlung von ihrer Leiharbeitsfirma zugesprochen. | |
Denn der Lohntarif der CGZP war nicht rechtens gewesen. | |
„Die Lohndifferenz zur Stammbelegschaft betrug bei der Dame 1.000 Euro im | |
Monat“, berichtet Manfred Frauenhoffer, der bei der DGB Rechtsschutz GmbH, | |
einer Tochter des Deutschen Gewerkschaftsbundes, für solche Fälle zuständig | |
ist. Der Fall ist bislang die spektakulärste Nachzahlung eines | |
Zeitarbeitslohns im Zusammenhang mit den Billigtarifen der Christlichen | |
Gewerkschaften. | |
Der Hintergrund: Das Bundesarbeitsgericht hat erst unlängst in einem Urteil | |
bestätigt, dass die CGZP niemals tariffähig gewesen sei. Sie hatte keine | |
Vertretungsbefugnis für die Branchen, in denen es Zeitarbeit gibt. Mit dem | |
Urteil wurden die CGZP-Tarife rückwirkend für unwirksam erklärt. Unterliegt | |
ein Leiharbeitnehmer aber keinem gültigen Tarifvertrag der | |
Zeitarbeitsbranche, dann hat er ein Recht auf Equal Pay, also die gleiche | |
Bezahlung wie die Stammbelegschaft. | |
## Zahl der klagenden ZeitarbeitnehmerInnen ist gering | |
ZeitarbeitnehmerInnen, die nach den Tarifen der Christlichen Gewerkschaften | |
bezahlt wurden, können daher heute rückwirkend einklagen, dass sie die | |
Differenz zum Lohn der Stammbelegschaft im entleihenden Unternehmen | |
bekommen. Betroffen sind nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes | |
(DGB) bis zu 3.000 Zeitarbeitsfirmen mit mehr als 100.000 Beschäftigten. | |
Doch die Zahl der tatsächlich klagenden ZeitarbeitnehmerInnen ist | |
erstaunlich gering. In Berlin klagen nur 55 Arbeitnehmer auf eine | |
Nachzahlung, berichtet Frauenhoffer. „Die Arbeitnehmer fordern häufig ihre | |
Löhne nicht nach, weil es die Firma gar nicht mehr gibt. Oder weil sie noch | |
beim selben Arbeitgeber beschäftigt sind und Angst um ihren Arbeitsplatz | |
haben“, erklärt Ingo Nürnberger, Sozialexperte beim DGB. | |
Es sei oft schwer, im Nachhinein zu ermitteln, welcher Lohn damals der | |
Stammbelegschaft in einer vergleichbaren Tätigkeit in einem entleihenden | |
Unternehmen gezahlt wurde, schildert Frauenhoffer. | |
Auch Michael Wehran vom Zeitarbeitgeberverband BAP spricht von nur „sehr | |
wenigen Klagen“. Größere Sorge bereiten den Zeitarbeitsunternehmen die | |
Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung. | |
## Insgesamt 47 Millionen Euro an Nachzahlungen | |
Die Rentenversicherung möchte von allen Leiharbeitsfirmen, die ehemals nach | |
CGZP-Tarifen entlohnten, eine Nachzahlung an Sozialversicherungsbeiträgen | |
entsprechend der Differenz zu den Entgelten der Stammbelegschaften. Bis | |
Ende April wurden von der Rentenversicherung 1.250 der 3.000 betroffenen | |
Zeitarbeitsfirmen überprüft. Sie mussten insgesamt 47 Millionen Euro | |
nachzahlen. | |
Das war jedoch weit weniger als zuvor von den Zeitarbeitgebern befürchtet. | |
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte die Nachzahlungsforderungen auf eine | |
Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro geschätzt. Möglicherweise habe sich | |
herausgestellt, dass die Zeitarbeitsfirmen trotz teilweiser Anwendung des | |
CGZP-Tarifs übertariflich gezahlt hätten, so Wehran. | |
Möglicherweise hätten sich auch die Vergleichslöhne der Stammbelegschaften, | |
im Nachhinein betrachtet, auch nicht als so hoch erwiesen. Damit aber | |
schrumpften auch die Ansprüche auf Nachzahlungen in die | |
Sozialversicherungskasse. | |
3 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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