# taz.de -- Soziale Spaltung: Schulköche haben kein Geld für Zutaten | |
> Die Preisbeschränkungen der Länder für warmes Mittagessen an Schulen sind | |
> bundesweit sehr unterschiedlich. In manchen Regionen fehlt Köchen das | |
> Geld für grundlegende Zutaten. | |
Bild: Ist hier wohl eine ausreichend große "Vitaminkomponente" drin? | |
BERLIN taz I An Grundschulen in Berlin-Kreuzberg gibt es an einem Tag zum | |
Beispiel „Spirelli-Nudeln mit Soße Bolognese und Parmesan“ und zum | |
Nachtisch Obst, an einem Münchner Gymnasium dagegen „Paella mit Hühnchen“, | |
einen „gemischten Salatteller“ und zum Nachtisch „Quarkgrießauflauf mit | |
Apfel“. Im ersten Fall darf das Essen nur 2,10 Euro kosten, im zweiten Fall | |
dagegen 4,30 Euro. | |
„Für 4,30 Euro könnte ich die Speisen am Tisch flambieren“, sagt Rolf | |
Hoppe, Geschäftsführer der Cateringfirma Luna und Vorsitzender des neu | |
gegründeten Verbandes der Berliner und Brandenburger Schulcaterer.Hoppe und | |
andere Caterer weigern sich neuerdings in Berlin-Kreuzberg, für den vom | |
Bezirk ausgeschriebenen Preis von 2,10 Euro pro Essen weiterhin | |
Putenbratwurst, Paprikagulasch und Senfeier zu kochen. „Für diesen Preis | |
können wir kein Essen mehr liefern, das den Ansprüchen an Schulverpflegung | |
genügt“, sagt Hoppe. | |
Der Landeselternausschuss zeigt Verständnis für die Weigerung der Caterer: | |
„Der Portionspreis für die Mittagessenversorgung an Grundschulen muss vom | |
Land so festgelegt werden, dass eine standardgemäße Essenversorgung | |
gewährleistet werden kann“, erklärt Günter Peiritsch, Vorsitzender des | |
Landeselternausschusses Berlin. Er fordert vom Land Berlin, den Zuschuss zu | |
erhöhen. | |
Nach Rechnung des Landeselternausschusses zahlt der Senat für jedes Essen | |
52 Cent zu, der Elternanteil beträgt 1,45 Euro und die Bezirke legen je | |
nach Haushaltslage noch mal 10 bis 30 Cent drauf. Im Berliner | |
Gutverdiener-Bezirk Zehlendorf beispielsweise darf das Essen – bei gleichem | |
Elternanteil – wegen des höheren bezirklichen Zuschusses 2,30 Euro kosten. | |
„Über die Woche gerechnet, macht das schon einen Unterschied“, meint Hoppe. | |
## Weniger Geld für Zutaten als Hartz-IV-Empfänger | |
Laut Rechnung des Berliner Caterers bleiben nach Abzug der Personalkosten, | |
der Betriebskosten und der Mehrwertsteuer pro Essen nur 60 Cent für die | |
Zutaten übrig - das ist weniger als Hartz-IV-Empfängern im Regelsatz für | |
eine Mahlzeit zugedacht ist. Kein Wunder also, dass es vom Caterer | |
keineswegs jeden Tag Salat oder Rohkost gibt, sondern nur eine | |
„Vitaminkomponente“ täglich, so Hoppe. Das kann auch ein Apfel sein. | |
Weit entfernt sind die 2-Euro-Schulessen von den Vorschlägen des | |
Ernährungsforschers Volker Peinelt von der Hochschule Niederrhein. Nach | |
dessen Vorgaben müsste es jeden Tag Gemüse und Salat geben. Doch dies ist | |
teurer. An Schulen und in Gegenden, wo die Elternschaften aus eigener | |
Tasche höhere Preise für das Mittagessen zahlen können als in | |
Berlin-Kreuzberg, ist eine bessere Verpflegung möglich. | |
Das Cateringunternehmen Ilcielo bei München beispielsweise bietet für 4,30 | |
Euro täglich zusätzlich zum Hauptgericht Tomatensalat, gemischten Salat | |
oder Karottensalat plus Dessert. Im Unterschied zu Berlin müssen die Eltern | |
in München sogar den vollen Preis für das Essen entrichten, direkte | |
Subventionierungen der Schulessen gebe es in München nicht, heißt es bei | |
der regionalen Vernetzungsstelle Schulverpflegung in Oberbayern. | |
Bei der Qualität der Schulessen existiere ein Nord-Süd-Gefälle, aber auch | |
eine Ost-West-Achse sagt Michael Polster, Chef des Deutschen Netzwerks | |
Selbstverpflegung in Berlin. In Hamburg zum Beispiel darf das Essen an | |
Ganztagsschulen neuerdings bis zu 3,50 Euro kosten. Im Unterschied zu | |
Berlin aber, wo die Eltern einen niedrigen Festpreis für das billige Essen | |
entrichten, sind die Eigenanteile für die Eltern in Hamburg gestaffelt. Sie | |
müssen je nach Einkommenslage zwischen 20 oder eben auch 100 Prozent des | |
Preises selbst bezahlen. | |
4 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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