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# taz.de -- Kolumne Nebensachen aus Peking: Revolution im Toilettenhäuschen
> Der Zustand der öffentlichen Toiletten verrät einiges über den Zustand
> des Landes. Und so präsentiert sich Peking auf dem WC ganz modern.
Bild: Eine chinesische Toilette aus der Familie der Marienkäferartigen.
PEKING taz | Neulich habe ich in einem alten Pekinger Viertel eines dieser
öffentlichen Toilettenhäuser entdeckt, in denen vor zwanzig Jahren noch
fast jeder nichtprivilegierte Chinese seine Notdurft verrichtete.
Es handelte sich um dieselben in den Boden eingelassenen Klosetts, auf
denen man kauerte – und dabei darauf achten musste, nicht das Gleichgewicht
zu verlieren. Sonst gab es nasse Hosenbeine. Ja, dachte ich, es gibt sie
also noch: diese Häuschen, vor denen mir schon damals grauste.
Sie gehen auf eine Zeit zurück, in denen die meisten Pekinger noch in
Hutongs lebten, dicht gedrängten einstöckigen Hofhäusern, in denen es keine
Toiletten gibt, sondern nur Eimer für die Nacht. Ansonsten war der Gang zum
Örtchen stets mit einem Gang zur nächsten Gassenecke verbunden, wo die
Toilettenhäuser meist standen. In Peking sind sie inzwischen rar.
In den neuen Einkaufszentren und modernen Hochhäusern hat längst die
Sitzvariante Einzug gehalten. Und selbst die noch bestehenden
Toilettenhäuser sind nicht mehr das, was sie mal waren. Spätestens mit der
Sars-Seuche 2003 war die Pekinger Führung über den Hygienezustand alarmiert
und lud 2004 zum Welttoilettengipfel. 150 Experten berieten die
Stadtverwaltung. Seitdem hat Peking bei der Toilettenhygiene einen
gewaltigen Sprung nach vorn gemacht.
Einige duften angenehm nach Grünen Teeblättern, andere nach Lotusblüten.
Putzkräfte wischen einem mit einem Mop demonstrativ hinterher, sobald man
die Kabinentür des stillen Örtchens nur aufgeschlossen hat. Auch sinnlich
wurden diese Häuser aufgewertet. Pekings Stadtverwaltung investierte 23
Millionen Euro für Granitfußböden, Sensor-Spülungen, automatische
Handtrockner und sanfte Hintergrundmusik. „Wir wissen, dass Toiletten das
geistige und materielle Niveau eines Landes widerspiegeln“, hatte der
Vizedirektor des Pekinger Tourismusbüros gesagt.
Auf dem Land ist die Entwicklung noch nicht so weit. Hier haben sich Optik
und Geruch vielerorts kaum verändert. Neulich traf ich eine
Journalistenkollegin, die für ein chinesisches Wirtschaftsmagazin arbeitet.
Ich fragte sie, ob sie auch auf der letzten Klimakonferenz in Südafrika
war.
Nach Afrika fliege sie nicht, antwortete sie. Sie würde die dortigen
hygienischen Verhältnisse auf den öffentlichen Toiletten nicht ertragen.
Ich gab zu bedenken, dass es im ländlichen China doch nicht anders aussehe.
Deswegen recherchiere sie auch nicht zu innerchinesischen Themen,
entgegnete sie.
11 Jun 2012
## AUTOREN
Felix Lee
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