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# taz.de -- TV-Tower in Peking ist eröffnet: Chinas große Unterhose auf Sendu…
> Chinas Staatssender CCTV bezieht Pekings architektonischen Schandfleck.
> Das Fengshui des Klotzes stand von Beginn an unter einem schlechtem
> Stern.
Bild: Die grandiose Unterhose: Das TV-Zentrum ist jetzt auf Sendung.
PEKING taz | Das ist unüblich für China. Normalerweise lässt sich ein
chinesisches Unternehmen die Gelegenheit nicht nehmen, den Einzug in ein so
pompöses Bauwerks nicht auch entsprechend pompös zu feiern, zumal es sich
um den neuen Hauptsitz von Chinas größtem Staatsfernseher CCTV handelt und
das auch noch mitten in Pekings bester Lage. Doch die offizielle
Eröffnungsfeier am Mittwochabend fiel bescheiden aus.
Das mag daran liegen, dass der hässliche Klotz nach insgesamt zehnjähriger
Bauzeit und einer Milliarde verschlungener US-Dollar seit vier Jahren so
aussieht, als wäre er bereits fertig und er damit für die Pekinger nicht
mehr wirklich eine Sensation darstellt. Denn die Außenfassade des 234 Meter
hohen Bauwerks wurde bereits 2008 pünktlich zur Eröffnung der Olympischen
Sommerspiele angebracht. Der komplizierte technische Innenausbau hat sich
bis jetzt hingezogen.
Und damit sind wir beim zweiten Grund: Das monströse Bauwerk stand von
Beginn an unter schlechtem Fengshui, der chinesischen Lehre harmonischer
Bauweise. Das Gebäude besteht aus zwei schiefen Türmen, die an der Spitze
horizontal abknicken und dann L-förmig miteinander verbunden sind. Mit
einer Nutzfläche von rund 430.000 Quadratmetern ist es nach dem Pentagon in
Washington das zweitgrößte Bürogebäude der Welt.
Doch nach der traditionellen Fengshui-Lehre ist es viel zu kantig, kalt und
grobschlächtig gebaut und lässt von allen Seiten böse Geister zu. Was damit
gemeint ist: Es zieht überall wie Hechtsuppe.
## Ein echt hässlicher Klotz
Und tatsächlich sind die symmetrisch fragmentierten Blocks zwar
aufsehenerregend und rauben einem beim ersten Anblick schon aufgrund der
schieren Größe den Atem. Doch der Klotz ist auch hässlich und kaum ein
Pekinger hat ihn wirklich ins Herz geschlossen. Es war ein Taxifahrer, der
als erstes das Bauwerk mit einer abgenutzten Unterhose verglich (Dakucha).
Seitdem hat es im Volksmund diesen Namen weg.
Und das erste Unglück ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Ebenfalls
zum Gelände der beiden miteinander verbundenen Türme gehört ein weiteres
gläsernes Hochhaus, dass während der Olympischen Spiele 2008 auch schon als
internationales Pressezentrum genutzt wurde.
Neben Kongress- und Kulturzentrum sollte auch ein Fünf-Sterne-Hotel
einziehen. Doch beim chinesischen Neujahrsfest im Februar 2009 hatten
Pyrotechniker im Auftrag einiger leitender CCTV-Kader Feuerwerkskörper an
das Gebäude angebracht. Das 44-stöckige Gebäude brannte ab. Einigen der 38
Verantwortlichen droht seitdem die Todesstrafe. Bis heute prägt das Gerippe
Pekings Skyline.
## Verkehrskollaps droht
Aber auch die Architekten haben sich beim CCTV-Tower nicht gerade mit Ruhm
bekleckert. Der deutsche Architekt Ole Scheeren hat die Konstruktion mit
dem Niederländer Rem Koolhaas entworfen und bis zum Schluss die Bauarbeiten
geleitet. Aus verkehrs- und umweltpolitischer Sicht haben sie damit jedoch
an einer gigantischen Bausünde beigetragen, was seinesgleichen sucht und in
Europa in dieser Dimension kein Architekt mehr entwerfen würde.
10.000 Mitarbeiter sollen jeden Tag um 9 und 17 Uhr zeitgleich das Gebäude
betreten und verlassen. Dieser Klotz dürfte dazu beitragen, dass der
Verkehr in der ohnehin bereits völlig überfüllten Ecke Pekings nun völlig
kollabieren wird.
Als erstes soll im Juni der beliebte Sportkanal von CCTV die Arbeit im
neuen Sendezentrum aufnehmen und im Sommer die Olympischen Spiele in London
übertragen. Eine versöhnlich gemeinte Geste des Staatssenders. Und dennoch:
Was eigentlich als Pekings neues Wahrzeichen und ein Symbol des modernen
China vorgesehen war, stellt sich als weiterer architektonischer
Schandfleck dar, wie es sie in der chinesischen Hauptstadt aufgrund von
Übermut und Größenwahn leider bereits jede Menge gibt.
16 May 2012
## AUTOREN
Felix Lee
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