| # taz.de -- Nachhaltigkeit in der EU: Mehr grüner Schein als Sein | |
| > Von den großen Ambitionen für ein klimaschonendes und nachhaltiges | |
| > Wirtschaften ist nicht viel übrig geblieben. Jeder EU-Staat schützt vor | |
| > allem seine eigenen Interessen. | |
| Bild: Weizenernte im Norden Frankreichs: Besonders Paris wehrt sich gegen eine … | |
| BRÜSSEL taz | In den Fluren der EU-Institutionen in Brüssel und erst recht | |
| auf den Pressekonferenzen der EU-Politiker ist „Nachhaltigkeit“ ein | |
| absolutes Trendwort – vor allem seit die 27 EU-Mitgliedsstaaten die | |
| sogenannte „Nachhaltigkeitsstrategie“ für die Gemeinschaft beschlossen | |
| haben. | |
| Seit Dezember 2001 ist die ressourcen- und klimaschonende Wirtschaft | |
| erklärtes Ziel der Staatengemeinschaft. Damals wollten die Mitgliedsstaaten | |
| in eine neue Ära aufbrechen, aber nun – kurz vor der Umwelt- und | |
| Entwicklungskonferenz in Rio am 20. Juni – ist von dieser Ambition kaum | |
| etwas übrig geblieben. | |
| „Die EU ist längst nicht so grün und nachhaltig, wie ihre Bürger denken. | |
| Die Kluft zwischen Rhetorik und Realität ist unglaublich groß“, sagt Jorgo | |
| Riss, der das EU-Büro von Greenpeace in Brüssel leitet. „Die | |
| Klimafreundlichkeit der Regierungen endet immer bei den Interessen der | |
| eigenen Wirtschaft. Das ist kurzfristig gedacht und dumm.“ | |
| Beispiele für diese Doppelzüngigkeit gibt es zahlreiche. Jedes Land will | |
| seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen. Während Deutschland vor allem | |
| bei der Energie- und Automobilindustrie sensibel reagiert, wollen die | |
| Spanier keine weiteren Einschränkungen bei den Quoten für ihre | |
| Fischereiflotte akzeptieren, weil davon bei ihnen im Land Arbeitsplätze | |
| abhängen. | |
| Die Franzosen wehren sich besonders heftig gegen die Reform der | |
| EU-Agrarpolitik, weil diese die EU-Subventionen von Großbetrieben zu | |
| nachhaltigen Ökobauern umschichten will. | |
| „Da jeder seine speziellen Interessen hat, machen die Länder sich | |
| gegenseitig keinen Strich durch die Rechnung. Die Regierungen setzen | |
| darauf, dass sie so beim nächsten Mal ebenfalls die Unterstützung der | |
| Kollegen bekommen“, sagt Riss. | |
| Nahezu alle Mitgliedsstaaten haben beim Schutz der Artenvielfalt in der | |
| Union versagt. Auch in diesem Punkt hatten sich die Regierungen hehre Ziele | |
| gesetzt. Bis 2020 wollen die EU-Mitgliedsstaaten das Artensterben | |
| aufhalten. | |
| Helfen sollen verschiedene EU-Richtlinien und -Vorgaben – wie die | |
| Natura-2000-Regelung. Sie hat die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, | |
| besondere Schutzgebiete einzurichten. Zwar sind mittlerweile zahlreiche | |
| ausgewiesen, aber die Mitgliedsstaaten haben kaum Projekte zum | |
| tatsächlichen Schutz der Tiere und Pflanzen ergriffen. | |
| Und das Geld fehlt: Die Umweltschutzorganisation WWF hat errechnet, dass | |
| zur Ausstattung der Natura-2000-Gebiete jährlich rund 5,8 Milliarden Euro | |
| notwendig sind. Zurzeit werden davon vom EU-Haushalt nur 20 Prozent | |
| gedeckt. Das ist zu wenig, um die Artenvielfalt zu erhalten. | |
| Und in einigen Fällen ist es ausgerechnet die deutsche Bundesregierung mit | |
| der selbst ernannten Klimakanzlerin an der Spitze, die die Wende hin zur | |
| grünen Wirtschaft blockiert: zum Beispiel bei der aktuell in Brüssel | |
| diskutierten Energieeffizienz-Richtlinie, die dazu beitragen soll, dass das | |
| gesteckte Einsparziel von 20 Prozent bis 2020 tatsächlich erreicht wird. | |
| Die deutsche Bundesregierung versucht alles, um die Ziele und Maßnahmen in | |
| der Richtlinie – zum Beispiel die Vorgaben für die Sanierung von | |
| öffentlichen Gebäuden – möglichst unverbindlich zu halten. | |
| Auch Spanien, Portugal und Finnland wehren sich gegen die | |
| Energieeinsparungen. Sie befürchten, dass die sowieso schon gebeutelte | |
| Wirtschaft zu stark unter den Folgen leidet. | |
| Für die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard wird es deshalb schwierig | |
| werden, in Rio die EU-Position auf internationaler Ebene glaubwürdig und | |
| nachdrücklich zu vertreten. Denn die Mitgliedsstaaten haben außer vielen | |
| schönen Worten noch wenig konkrete Schritte für mehr Nachhaltigkeit | |
| gemacht. | |
| 12 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ruth Reichstein | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
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