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# taz.de -- Planspiel im Bundestag: Kaderschmiede der Klassensprecher
> Im Planspiel des Bundestags üben Jugendliche wie man richtige Politik
> macht. Doch die Teilnehmer sind keine unbedarften Teenager – im
> Gegenteil.
Bild: Wie im echten Leben: Die Frauen dürfen erst in der dritten Reihe sitzen.
BERLIN taz | Einen Arm auf das Pult gestützt, lässt Alexander Straub die
freie Hand durch die Luft fahren: „Diese Regierung verfolgt eine Politik
der sozialen Kälte und der Arroganz“, ruft er. Die Fraktion der
Arbeiterpartei applaudiert, es braust unter der Reichstagskuppel, und
Straub nimmt seine Schultern zurück.
Diese Bundestagsdebatte ist ein Spiel. Es heißt „Jugend und Parlament“,
einmal im Jahr schlüpfen Schüler und Studenten zwischen 16 und 20 Jahren in
die Rolle von Abgeordneten, simulieren Ausschussarbeit und Plenum. Doch wer
hier unbedarfte Anfänger erwartet, täuscht sich. Viele der Teenager sind
schon halbe Politprofis.
Straubs Lackschuhe und die glänzende Armbanduhr unter seinem Jackettärmel
sind echt. Sein Name ist es nicht. Tatsächlich heißt er Philipp-Pierre
Rischert und ist 18 Jahre alt. Im Spiel ist er Vize-Fraktionsvorsitzender,
in der Wirklichkeit sitzt Rischert im baden-württembergischen Neuenstadt
dem Ortsverband der Jungen Union vor.
Rund 300 Jugendliche nehmen in jedem Jahr an dem Planspiel teil. Rekrutiert
werden sie über die Bundestagsabgeordneten selbst, jeder Zweite von ihnen
wählt einen Spieler aus seinem Wahlkreis aus. Dort finden die Politiker
ihre jungen Vertreter immer öfter in den Jugendorganisationen der Parteien,
sagt Rebekka Schremmer. Sie ist 22, vor vier Jahren wurde sie von ihrem
Lehrer im Politikleistungskurs angesprochen und nahm an dem Bundestagsspiel
teil. Mittlerweile ist sie Teil des Organisationsteams im Bundestag. Sie
freue sich auch heute noch über Teilnehmer, die „noch nicht so ganz im
Politikbetrieb verankert sind“. Die werden seltener.
Beim Tagesordnungspunkt „Diskriminierungsfreie Bewerbungen“ tritt Penau
Said, 19 Jahre alt, ans Pult. Seit drei Jahren ist er Mitglied bei den
Jusos, seit einem Jahr bei der SPD. Said ist Sohn eines kurdisch-irakischen
Widerstandskämpfers, deshalb will auch er sich politisch engagieren, sagt
er. Einige Sekunden muss er warten, bis das Mikrofon herabgefahren wurde,
er ist viel kleiner als sein Vorredner. „Diskriminierung“, grölt jemand.
Dann hebt er an: „Chancengleichheit“, sagt Said, „ist wie die Umfragewerte
der Liberalen: Tendenz gleich null.“
## Sprungbrett in die Politik
Viele der Teilnehmer sehen das Bundestagsplanspiel als Sprungbrett, sagt
Rischert von der Jungen Union. Er selbst halte aber nichts von dieser
karrieristischen Sichtweise. Bundespolitiker seien zu weit von der Basis
entfernt, zu viel Interessenvertretung, sagt er. Über seinen Platz im
Planspiel ist er trotzdem froh: „Über Kontakte“ habe er ihn ergattert.
Der Ansatz des Planspiels sei mehr eine „Simulation der Repräsentativität“
als ein pädagogischer, sagt Organisator Jochen Guckes vom Besucherdienst
des Bundestags. Zwischen Mitgliedern der Jugendorganisationen der Parteien
und unabhängigen Schülern sieht er eine „gute Mischung“. Guckes sagt, das
Ziel des Planspiels sei es, Jugendliche zu begeistern, damit sie in ihrem
Bekanntenkreis für Politik werben. „Natürlich sind das politisch engagierte
Leute“, sagt er.
„Man lernt eine ganze Menge“, sagt die Exabgeordnete im Bundestagsspiel,
Rebekka Schremmer. Besonders beeindruckt habe sie die Oppositionsrolle:
„Politik bedeutet Macht“, sagt Schremmer, „und Ohnmacht.“
13 Jun 2012
## AUTOREN
Kristiana Ludwig
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