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# taz.de -- Assanges Flucht in die Botschaft Ecuadors: Ein unerwarteter Gast
> Julian Assanges Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London beruht
> möglicherweise auf einem gravierenden Missverständnis – oder gleich auf
> mehreren.
Bild: Demonstranten vor der equadorianischen Botschaft in London.
Das kennt jeder, der mit Lateinamerikanern zu tun hat: Man säuft eine
Nacht, versteht sich bestens, und am Schluss kommt die feierliche
Erklärung, man sei jederzeit willkommen. Das ist der Beginn einer
wunderbaren Freundschaft – solange man nicht wirklich eines Tages vor der
Tür steht.
Genau das allerdings versucht gerade Wikileaks-Gründer Julian Assange, der
sich am Dienstag, wenige Tage vor seiner bevorstehenden Ausweisung an die
schwedische Justiz, in die ecuadorianische Botschaft in London flüchtete
und dort um politisches Asyl nachsuchte. Er fühlt sich ganz offensichtlich
vom Präsidenten Rafael Correa persönlich eingeladen.
In einem Interview, dass Assange im April von seinem Hausarrest aus für den
Satellitenkanal Russia TV mit Ecuadors Präsident Rafael Correa geführt
hatte, hatten sich beide ausgesprochen gut verstanden. Correa, der sich als
Linker gibt und Ecuador in eine Allianz mit dem Venezuela von Hugo Chávez
und dem Bolivien Evo Morales’ geführt hat, lachte mit Assange und
verabschiedete sich mit den Worten: „Willkommen im Club der Verfolgten!“
Beide eint das Gefühl der Bedrohung durch die USA. Correa ist bekannt
dafür, seine eigene Bündnispolitik an der Feindschaft zu Washington
auszurichten – auch Irans Ministerpräsident Mahmud Ahmadinedschad ist ein
gern gesehener Gast.
## Unliebsamer Anwalt
Während ecuadorianische Medien davon ausgehen, dass das Asyl für Assange
bereits beschlossene Sache sei, dürften die zu beantwortenden Fragen
womöglich doch einer etwas längeren Prüfung bedürfen. Immerhin hieße
Asylrecht für Assange, die schwedische und die britische Justiz frontal vor
den Kopf zu stoßen und sich Assanges Position zueigen zu machen, es ginge
bei den gegen ihn angestrengten Verfahren gar nicht um die Vorwürfe
sexueller Belästigung, Nötigung und Vergewaltigung, sondern um die
politische Verfolgung eines unliebsamen Anwalts weltweiter
Informationsfreizügigkeit.
Aber selbst aus diesem Blickwinkel vermag Assanges Wahl ausgerechnet
Ecuadors nicht zu überzeugen – bescheinigen doch Menschenrechts- und
Journalistenorganisationen dem Land seit Jahren eine autoritären Umgang mit
seiner kritischen Presse. Unliebsame Journalisten werden vor Gericht
gezerrt, Medien mit Formalargumenten geschlossen. Als Wikileaks die
US-Botschaftsdepeschen veröffentlichte, enthielten die zu Ecuador unter
anderem Berichte über Korruption im Polizei- und Justizapparat. Das bewegte
Correa zum Handeln – allerdings nicht gegen korrupte Staatsdiener.
Stattdessen wurde der US-Botschafter des Landes verwiesen.
## Kein Zugriffsrecht
Seit Dienstag nun herrscht Aufregung. Vor dem Botschaftsgebäude in London
steht die britische Polizei, die allerdings in durch diplomatischen Status
geschützten Räumlichkeiten kein Zugriffsrecht hat. Weil Assange mit dem
Gang in die Botschaft die Auflagen seines Hausarrests gebrochen hat, will
ihn die Polizei wieder verhaften. Aus der Botschaft selbst heißt es, das
Asylbegehren werde bei den zuständigen Stellen in Quito geprüft – wie
lange, ist unklar.
Überrascht sind auch die Unterstützer Assanges, die für die gut 300.000
Euro Kaution aufgekommen sind, um ihn aus der Haft in den Hausarrest zu
bekommen – das Geld können sie nun abschreiben.
Neben dem britischen Filmemacher Ken Loach und dem australischen
Dokumentarfilmer John Pilger hat auch die Milliardärstochter Jemina Khan
ihren Anteil beigetragen: „Ich hatte erwartet, dass er sich den Vorwürfen
stellen würde“, sagte sie dem Guardian. Sie dürfte nicht die einzige alte
Freundin sein, die Assange durch seinen Schritt verliert.
20 Jun 2012
## AUTOREN
Bernd Pickert
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