# taz.de -- Wikileaks-Gründer in der Botschaft Ecuadors: Ausreise mit Hinderni… | |
> Das Ersuchen von Wikileaks-Gründer Julian Assange nach Asyl in Ecuador | |
> könnte an sehr praktischen Fragen scheitern: Wie erreicht er das Land, | |
> ohne britisches Territorium zu betreten? | |
Bild: Kein Fuß aus der Botschaft: Die britische Polizei wartet nur drauf, Assa… | |
LONDON afp | Es klingt wie das Rätsel eines Agententhrillers aus Hollywood: | |
Wie kann es gelingen, Julian Assange von der ecuadorianischen Botschaft in | |
London nach Quito zu bringen, ohne dass der Wikileaks-Aktivist britischen | |
Boden betritt? | |
Denn sollte der Australier das unter diplomatischem Schutz stehende | |
Botschaftsgebäude verlassen, in dem er sich seit knapp einer Woche aufhält, | |
droht ihm die sofortige Festnahme durch britische Beamte, weil er gegen | |
seine Bewährungsauflagen verstoßen hat. | |
Statt seine nächtliche Ausgangssperre einzuhalten, flüchtete sich Assange | |
am vergangenen Dienstagabend in London in die Botschaft Ecuadors und | |
beantragte politisches Asyl. Ihm droht die Auslieferung an Schweden, wo er | |
zu ihm vorgeworfenen Sexualdelikten befragt werden soll. Assange bleibt | |
noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – in | |
Großbritannien hat er aber alle Rechtsmittel ausgeschöpft und hofft deshalb | |
nun auf Ecuador. | |
Die ecuadorianische Botschaft hat ihren Sitz in einem viktorianischen | |
Gebäude im schicken Stadtteil Knightsbridge. Dort ist er laut britischem | |
Außenamt außer Reichweite der Polizei. Setzt er aber nur einen Fuß vor die | |
Tür, dürften die rund um die Uhr dort wachenden Scotland-Yard-Beamten ihn | |
festnehmen. Denn selbst wenn Ecuador Assange politisches Asyl gewährt, | |
bedeutet das nicht, dass er über britisches Territorium nach Quito reisen | |
kann, ohne festgenommen zu werden, wie der Prozessanwalt Carl Gardner | |
erklärt. | |
Da die ecuadorianische Botschaft außerdem nur in einem Teil des Gebäudes | |
residiert, könnte seine Flucht auch schon im Hausflur zu Ende sein. „Die | |
Unantastbarkeit der Botschaft könnte auf Transportmittel ausgeweitet | |
werden“, erklärt der Diplomatenberater Paul Whiteway, „aber selbst wenn er | |
es ins Auto schafft, was passiert am anderen Ende? Wie soll er ins Flugzeug | |
gelangen, ohne festgenommen zu werden?“ Whiteway gab sich überzeugt, dass | |
die britischen Behörden alles tun werden, um Assange zu fassen, um keine | |
Nachahmer auf die Idee zu bringen, vor der britischen Justiz in sämtliche | |
Botschaften zu flüchten. | |
Berüchtigt ist der Fall des nigerianischen Politikers Umaru Dikko, den | |
seine Regierung im Jahr 1984 entführen und aus Großbritannien nach Nigeria | |
schmuggeln wollte. Dikko saß in einer als „Diplomatengepäck“ angegeben | |
großen Kiste. Zollbeamte vereitelten aber den spektakulären | |
Schmuggelversuch. | |
## „Ernorme Kreativität“ | |
Statt sich in einen Diplomatenkoffer zu quetschen, könnte Assange aber auch | |
von Ecuador zu einem ihrer Vertreter bei der UNO ernannt werden, wie der | |
Anwalt Gardner ausführt. Auch wenn dies eine „enorme Kreativität“ | |
erfordere, könnte Assange dann unter dem Schutz der UNO in deren | |
Hauptquartier nach New York reisen und von da aus weiter nach Ecuador. | |
Wenn Assange in die USA reist, begibt er sich allerdings nach den Worten | |
Gardners in die „Höhle des Löwen“. Denn der Wikileaks-Mitbegründer | |
fürchtet, dass er dort wegen der Enthüllung unzähliger geheimer | |
US-Depeschen durch die Internetplattform belangt wird. Derzeit prüft eine | |
Grand Jury mögliche Ermittlungen. Einen Auslieferungsantrag könnte dann die | |
US-Justiz auf der Grundlage bilateraler Abkommen stellen. Das Abkommen | |
zwischen den USA und Großbritannien ist dabei zum Beispiel sehr eng, | |
weshalb ihm bereits jetzt ein solches Gesuch aus Washington droht. | |
Zuletzt sagte aber Australiens Außenminister Bob Carr, er habe keinen | |
Hinweis auf Pläne der USA, Assanges Auslieferung zu beantragen. Einen | |
Antrag hätte Washington schließlich längst stellen können, da sich Assange | |
seit zwei Jahren in Großbritannien aufhalte, sagte er. Doch nun ist der | |
40-Jährige erst einmal in den Räumen der ecuadorianischen Botschaft | |
zuhause. Im Extremfall kann er Jahre auf diplomatischen Schutz hoffen. Im | |
Jahr 1956 etwa nahmen die USA in ihrer Botschaft in Budapest einen | |
ungarischen Kardinal auf. Er blieb dort bis 1971. | |
25 Jun 2012 | |
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