# taz.de -- Guggenheim-Lab: Druck aus dem Norden | |
> Mit einem alten Feuerwehrauto will das Lab mit Bürgern über lokale | |
> Bauvorhaben diskutieren. Die zeigen am Blumengroßmarkt in Kreuzberg | |
> allerdings wenig Interesse. | |
Bild: Ein Projekt, das im Rahmen des Labs Aufmerksamkeit erhielt: Das "Ein-Quad… | |
Hassan ist Rentner und schländert wie jeden Tag über die südliche | |
Friedrichstraße, in der auf dieser Höhe soziale Schichten | |
aufeinanderprallen. Auf der anderen Straßenseite vor den freien Flächen des | |
Blumengroßmarkt-Geländes parkt ein altes Feuerwehrfahrzeug mit der | |
Aufschrift „Freespace Berlin Mobile“. Auf dem Gehweg vor dem Fahrzeug hat | |
sich eine kleine Gruppe junger Leute versammelt. Aufmerksam lauschen sie | |
den Ausführungen des Stadtsoziologen Florian Schmidt und folgen seinem | |
Finger über die aufgestellten Baupläne. | |
Das Feuerwehrauto ist ein Projekt des Guggenheim Labs, das vor einer Woche | |
am Pfefferberg in Prenzlauer Berg eröffnet wurde. Schmidt erklärt nun hier | |
in Kreuzberg, dass momentan ein Verkaufverfahren für das Gelände rund um | |
den Blumengroßmarkt läuft und der Berliner Liegenschaftsfonds die 133.000 | |
Quadratmeter als Baugrund veräußert. „Zum Glück geht es im Verfahren nicht | |
mehr ausschließlich ums Geld. Das wichtigere Vergabekriterium ist | |
mittlerweile, dass die geplanten Gebäude das Leben im Kiez bereichern“, | |
sagt Schmidt mit Stolz, denn er hat sich in der Bürgerinitiative Stadt | |
Neudenken dafür stark gemacht, dass die Ausschreibung kein reines | |
Höchstbieterverfahren wird. Bei der Entscheidung im September sollen | |
Gebäudekonzepte bevorzugt werden, welche die umliegende Stadtumgebung in | |
Punkto Kunst-, Kultur-, Medien- und Wohnviertel berücksichtigen. | |
Hassan, der seit 1975 in der Gegend lebt, würde sich am Blumegroßmarkt eine | |
schöne Einkaufspassage wünschen, in der er alles Notwendige einfach und | |
schnell besorgen kann. Außerdem fehlt ihm und seinen neun Enkelkindern ein | |
Ort, an dem die Kleinen spielen können und die Jugendlichen einen | |
sinnvollen Treffpunkt haben. Aus dem Stehgreif entwirft er das Bild von | |
einem Platz, an dem Menschen ungezwungen zusammenkommen, „egal ob schwarz, | |
weiß, grün oder gelb“. Den Besselpark, der von hier aus nur einen | |
Katzensprung entfernt ist, meidet der 71-Jährige: „Der ist so dunkel und | |
voller Hunde.“ | |
Das Feuerwehrauto und die jungen Europäer, die Vorträge halten und | |
miteinander diskutieren, können Hassans Interesse nicht wecken. Der | |
Anwohner macht, wie die meisten seiner Nachbarn, einen Bogen um die | |
Mitarbeiter des Labs. Dabei soll am Mobil doch gerade mit den Anwohnern ein | |
Dialog entstehen, um ihre Ideen in die Auswahl des Vergabeverfahrens | |
einfließen zu lassen. | |
Architekt Robert Slinger, der mit dem Projektbüro Südliche Friedrichstadt | |
zusammenarbeitet, weiß, dass die gewerblichen Interessen aus dem | |
finanzstarken Norden der Friedrichsstraße in die neu zu bebauenden | |
Freiflächen drücken. „Die benachbarte Landau Media AG spielt mit dem | |
Gedanken ihre Büroräume auszuweiten“, sagt Slinger, „die | |
Immobiliengesellschaft Berlinhaus GmbH könnte womöglich als Bauträger mit | |
rein ökonomischen Interessen fungieren.“ Die ausgeschriebenen | |
Quadratmeterpreise des Liegenschaftsfonds seien wegen dem neuen | |
Ausschreibungsverfahren enorm günstig, sagt Architektin Susanne Heiß, die | |
sich mit einem genossenschaftlichen Bauprojekt auf die Ausschreibung | |
beworben hat. „Wir müssen am Blumengroßmarkt aufpassen, dass hier keine | |
Hotels zu Spottpreisen entstehen.“ Davon hätten Hassans Enkel wenig. | |
22 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Constantin Schöttle | |
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