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# taz.de -- Wanderarbeiter in China: Straßenschlachten mit der Polizei
> Ein Streit eskaliert und treibt Hunderte auf die Straße: Wanderarbeiter
> in der Provinz Guangdong liefern sich heftige Auseinandersetzungen mit
> der Polizei.
Bild: Wanderarbeiter haben zum Aufschwung der Provinz Guangdong beigetragen. Si…
PEKING taz | Noch vor kurzem glaubten Regierungsvertreter der
südchinesischen Küstenprovinz Guangdong, dass es sich bei dem Phänomen der
Wanderarbeit nur noch um ein Übergangsproblem handele. Die Löhne stiegen,
viele der Zugezogenen hätten ihre Familien nachgeholt und seien inzwischen
selbst zu Wohlstand gekommen.
Vor allem habe Chinas wirtschaftlicher Aufstieg nun auch die bis vor kurzem
noch unterentwickelten Inlandsprovinzen erfasst. Die Menschen von dort
fänden mittlerweile auch in ihren Heimatprovinzen gute Jobs und müssten
nicht mehr wandern. Tatsächlich ist die Zahl der Wanderarbeiter in
Guangdong in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen.
Die Probleme sind jedoch nicht weniger geworden. Im Gegenteil: In der Nacht
zu Dienstag sind in der Stadt Zhongshan vor den Toren der Provinzhauptstadt
Guangzhou heftige Unruhen ausgebrochen. Wie chinesische Mikroblogger
berichten, haben sich mehr als 1.000 Wanderarbeiter stundenlange
Straßenschlachten mit der Polizei und der örtlichen Bevölkerung geliefert.
Sie zündeten dutzende Autos und plünderten Geschäfte, auch eine
Bushaltestelle stand in Flammen. Die in Hongkong erscheinende Zeitung South
China Morning Post (SCMP) berichtet von mindestens 30 Schwerverletzten,
Augenzeugen von mindestens 100 Festnahmen. Ob es auch Tote gab, konnte
bislang nicht bestätigt werden. Die offizielle chinesische Seite bestätigte
lediglich, dass es Proteste gegeben hat. Über den genauen Verlauf gibt sie
keine Auskunft.
Den Unruhen vorausgegangen war der SCMP zufolge ein Streit unter
Jugendlichen. Ein 13-jähriger Junge einer zugezogenen Wanderarbeiterfamilie
aus der zentralchinesischen Stadt Chongqing habe sich am frühen Abend mit
einem einheimischen Mittelschüler geprügelt. Polizisten hätten den
13-Jährigen daraufhin gefesselt und zusammengeschlagen.
Zunächst seien nur die Familienangehörigen des 13-Jährigen sehr aufgewühlt
gewesen, gegen 22 Uhr waren bereits über 300 auf der Straße, gegen
Mitternacht über 1.000. Auch am Dienstagmorgen hatte die Polizei die
Situation noch nicht unter Kontrolle. Mehreren Medienberichten zufolge
musste sie Verstärkung aus den Nachbarstädten rufen. Angeblich kamen auch
Einheiten der Nationalen Volksarmee zum Einsatz.
## Von Lokalbehörden diskriminiert
Über zwei Jahrzehnte hinweg hat ein Millionenheer an Wanderarbeitern aus
den armen chinesischen Inlandsprovinzen ganz maßgeblich zum
wirtschaftlichen Aufstieg Chinas und ganz besonders der Küstenprovinz
Guangdong beigetragen. Obwohl vielen von ihnen die Flucht aus der Armut
gelungen ist – ein Großteil von ihnen profitiert auch weiterhin nicht von
Chinas Aufschwung.
Viele der zugewanderten Arbeiterinnen und Arbeiter fühlen sich zudem von
den Lokalbehörden diskriminiert, weil sie nicht über die gleichen sozialen
Rechte und Leistungen verfügen wie die Lokalbevölkerung. Und obwohl die
Behörden den gesetzlichen Mindestlohn in den vergangenen zwei Jahren
deutlich angehoben haben, beklagen viele der Wanderarbeiter weiter zu
niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen – auch wegen der stark
angestiegenen Verbraucherpreise.
In der Region kommt es denn auch nicht zum ersten Mal zu schweren
Arbeiteraufständen. Im vergangenen Jahr hatten wütende Wanderarbeiter nicht
weit von Zhongshan in der Stadt Zencheng ein Büro der Provinzregierung
angezündet und ebenfalls nächtelang randaliert. In den Nachbarstädten
entlang des Perlflussdeltas und in Guangzhou kommt es ebenfalls immer
wieder zu zum Teil heftigen gewalttätigen Auseinandersetzungen. Und bei
weitem nicht nur dort: Auch in den Inlandsprovinzen erheben sich immer
häufiger die Arbeiter.
Selbst die regierungstreue Akademie der Sozialwissenschaften (CASS) in
Peking geht davon aus, dass die Zahl der sozialen Proteste in der gesamten
Volksrepublik von knapp 90.000 im Jahr 2005 auf zuletzt rund 130.000 im
Jahr zugenommen hat.
27 Jun 2012
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
Niederlande
Schwerpunkt Überwachung
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