Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nummerierte Polizisten: Jeder nur eine Nummer
> Ausdruck von Misstrauen oder Vorstoß für mehr Transparenz?
> Schleswig-Holsteins Polizisten sollen im Einsatz identifizierbar sein,
> sagt die neue Kieler Landesregierung. Und sucht, Ängste zu zerstreuen
Bild: Nein, der Name solls gar nicht werden: Über Nummern zur Polizisten-Kennz…
EUTIN taz | Der Minister schießt scharf. Hoch aufgerichtet steht er da, die
Hände um die Waffe gelegt, zielt, feuert. Es knallt laut im Schießstand der
schleswig-holsteinischen Landespolizei in Eutin, und als er die
Ohrenschützer abnimmt und die Waffe weglegt, macht Andreas Breitner einen
zufriedenen Eindruck: So viel hat er nicht verlernt. Denn der
SPD-Innenminister, der vor seiner Berufung in Torsten Albigs Kabinett als
Bürgermeister im Rendsburger Rathaus arbeitete, ist selbst Polizist.
Während seiner Ausbildung absolvierte er in dieser Übungshalle der
Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung in der Kleinstadt Eutin viele
Trainingseinheiten. Er kennt den Job also – und weiß, dass er seinen
Antrittsbesuch mit einem Thema verbindet, dass bei vielen ehemaligen
Kollegen auf wenig Gegenliebe stößt. Es geht um die Kennzeichnung von
Beamten im Einsatz, etwa bei Demonstrationen. Eine Forderung, die in
verschiedenen Bundesländern seit Jahren diskutiert wird. Die neue Kieler
Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu bekannt. Die
individuelle Nummer werde kommen, bestätigt Breitner nun in Eutin. Die
Details würden gemeinsam mit der Polizei erarbeitet.
Widerstand kommt von der Gewerkschaft der Polizei (GDP): Deren
Landesvorsitzender Oliver Malchow lehnt die Kennzeichnungspflicht strikt
ab. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sprach er von einem „Zeichen von
Misstrauen“ gegenüber den Uniformierten. Zudem trage die individuelle
Nummer nicht zur Deeskalation in Konfliktsituationen bei, gefährde aber
„die Sicherheit von Polizisten und deren Familien“, so Malchow. „Es gibt
immer mehr Gewalt gegen Polizeibeamte. Da mutet es seltsam an, den Spieß
umzudrehen und die Beamten unter Generalverdacht zu stellen.“
Breitner hält dagegen. „Wir haben eine motivierte, gut ausgebildete
Polizei, die sich auf dem Boden des Gesetzes bewegt. Es herrscht im
Kabinett kein Misstrauen.“ Dennoch sei die Einzel-Nummer ein wichtiges
Signal: „Wenn wir wissen, dass wir nichts zu verbergen haben, können wir
offen damit umgehen.“ Gerade weil es keine Fälle von polizeilichem
Fehlverhalten gegeben habe, „schadet die Kennzeichnung nicht, führt aber
für den Bürger zu mehr Transparenz“.
Schon heute tragen Polizisten bei Großeinsätzen so genannte taktische
Nummern auf dem Rücken. Sie bestehen aus vier Ziffern, die die Gruppe
festlegen, die kleinste Einsatz-Einheit: „Das sind sechs Leute“, sagt
Breitner. Ergänzt um eine weitere Zahl wäre die individuelle Nummer also
fertig. So einfach wird es aber vermutlich nicht, die Details sollen
besprochen werden. „Ich komme nicht mit Lösungen für Probleme, die ich noch
gar nicht kenne“, sagt der Innenminister.
Die Probleme hatten ihm am Vormittag PolizistInnen geschildert – offen und
ohne Hemmschwelle, wie Breitner und der Leiter der Eutiner
Ausbildungsdirektion, Jürgen Funke, übereinstimmend sagen. Ganz oben steht
die Sorge, dass sich über die Nummer Name und private Adresse herausfinden
ließen. Eine weitere Gefahr seien ungerechtfertigte Anzeigen. Das Thema
schlage „emotionale Wellen“, sagt Funke: „Die Belastung im Einsatz ist
hoch, man wird oft mit Gewalt konfrontiert. Vor dem Hintergrund fällt es
schwer, einen Grund für die Nummer zu finden.“
Auch die Opposition kritisiert die Pläne. Petra Nicolaisen (CDU) beklagt
das „ungerechtfertigte Misstrauen“ gegenüber der Polizei, Wolfgang Kubicki
(FDP) spricht von einem „kruden grünen Rechtsstaatsverständnis“. In der
vergangenen Legislaturperiode in Schleswig-Holstein hatte sich vor allem
der Grünen-Abgeordnete Torsten Fürter für die individuelle Kennzeichnung
eingesetzt – unterstützt von der Linksfraktion. Breitner beteuert, dass er
„mit Überzeugung“ hinter der Forderung stehe. „Ich habe Verständnis fü…
Ängste, aber niemand muss sich vor Transparenz fürchten.“
27 Jun 2012
## AUTOREN
Esther Geisslinger
## TAGS
Kennzeichnungspflicht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kennzeichnungspflicht: Polizei sträubt sich gegen Transparenz
Rot-Grün will in Niedersachsen eine Beschwerdestelle für Konflikte mit der
Polizei im Januar einführen. Gewerkschaft lehnt eine Kennzeichnungspflicht
ab.
Kommentar: Polizei-Kennzeichnungspflicht: Überfälliges Instrument
Der Vorstoß der Kieler Koalition, Polizisten zu kennzeichnen, ist zu
begrüßen. Dass der Hamburger Senat einen solchen Schritt nicht gehen mag,
ist bezeichnend.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.