# taz.de -- Entscheidung des Obersten US-Gerichts: Obamas Gesundheitsreform bes… | |
> Wichtiger Sieg für Obama vier Monate vor der Wahl: Die Gesundheitsreform | |
> ist verfassungskonform. Millionen Amerikaner erhalten eine | |
> Krankenversicherung. | |
Bild: Yes, I can! Nun dürfen auch arme US-Bürger bald wieder zu Ärzten gehen… | |
WASHINGTON taz | Vorläufiges Ende einer Zitterpartie: Das Oberste Gericht | |
in Washington hat am Donnerstag die Gesundheitsreform aufrechterhalten. | |
Eine Mehrheit von fünf zu vier RichterInnen befand, dass der Kongress die | |
US-BürgerInnen dazu verpflichten darf, entweder eine Krankenversicherung | |
abzuschließen oder - alternativ - eine Strafe zu zahlen. | |
Das Gericht vergleicht diese Strafe mit einer Art „Steuer“ und diese | |
wiederum erlaubt die Verfassung. Rund 32 Millionen bislang unversicherte | |
Menschen in den USA können damit hoffen, im Jahr 2014 eine | |
Krankenversicherung zu bekommen. | |
Die Entscheidung vier Monate vor den Präsidentschaftswahlen ist eine gute | |
Nachricht für Obama, der aus der Gesundheitsreform das Kernstück seiner | |
Innenpolitik gemacht hat. Paradoxerweise ist sie zugleich ein | |
Wahlkampfargument für seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney, | |
der versprochen hat, „Obamacare“ im Falle seiner Wahl abzuschaffen. | |
Ähnliches kündigte der republikanische Chef des Repräsentantenhauses, John | |
Boehner, an. | |
Die Gesundheitsreform, die offiziell „Kostengünstige Gesundheitsversorgung“ | |
(Affordable Health Care - ACA) heißt, soll die eklatanten und seit | |
Jahrzehnten bekannten Missstände im Gesundheitswesen der USA ausgleichen. | |
In dem reichsten Land der Erde haben vor Inkrafttreten der zentralen Teile | |
der Reform rund 50 Millionen Menschen überhaupt keine Krankenversicherung. | |
## Kein Job, keine Versicherung | |
In den Krisenjahren seit 2008 ist die Zahl der Nichtversicherten und der | |
Unterversicherten noch weiter gestiegen. Ein Grund dafür ist die hohe | |
Arbeitslosigkeit: Wer in den USA seinen Job verliert, geht in der Regel | |
auch seiner Krankenversicherung verlustig. Ein anderer Grund sind | |
Lohnsenkungen: In zahlreichen Fällen haben Unternehmen die Krise genutzt, | |
um die kompletten Kosten für die Krankenversicherung auf ihre Beschäftigten | |
abzuwälzen. Angesichts niedriger Löhne und hoher Versicherungsbeiträge | |
führt das vielfach dazu, dass die Beschäftigten die Versicherung kündigen. | |
Gleichzeitig ist die Kostenexplosion im US-Gesundheitswesen weiter | |
fortgeschritten. Die Medizinkosten in den USA sind die teuersten der Welt. | |
Sie liegen doppelt so hoch, wie in den meisten europäischen Ländern. Dafür | |
sorgt einerseits, dass das Gesundheitssystem fast komplett privat | |
aufgestellt und auf Profit ausgerichtet ist. Andererseits trägt die große | |
Zahl von Nicht- und Unterversicherten zu der Kostenexplosion bei. | |
Rund 32 Millionen bislang Nichtversicherte sollen jetzt einen Zugang zur | |
Versicherung bekommen. Barack Obama begründet das einerseits mit dem Recht | |
auf medizinische Betreuung. Andererseits damit, dass dadurch die Kosten für | |
die anderen Versicherten gesenkt werden könnten. | |
## Extreme Form von „Sozialismus“ | |
Die Republikanische Partei - und allen voran ihr rechter Flügel, die „Tea | |
Party“ - machte aus ihrer Opposition gegen das Gesetz eine | |
Propagandaschlacht. Dabei schreckte sie nicht vor der Behauptung zurück, | |
Präsident Obama wolle „Tötungskomitees“ einrichten, die über Leben und T… | |
von PatientInnen entscheiden sollten. Sie suggerierten, die | |
Gesundheitsreform sei eine extreme Form von „Sozialismus“. | |
Ganz nebenbei hat die Republikanische Partei in der Kampagne ihre eigene | |
frühere Position um 180 Grad gedreht. In den 90er Jahren, als der | |
demokratische Präsident Bill Clinton mit dem Versuch einer | |
Gesundheitsreform scheiterte, schlug die Republikanische Partei noch eine | |
Versicherungspflicht vor. | |
Heute nennt sie dergleichen einen unzulässigen Eingriff in das Privatleben | |
und „Freiheitsberaubung“. Ihr Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hat als | |
Gouverneur von Massachusetts in den 80er Jahren eine Gesundheitsreform auf | |
Bundesstaatsebene durchgeführt - inklusive Versicherungspflicht oder als | |
Alternative eine Strafzahlung - die rückblickend wie ein Vorbild für Obamas | |
Reform aussieht. Doch im gegenwärtigen Wahlkampf verspricht Romney jetzt, | |
dass er Obamas Reform an seinem ersten Amtstag abschaffen werde. | |
28 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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