# taz.de -- Künstlerisches Wahrzeichen Warschaus: Die Palme am Königsweg | |
> Die Stadtführer Warschaus zählen die Palmenskulptur am Rondo de Gaulle zu | |
> den eindrucksvollsten Wahrzeichen der Stadt. Nach der EM droht sie zu | |
> verschwinden. | |
Bild: Die Warschauer Palme erinnert an das „Neue Jerusalem“, die historisch… | |
WARSCHAU taz | Die wie gerupft aussehende Palme am Rondo de Gaulle werden | |
alle Fußballfans in Erinnerung behalten, die zur EM nach Warschau fahren. | |
Denn die Kunst-Palme steht auf der Jerusalemer Allee, die über die | |
Poniatowski-Brücke zum Nationalstadion Polens führt. Dort müssen fast alle | |
vorbei, die zum Stadion wollen. | |
Doch auch wer Polens Hauptstadt ein wenig erkunden will und den Königsweg | |
entlangschlendert, wird die Plastikpalme und den mannshohen Fußball neben | |
ihr schon von weitem sehen. Die meisten Stadtführer zählen die Palme, die | |
an das „Neue Jerusalem“, die historische Siedlung polnischer Juden vor den | |
Toren Warschaus erinnert, zu den eindrucksvollsten Wahrzeichen der Stadt. | |
Im eigens zur Fußball-EM vom Verlag Gruner + Jahr Polska herausgegebenen | |
„Praktischen Führer für Fans“ wird die künstliche Palme allerdings | |
lediglich „als interessante Kunstinitiative“ vorgestellt, die noch dazu von | |
vielen als „unpassendes Element ausgelacht“ werde. Im offiziellen „EM-City | |
Guide“ der Stadt Warschau kommt die Palme gar nicht vor. | |
## Stalin, Chopin und Syrena | |
Dafür werden dem Palast der Kultur und Wissenschaften, einem Geschenk | |
Stalins an das Brudervolk, viel Platz eingeräumt, einem grüngesichtigen | |
Frederic Chopin und der Flussjungfrau Syrena in weißrotem Fußballhemd. | |
Fans, die nicht nur Bier trinken, Spiele schauen und Partys feiern wollen, | |
sondern auch Entdeckerlust mitbringen, sollten sich einen dickeren | |
„normalen“ Stadtführer gönnen. Oder – das ist noch besser – sich Wars… | |
von versierten Stadtführern zeigen lassen. | |
„Die Künstlerin Joanna Rajkowska höchstpersönlich hat ihr Kunstwerk | |
verunstaltet“, erzählt Ewa Kotecka fünf Wissbegierigen. Am Baumstamm hängt | |
seit einigen Tagen das Banner: „Bread. Not Games“. In einem Interview habe | |
Rajkowska klar gemacht, dass sie mit dem Rupfen der Palm-Blätter gegen den | |
sozialen Kahlschlag protestieren wolle, der insbesondere junge Familien und | |
ihre Kinder treffe. | |
„Andererseits finden sich Milliarden, um in ganz Polen riesige | |
Fußball-Stadien und Fanmeilen zu bauen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit?“ | |
Die Stadt habe die Palme, die nun schon mehrere Jahre auf dem Rondo | |
de-Gaulle stehe, noch immer nicht gekauft, beteilige sich auch nicht an der | |
Instandhaltung. | |
## Krankes Künstlerkind | |
„Rajkowska wohnt nicht mehr in Warschau“, erläutert Stadtführerin Ewa. | |
„Wenn die Stadt die Palme jetzt nicht endlich kauft, die immerhin an ein | |
Kapitel jüdischer Geschichte Warschaus erinnert, wird sie wohl in den | |
nächsten Wochen oder Monaten auf immer verschwinden.“ | |
Damit werde Warschau um ein originelles und sympathisches Wahrzeichen | |
ärmer. Und ob Rajkowska je zurückkehre, sei auch nicht sicher. Denn Geld | |
für die Behandlung des kranken Kindes der Künstlerin habe der polnische | |
Staat nicht. | |
28 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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