# taz.de -- Kommentar Weltkulturerbe: Moralische Rückendeckung | |
> Die Geburtskirche in Bethlehem ist nun Weltkulturerbe. Das Unesco-Komitee | |
> verhilft den Palästinensern mit der Abstimmung zu internationaler | |
> Anerkennung. | |
Bild: Karl Marx ganz in rot: Zwei Schriften von ihm gehören jetzt zum „Gedä… | |
BETHLEHEM taz | Wer sich die Liste der Stätten ansieht, die als | |
Weltkulturerbe aufgezeichnet sind, muss den Gedanken, die Geburtskirche in | |
Bethlehem nicht dazuzuschreiben, als absurd zurückweisen. Natürlich gehört | |
die Kirche aus religiösen, kulturellen und historischen Gründen dazu. | |
Fast noch absurder ist die Idee, Israel hätte den Antrag bei der Unesco | |
einreichen sollen. Die Geburtskirche liegt auf palästinensischem Land. | |
Israel als Co-Antragsteller zum Teilhaber am kulturellen palästinensischen | |
Erbe zu machen, käme einer Absegnung der Besatzung gleich. Nicht der | |
PLO-Antrag bei der Unesco und ihre Entscheidung für eine Anerkennung | |
gefährden den Friedensprozess, sondern die Besatzungspolitik und die | |
Ausbreitung der Siedler im Westjordanland. | |
Für die Menschen in Bethlehem, in den Dörfern bei Nablus, Ramallah oder | |
Hebron ändert sich durch den ehrenvollen neuen Status der Geburtskirche | |
unmittelbar nichts. Trotzdem gibt das Weltkulturerbe-Komitee den | |
Palästinensern mit der Abstimmung moralische Rückendeckung. Schritt für | |
Schritt erkämpfen sie sich internationale Anerkennung. | |
Der politische Erfolg, den die PLO diese Woche verbuchen konnte, legt den | |
Grundstein für kommende Anträge. Die Mitglieder des Weltkulturerbe-Komitees | |
werden gezwungen sein, noch deutlicher Farbe zu bekennen, für oder wider | |
den Staat Palästina. Die Altstadt Jerusalems steht als nächstes auf der | |
palästinensischen Liste. Früher oder später wird auch das Grab des | |
Stammvaters Abraham oder Ibrahim in Hebron zur Debatte kommen, das Muslimen | |
wie Juden gleichermaßen heilig ist. | |
Der neue Weg der Palästinenser ist legitim und klug. Sie entfernen sich von | |
dem Image des Terroristen und gehen auf Abstand zu dem früheren PLO-Chef | |
Jassir Arafat, der dem bewaffneten Kampf gegen die Besatzung nie wirklich | |
abgesagt hat. Der neue Palästinenser ist Diplomat. Er weiß, die auf | |
internationalen Bühnen herrschenden Regeln für seine politischen Zwecke zu | |
nutzen. Nun sollte sich umgekehrt die westliche Welt an die eigenen Regeln | |
halten und den Palästinensern unvoreingenommen faire Chancen zugestehen. | |
30 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## TAGS | |
Unesco | |
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