# taz.de -- ARD-Interview mit Assad: Shakespeare statt kritischer Nachfragen | |
> Der Autor und Nahostspezialist Jürgen Todenhöfer hat ein Interview mit | |
> Syriens Präsident Assad geführt. Für die ARD. Natürlich hagelte es danach | |
> Kritik. | |
Bild: Einer spricht. Einer legt die Hände in den Schoß. Assad (r.) und Todenh… | |
„Besser wegschauen und stillhalten – darf uns Syrien so egal sein?“, frag… | |
gestern Abend in der ARD Frank Plasberg bei „Hart, aber fair“. Und weil der | |
ARD Syrien eben alles andere als egal ist, war bereits am Sonntag der | |
„Weltspiegel“ aus seiner sonst üblichen Rolle gefallen und hatte | |
ausgerechnet Jürgen Todenhöfer ein Interview mit dem syrischen Präsidenten | |
Baschar al-Assad führen lassen, an dem sich nun die Geister scheiden. | |
Rund 19 Minuten stellte der Ex- CDU-Abgeordnete und heutige Nahostexperte | |
dem Machthaber in Damaskus seine Fragen. Auch „die unangenehmsten“ habe | |
Assad „betont freundlich“ beantwortet, schreibt Todenhöfer dazu in Bild. | |
Was man relativieren muss: Todenhöfer darf nicht nachfragen, auf noch so | |
abwegige Antworten im auf Englisch geführten Gespräch nicht eingehen: „To | |
leave or not to leave – this is about the Syrian people“, versucht sich | |
Assad als Ersatz-Shakespeare auf Todenhöfers Frage, ob er nicht eigentlich | |
abtreten müsse. Auch die Kameras stellt das syrische Staatsfernsehen, der | |
Präsident blieb für die ARD tabu. | |
Weil dies abzusehen war, hatte der Senderverbund, genauer gesagt: der für | |
diesen „Weltspiegel“ verantwortliche Südwestrundfunk (SWR), dem Interview | |
eine Exegese verordnet. In fast gleicher Länge ordneten der sonst in Kairo | |
sitzende ARD-Korrespondent Jörg Armbruster und Spiegel-Nahostexperte | |
Bernhard Zand ein. Und widersprachen heftig: Assads von Todenhöfer in Bild | |
als „differenzierter als sonst“ bezeichneten Antworten seien „ein dreistes | |
Beispiel für Realitätsverweigerung“, sagte Zand, und gingen noch über | |
„Gaddafi oder Mahmud Ahmadinedschad hinaus“. Und Armbruster meinte, „es | |
muss ein Stück Zynismus sein“, dass man den syrischen Diktator so | |
daherreden lasse. | |
Zusammen mit auf den Punkt gebrachten Einspielen lieferten die beiden so | |
die Dekonstruktion des Assad-Todenhöfer-Gesprächs. Wobei auch einseitige | |
Parteinahme für die Rebellen unterblieb: Natürlich seien, wie von Assad | |
behauptet, auch Kriminelle darunter, sagte Armbruster – allerdings stellten | |
sie keinesfalls die Mehrheit. Dazu passt die Meldung britischer Medien, | |
dass Channel-4-Korrespondent Alex Thomson von Mitgliedern der Free Syrian | |
Army mit seinem Team absichtlich ins Feuer der Regierungstruppen geschickt | |
worden sein soll. Wären die Journalisten getötet worden, hätte man dies | |
Assad in die Schuhe schieben können, so Thomson auf blogs.channel4.com. | |
## Propagandabühne? | |
Todenhöfer wie die ARD machten klar, dass ihnen die Problematik des | |
Interviews bewusst war: „Man wird mir vorwerfen, Assad eine Propagandabühne | |
geboten zu haben“, so Todenhöfer in Bild. Im „Weltspiegel“ formulierte | |
Moderatorin Ute Brucker, es sei „unrealistisch zu glauben“, Assad „in die | |
Enge zu treiben oder Geständnisse zu entlocken“. Trotzdem sei das Gespräch | |
„interessant, weil wir uns ein besseres Bild von dem Menschen und seiner | |
Persönlichkeit erhoffen“. Der SWR ist daher mit der Sendung zufrieden: Da | |
es für Journalisten derzeit keine Möglichkeiten gebe, ein ähnliches | |
Gespräch mit Assad zu führen, sei man auf Todenhöfers Angebot eingegangen, | |
sagte SWR-Sprecher Wolfgang Utz der taz: „Die Alternative wäre gewesen, | |
dass wir gar nichts haben.“ Das Gespräch wurde am Donnerstag im Gästehaus | |
der syrischen Regierung aufgezeichnet. Zwar waren ARD-Kameras tabu, doch | |
ein SWR-Mitarbeiter habe während der Aufzeichnung vor Ort im Regieraum | |
gesessen, um zu bewerten, ob Passagen des Gesprächs weggelassen, wiederholt | |
oder verändert worden wären, so Utz: „Da das nicht der Fall war, hat man | |
sich für diese Form – erst Interview, dann Einordnung – entschieden.“ | |
Was nicht eingeordnet wurde, war die Person Todenhöfers. Dies sei auch der | |
„Kürze“ des „Weltspiegels“ mit knapp 37 Minuten Sendezeit geschuldet, … | |
der SWR. Eine Kontroverse zwischen den Chefredakteuren der ARD-Anstalten | |
habe es weder über das Assad-Gespräch an sich noch wegen der Personalie | |
Todenhöfer gegeben. | |
Vielleicht fand die am Montag lange nach Redaktionsschluss dieser Seite | |
statt: Bei „Hart, aber fair“ diskutierten neben Grünen-Chefin Claudia Roth | |
und dem Exilsyrer Ferhad Ahma auch Armbruster und Todenhöfer. | |
9 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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