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# taz.de -- Schleswig-Holstein gegen Glücksspiel: Poker um das Zocker-Recht
> Die neue Kieler Landesregierung will dem Staatsvertrag der 15 anderen
> Länder schnell beitreten. Bis dahin vergibt das Land neue Lizenzen für
> Wett- und Lotteriefirmen.
Bild: Hat es sich in Schleswig-Holstein ausgezockt? Wenn es nach der neuen Regi…
KIEL taz | Ein „Land, das Realwirtschaft gegen Wetten tauscht“ – das kön…
nicht das Ziel Schleswig-Holsteins sein, meint Ralf Stegner,
SPD-Fraktionschef im Kieler Landtag. Und so zeigte er sich „finster
entschlossen“, den Sonderweg des Landes eilig zu beenden. Nach den
Parlamentsferien, spätestens im September, will die Kieler Regierung aus
SPD, Grünen und der Minderheitenpartei SSW das landeseigene
Glücksspielgesetz aufheben, das die schwarz-gelbe Vorgängerregierung
erlassen hatte.
Dann könnte Schleswig-Holstein sich dem Glücksspielstaatsvertrag der
anderen Bundesländer anschließen. Das wichtigste Argument ist die
Suchtgefahr: Die Zahl der Therapien habe sich sei 2005 verdreifacht, so der
Bremer Suchtforscher Gerhard Meyer, der sich für ein staatliches
Glücksspielmonopol ausspricht. Doch noch erteilt das Kieler
Innenministerium weiter Lizenzen für private Anbieter. Und die Firmen
drohen schon vorsorglich mit Klagen.
„Eine Aufhebung des Gesetzes bis September sehe ich nicht“, sagt der
Münchner Fachanwalt Wulf Hambach, der zahlreiche Glücksspielanbieter
vertritt. Er hält auch den neuen Staatsvertrag für europarechtlich
bedenklich. Das Papier, dem nach schwierigen Verhandlungen alle Länder bis
auf Schleswig-Holstein zugestimmt hatten, erhält das staatliche Monopol für
Glücksspiel, Wetten und Lotterien. Bundesweit 20 Lizenzen sollen an private
Wettanbieter vergeben werden. „Und die 21. Firma wird sich einklagen“,
prophezeit Hambach. Rückhalt erhält der Lobby-Vertreter durch ein Gutachten
der Monopolkommission der Bundesregierung: Es kritisiert die Beschränkung
der Konzessionen, die das Sucht-Problem nicht löse. Zudem sieht das
Gutachten „die Gefahr, dass die Graumärkte gestärkt“ werden.
In Schleswig-Holstein wurden nach dem Landesgesetz seit März sieben
Lizenzen vergeben, weitere 26 Anträge für Sportwetten und 19 Anträge für
Online-Casinospiele werden zurzeit im Innenministerium geprüft. Der neue
Ressortchef Andreas Breitner (SPD) erklärte, er werde nach dem Recht
verfahren und Firmen zulassen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. Ralf
Stegner warf Breitners Vorgänger, Klaus Schlie (CDU), vor, die Verfahren
„mit größtmöglicher Eile“ durchgezogen zu haben. Die Branche sieht das
anders: „Bis zum Erdkern gebohrt“ hätten die Ministeriums-Fachleute. Bisher
erhielten nur Sportwetten-Anbieter Lizenzen – also Firmen, deren
Geschäftsmodell nicht gegen den neuen Staatsvertrag verstößt.
Außen vor bleibt weiterhin das Glücksspiel im Internet, das auch der neue
Staatsvertrag nicht regelt. Um sich ein legales Standbein in Deutschland zu
verschaffen, hoffen Firmen wie Pokerstars.de nun auf die Lizenz des Kieler
Ministeriums. Dessen Sprecher erklärt, die Prüfverfahren dafür seien
„deutlich umfangreicher“ als bei Sportwetten. Wenn die Genehmigungen
erteilt sind, gelten sie für sechs Jahre. Wenn möglich, sollten sie früher
auslaufen, sagte Stegner. „Aber dass wir Schadensersatz zahlen müssen, kann
nicht im Interesse des Landes sein.“
Unattraktiver geworden sind Sportwetten bereits. Dafür sorgt ein neues
Renn-Wett-Lotterie-Gesetz, das die Steuer für alle Sport und Pferdewetten
auf fünf Prozent des Umsatzes festsetzt. In Schleswig-Holstein ist der Satz
deutlich geringer, da der Gewinn der Firmen besteuert wird. Da Bundesrecht
vorgeht, würde Schleswig-Holsteins Gesetz nun ins Leere laufen, sagt
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) und begrüßt das, auch wenn das
Land, zumindest nach Meinung der Opposition, Millionen verliert. Die Summe
bezweifelt Heinold, vor allem aber gehe es um ein Signal: „Schwarz-Gelb
wollte das Solidarsystem des Länderfinanzausgleichs umgehen.“
9 Jul 2012
## AUTOREN
Esther Geisslinger
## TAGS
Sportwetten
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