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# taz.de -- LIBERALISIERUNG: Ein Herz für Zocker
> Alleingang in Kiel: Gesetzentwurf der Landesregierung zum Glücksspiel
> passiert den Landtag. Nun hofft Schleswig-Holstein auf die Ansiedlung
> privater Wettanbieter. Die können ab März 2012 Lizenzen beantragen.
Bild: Bekommt Konkurrenz: Neben den klassischen Annahmestellen dürfen künftig…
KIEL taz | Am Ende reichte die Ein-Stimmen-Mehrheit der schwarz-gelben
Regierung: Das Glücksspielgesetz, das die Fraktionen von CDU und FDP
vorgelegt hatten, ist am Mittwoch in einer namentlichen Abstimmung vom
Kieler Landtag verabschiedet worden. Es erlaubt privaten Wett- und
Internetspiel-Anbietern, sich in Schleswig-Holstein anzusiedeln - einmalig
in Deutschland, wo derlei Online-Spiele bislang illegal sind. Auch mehr
Werbung für Lotto, Poker und Roulette soll im nördlichsten Bundesland
möglich sein.
Der Kieler Alleingang kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die übrigen Länder
um einen gemeinsamen Glücksspielstaatsvertrag ringen. "Wir schreiben hier
Geschichte", erklärte der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki in der
Landtagsdebatte. "Wir haben das Internet als Markt anerkannt", lobte
Hans-Jörn Arp (CDU), langjähriger Verfechter des Gesetzes.
Auch für das klassische Lotto bedeute der neue Weg eine Chance. CDU und FDP
versprechen sich von dem Gesetz einerseits, den heutigen Grau- und
Schwarzmarkt erfassen und regeln zu können, andererseits hoffen sie auf
Geld für die Landeskasse, Proficlubs und Breitensport, wenn sich Wett- und
Spielfirmen ansiedeln.
Sich darauf zu verlassen, sei gesellschaftspolitischer Wahnsinn, sagte der
SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner: "Wer glaubt, dass er den
Landeshaushalt mit Glücksspiel sanieren kann, handelt genau wie der arme
Schlucker, der sein Geld im Casino setzt." Wie die SPD lehnen auch SSW und
Linke die Lockerungen grundsätzlich ab - unter Hinweis darauf, dass die
Zahl der Spielsüchtigen wächst.
Die Grünen vertreten eine differenziertere Position. In den Zeiten des
Internets führe "aus grüner Sicht kein Weg an einer Liberalisierung
vorbei", erklärte die finanzpolitische Sprecherin Monika Heinold. Aber der
dürfe eben nicht im Alleingang geschehen. In den laufenden Verhandlungen
zum Staatsvertrag sei das Vorgehen der Landesregierung "ein gnadenloser
Erpressungsversuch". Zudem, so Heinold, gehe das Gesetz gerade im Bereich
Sportwetten auf "Kuschelkurs mit den Lobbyisten".
Um letzte Details des Gesetzes hatten die Fraktionen noch bis zum Morgen
gestritten. Nicht nur die Opposition, auch Mitglieder der CDU-Fraktion
hatten Bedenken gehabt und in letzter Minute Änderungen eingebaut. Fast
schade, sagte SPD-Grande Stegner zur taz: "Dadurch, auch durch die Mithilfe
der Grünen, wird es schwerer, verfassungsrechtlich dagegen vorzugehen."
Die SPD hat angekündigt, das Gesetz zu kippen, wenn es nach der
Landtagswahl im Mai dafür neue Mehrheiten gibt. Das Problem: Bereits ab
März können private Anbieter Lizenzen beantragen, die dann mehrere Jahre
gültig sind. Die Interessenten lobten am Mittwoch die schwarz-gelben
Parlamentarier für die "wichtigen, wegweisende Schritte", so Jörg Wacker
von bwin. Er wie auch seine Kollegen von den Wettfirmen Jaxx und betfair
kündigten an, Lizenzen beantragen zu wollen.
Erwin Horak, Federführer des Deutschen Lotto- und Totoblocks und Kritiker
des schwarz-gelben Gesetzes, erklärte: "Die Kieler Landesregierung öffnet
der kommerziellen Glücksspielindustrie Tür und Tor nach Deutschland." Er
sah die Gefahr, dass Spieleanbieter mit einer Lizenz im Norden in ganz
Deutschland aktiv werden, ohne dass andere Länder eingreifen könnten oder
finanzielle Vorteile hätten.
Im Vorfeld hatte es sogar geheißen, der Lotto-Block erwäge den Ausschluss
Schleswig-Holsteins - FDP-Mann Kubicki zufolge rechtlich aber gar nicht
möglich. Christdemokrat Arp sagte knapp: "Herr Horak ist ein Mitarbeiter
der Länder, von dem sich Ministerpräsidenten nicht erpressen lassen." Er
selbst habe gar nichts von dem Gesetz, so Arp: "Ich biete kein Glücksspiel
an." Und Kubicki spiele nicht einmal Lotto.
14 Sep 2011
## AUTOREN
Esther Geisslinger
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