Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Romafeindliches Cover der „Weltwoche“: Juristisch in Ordnung, m…
> Das Verfahren gegen die Schweizer „Weltwoche“ wegen eines romafeindlichen
> Titelblatts wird eingestellt. Mit kruder Begründung. Aber ist schon okay.
Bild: Journalistischer Scharfmacher: „Weltwoche“-Chefredakteur Roger Köppe…
Dass moralisch verkommenes Verhalten nicht immer gleich juristisch verboten
ist, ist für die moralisch Verkommenen seit jeher Quelle ihrer
aufgeblasenen Angeberei: Seht her, was wir tun, ist erlaubt, also ist es
auch richtig. So feiert man jetzt auch in der Züricher Weltwoche-Redaktion.
Das rechtspopulistische Schweizer Wochenblatt wurde gerade gerichtlich
entlastet: Die Anzeigen wegen eines Roma-Titelblattes, das im Frühjahr für
einen Skandal sorgte, wurden jetzt von der Staatsanwaltschaft
zurückgewiesen.
Zur Erinnerung: Das Cover zeigte einen Roma-Jungen, der eine
(Spielzeug?)-Pistole Richtung Kamera hält, unterschrieben mit reißerischem
Titel und Untertitel: „Die Roma kommen: Raubzüge in der Schweiz.
Familienbetriebe des Verbrechens“. Das Foto wurde am Rande eines Slums im
Kosovo aufgenommen, hatte also mit der Schweiz überhaupt nichts zu tun.
In mehreren deutschsprachigen Ländern setzte es daraufhin Anzeigen, etwa
wegen „Verhetzung“ oder „Rassismus“. Das Schweizer Verfahren wurde
eingestellt, die zuständige Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte im
Radio: „Das Titelbild zusammen mit dem Inhalt des Artikels setzt die Roma
nicht als Volk herab.“
Zu solch einer Einschätzung muss man erst einmal kommen. Wenn das
tatsächlich die Begründung für die Verfahrenseinstellung ist, dann tut sich
die Staatsanwaltschaft damit selbst keinen großen Gefallen. Vor allem weil
sie in ihrem Wunsch, Argumente gegen eine Strafwürdigkeit an den Haaren
herbeizuziehen, verdammt weit ins Reich der Unlogik vordringt.
## Titelbilder haben ein Eigenleben
Allein die Formulierung „zusammen mit dem Inhalt des Artikels“ lässt an der
Kompetenz der Strafverfolgungsbehörde zweifeln: Denn der Inhalt des
Artikels irgendwo hinten im Blattinneren tut ja überhaupt nichts zur Sache.
Titelbilder, die von Hunderttausenden Leuten gesehen werden, führen ein
eigenes Leben, und wenn sie vom Inhalt des Artikels, den bloß ein paar
hundert oder tausend Käufer lesen, konterkariert – oder „präzisiert“ –
werden, dann ist das zwar schön, aber irrelevant.
Und selbstverständlich schürt das Titelblatt Ressentiments gegen „die Roma
als Volk“, und nicht bloß gegen einzelne Romafamilien mit möglicherweise
krimineller Verwicklung. Das ist ja so offenkundig, dass man darüber gar
keine Worte verlieren muss.
Natürlich war die Einstellung des Verfahrens erwartbar, und sie ist auch
nicht schlimm. Die Weltwoche hat ein romafeindliches Cover gedruckt, das in
Sprache und Montage an den Stürmer erinnert. Das ist moralisch zu
verurteilen, muss deshalb aber nicht mit einer gerichtlichen Verurteilung
enden. Dass es sich bei dem Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel um einen
schlimmen Scharfmacher handelt, der eines knalligen Titelbildes wegen auf
wehrlosen Kindern rumtrampelt, weist ihn als ehrlosen Journalisten aus –
aber deswegen muss er auch nicht unbedingt in den Knast.
## Hohes Gut Meinungsfreiheit
Zumal gewiss bei der juristischen Beurteilung von journalistischen
Grenzgängen dieser Art mit gutem Grund ein hohes Maß an Zurückhaltung
angelegt wird. Denn einerseits ist in vielen Ländern rassistische
Verhetzung strafbar, andererseits soll das Recht auf Meinungsfreiheit
möglichst hohe Hürden gegen Verurteilungen aufziehen. Meinungen, und seien
sie auch noch so verdammenswürdig, sind zunächst einmal Meinungen und kein
Delikt. In diesem Sinn, aber nur in diesem Sinn, ist die Einstellung des
Verfahrens schon okay.
Wirklich grotesk wird es, wenn Chefredakteur Roger Köppel in hysterischem
Überschwang jetzt behauptet, das Titelblatt illustriere „journalistisch
präzise“ die Story. Ein Kind, das auf einer Müllkippe im Kosovo mit einer
Pistole spielt, illustriert präzise Betrugsaktionen (um die ging es nämlich
in der Story) von Roma in der Schweiz? Man muss schon ziemlich gaga sein,
um so etwas zu behaupten. Oder eben ein Rechtspopulist, der sich dadurch
auszeichnet, dass er völlig sinnfreies Zeug daherredet, das mit der
Wirklichkeit nichts zu tun hat.
Aber egal. Moralisch sind die Weltwoche-Leute ohnehin längst erledigt. Da
kann man sie ruhig juristisch davonkommen lassen.
10 Jul 2012
## AUTOREN
Robert Misik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Festliche Unterzeichnung: "Tiefsitzende Vorurteile"
In ganz Europa erstarkt der Antitsiganismus. Umso wichtiger, dass Bremen
eine Rahmenvereinbarung mit den Sinti und Roma schließt, sagt Romani Rose.
Verfahren gegen „Weltwoche“ eingestellt: Keine Strafe für Roma-Bashing
Die Schweizer Wochenzeitung „Weltwoche“ bleibt wegen ihres umstrittenen
Coverbilds eines Roma-Jungen straffrei. Es setze die Roma nicht als Volk
herab, sagte die Zürcher Staatsanwaltschaft.
Das Kind vom „Weltwoche“-Cover: Der Junge, der die Schweiz ausraubt
Auf dem Cover der Schweizer „Weltwoche“ zielte der kleine Mentor auf die
Eidgenossen. Ein Besuch bei seiner Familie im Romaghetto im Westen des
Kosovo.
Debatte „Zürcher Weltwoche“-Titel: Drecksjournalismus
Das Ressentiment gegen Roma nimmt die Form blankester „Aufstachelung zum
Rassenhass“ an. Ein Schweizer macht die Avantgarde.
Rassismus in der Schweizer „Weltwoche“: Weniger Leser? Mehr hetzen!
Die Schweizer „Weltwoche“ ist unter Chefredakteur Roger Köppel zum
Kampfblatt verkommen. Zum aktuellen Titel hagelt es Anzeigen wegen
Volksverhetzung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.