# taz.de -- Hebammenausbilder über Kostendebatte: „Das ist ein Luxus obendra… | |
> Klaus Vetter, Hebammenausbilder, versteht die Debatte um die steigenden | |
> Versicherungskosten für freie Hebammen nicht: Dies sei eben der Preis für | |
> Abenteuerlust. | |
Bild: Noch immer eine Ausnahmesituation: Hebamme im Vorfeld einer Hausgeburt. | |
taz: Herr Vetter, die Versicherungskosten für Hebammen steigen. Ist ihr | |
Berufsstand in Gefahr? | |
Klaus Vetter: Nein. Diese Kosten treffen schließlich nur freischaffende | |
Hebammen, die selbständig Geburten begleiten. Diese entscheiden ja selbst, | |
die höheren Risiken einzugehen. Dann müssen sie dafür die Kosten tragen. | |
Nur 1,2 Prozent der Kinder werden unter diesen Bedingungen – also im | |
Geburtshaus oder zu Hause – geboren. | |
Hebammen, die Hausgeburten betreuen oder im Geburtshaus arbeiten, | |
argumentieren, dass sie sich hier viel besser um die Frauen kümmern können. | |
Reich werden sie davon aber nicht. Soll den Müttern diese Betreuung | |
genommen werden? | |
Die Geburtshilfe hat sich doch in den vergangenen Jahrzehnten verändert. | |
Früher war das Geburtsambiente noch anders – technischer. Aber heute ist | |
die Idee der individualisierten Geburt auch in den Krankenhäusern | |
angekommen. Kliniken nehmen Geburtshäusern zum Teil die Kundinnen wieder | |
weg. Natürlich ist es dennoch im Geburtshaus etwas gemütlicher. Doch 20 bis | |
30 Prozent der Frauen, deren erste Geburt im Geburtshaus oder zu Hause | |
beginnt, werden während des Geburtsvorgangs ins Krankenhaus verlegt. Es | |
muss also immer doppelte Strukturen geben. | |
Das heißt, neben einem Geburtshaus muss auch immer ein Krankenhaus | |
bereitstehen. | |
Genau, ohne eine Klinik im Rücken funktioniert freischaffende Geburtshilfe | |
hierzulande nicht. Natürlich brauchen wir Hebammen. Doch wir sprechen bei | |
dem Problem der hohen Haftplichtversicherungsprämien nicht über einen | |
Mangel, der entsteht – sondern über einen Luxus obendrauf. | |
Hausgeburten sind in Ihren Augen Luxus? | |
Ja, schon. Die Frage ist doch: Wie viel soll der Mensch, der etwas | |
Besonderes will, selbst bezahlen? Das ist ein Problem von freien Hebammen | |
im Kapitalismus. Und ihr zusätzliches Risiko lassen sie von den | |
Sozialsystemen tragen. | |
Finden Sie das unfair? | |
Ich lasse mich einfach nicht gern vor einen Karren spannen. Das ist ein | |
gesellschaftliches Problem, ich bin nur ein einzelner Arzt. Aber die | |
Preisfrage ist doch: Müssen alle für die Abenteuerlust Einzelner | |
einspringen? Im Moment werden diese Kosten der Allgemeinheit angelastet, | |
die nicht gefragt wurde. Ohne die Absicherung durch ein Krankenhaus in der | |
Nähe würde das System der Geburtshäuser zusammenbrechen. | |
11 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Kristiana Ludwig | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Hebammen: Luxus glückliche Geburt | |
Der Streit um Hebammen und alternative Geburten verweist auf ein | |
grundsätzliches Problem: Darf Ökonomie über die Gesundheit bestimmen? | |
Hausgeburten versus Klinik: Entbindung de luxe | |
Trotz des Protests der Hebammen bleibt Klinikarzt Klaus Vetter dabei: | |
Frauen sollten ihre Hausgeburten selbst zahlen. Er kritisiert jedoch, wie | |
die Kliniken sparen. | |
Versicherungsprämien für Hebammen: Freie Geburtshilfe wieder möglich | |
Der Kampf der freiberuflichen Hebammen hat sich gelohnt: Geburtshelferinnen | |
müssen zwar höhere Versicherungen zahlen. Aber die Kassen übernehmen einen | |
Teil davon. | |
Gynäkologin über Geburtshilfe: „Man muss lernen, abzuwarten“ | |
Die Kaiserschnittzahlen steigen – über Risiken wird kaum gesprochen. Die | |
Gynäkologin Katharina Lüdemann kämpft für die natürliche Geburt. Aber nicht | |
um jeden Preis. | |
Kommentar Hebammen: Der Gesundheitsminister lügt | |
Der Gesundheitsminister behauptet, es gebe eine flächendeckende Versorgung | |
bei der Geburtshilfe. Doch in vielen Regionen müssen Schwangere 45 Minuten | |
zum Kreißsaal fahren. | |
Hebammen fordern bessere Bedingungen: Protestgeburt mitten auf der Straße | |
Die Versicherungskosten von Hebammen haben sich seit 2003 fast | |
verdreifacht. Beim Protest vor dem Gesundheitsministerium fordern sie eine | |
bessere Bezahlung. |