# taz.de -- Kommentar Grüne Spitzenkandidaten: Große Strategen bei der Arbeit | |
> Die Grünen-Realos halten sich für regierungstauglicher – dumm bloß, dass | |
> ihnen das Spitzenpersonal fehlt. Ob Katrin Göring-Eckardt die Lösung ist, | |
> ist fraglich. | |
Eigentümlich ist, wie ausdauernd sich das Gerücht hält, dass es zwei Sorten | |
PolitikerInnen gebe: solche, die Realpolitik betreiben und darum | |
durchsetzungsstark sind, und auf der anderen Seite die Linken, die | |
bedauerlicherweise stets an der Welt und ihren Träumen scheitern. Die | |
Grünen zum Beispiel sortieren sich bis heute in zwei Flügel, von denen | |
einer glaubt, dass er einen exklusiven Draht zur Wirklichkeit hat. Die | |
„Realos“ meinen, besser zu wissen, wie Macht funktioniert; wenn es erst ans | |
Regieren geht, denken sie, schlage ihre Stunde. | |
Nur passt es nicht ins Bild, dass es dem Realoflügel seit Jahren nicht | |
gelingt, das dafür geeignete Spitzenpersonal hervorzubringen. Realpolitik | |
umfasst die Einsicht, dass Wahlen nicht nur mit ausgefeilten Programmen, | |
sondern auch mit ausdrucksstarken Köpfen gewonnen werden. Doch haben sich | |
die Grünrealos darauf spezialisiert, ihre bekanntesten Vertreter abzusägen, | |
um sich dann kopfkratzend auf der Ersatzbank umzuschauen. | |
Die aber ist leer. Als Reinhard Bütikofer – Generationenwechsel sofort! – | |
abtrat, musste der neue Parteichef Cem Özdemir erst aufgestöbert und in die | |
Parteizentrale regelrecht geschoben werden. Die Fraktionschefin Renate | |
Künast verlor die Berliner Bürgermeisterwahl – komplett demontiert wurde | |
sie aber erst von ihren eigenen Leuten. | |
Nun wird Katrin Göring-Eckardt, eine ehemalige Fraktionschefin, bekniet, um | |
Himmels willen ein „linkes“ Grünen-Spitzenduo aus Jürgen Trittin und | |
Claudia Roth zu verhindern und als Kandidatin für eine erfühlte | |
gesellschaftliche Mitte den Wahlkampf zu bestreiten. | |
Ob diese Mitte so viel Religiosität überhaupt verträgt, wie Göring-Eckardt | |
zuletzt verströmte, sei dahingestellt. In Erinnerung aber ist, dass die | |
Politikerin zu Regierungszeiten alles andere als beliebt und anerkannt war. | |
Die schwarz-grüne Fahne schließlich, die Göring-Eckardt seitdem herumtrug, | |
braucht sie im anstehenden Bundestagswahlkampf wahrhaftig nicht | |
auszurollen. Eine Koalition aus Union und Grünen ist 2013 schlicht keine | |
Option. | |
Wenn die Superoberstrategen bei den Realos ehrlich wären, müssten sie | |
zugeben, dass sie sich personalpolitisch verschätzt haben. Die Exponenten | |
des „linken“ Flügels waren trittsicherer. Ob sie eines Tages auch linke | |
Politik machen werden? Wer weiß. | |
Sollte die oft belächelte „Flügelarithmetik“ bei den Grünen | |
zusammenbrechen, so wird dies jedenfalls keine inhaltlichen, sondern | |
personalstrategische Gründe haben. Die Frage, ob die Grünen ganz auf Umwelt | |
setzen und die Umverteilerei sein lassen oder ob Gerechtigkeit ein grünes | |
Kernthema ist, bleibt davon unberührt – das größte Problem der Grünen. | |
13 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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