# taz.de -- Panter-Preis-Nominierte 2012: Der Facharbeiter der Integration | |
> Emiliano Chaimite hilft MigrantInnen, in Deutschland anzukommen und | |
> engagiert sich für interkulturelle Kontakte. Seit 20 Jahren ist er nicht | |
> mehr zur Ruhe gekommen. | |
Bild: Der 1991 ermordete Jorge Gomondai kam als Vertragsarbeiter aus Mosambik i… | |
Es klingt so selbstverständlich, wenn Emiliano Chaimite über sein | |
politisches Engagement spricht: „Wenn ich eine große Wohnung habe, warum | |
soll ich einem Asylbewerber keine Unterkunft geben?“ | |
Als wäre es völlig normal und nur logisch, dass er nicht nur seine Wohnung | |
teilt, sondern neben seinem Vollzeitjob als Krankenpfleger noch eine | |
Handvoll Ehrenämter ausübt: Chaimite ist Gründer und Vorsitzender des | |
Vereins Afropa, er berät im Ausländerbeirat die Stadt Dresden, organisiert | |
Fußballturniere und Theaterprojekte mit MigrantInnen, engagiert sich im | |
Personalrat des Krankenhauses und ist persönlicher Ansprechpartner und | |
Unterstützer für Asylsuchende und Opfer rassistischer Gewalt. | |
Da sitzt er, der 45-jährige Mosambikaner, an einem Nachmittag im | |
Halbschatten auf einer Dresdener Parkbank und rückt sein Baseballcap mit | |
der Aufschrift „Germany“ zurecht. „Ich wundere mich eigentlich, warum sich | |
nicht viel mehr Leute engagieren“, sagt er. | |
Dabei wäre es durchaus nachvollziehbar, wenn Emiliano Chaimite auf | |
Deutschland keine Lust mehr hätte. Seit er nach Deutschland kam, hat er | |
sich gegen viele Widerstände durchsetzen müssen. Doch seine Zuversicht | |
lässt er sich nicht nehmen. „Gerade erst hatten wir hier ein Stadtteilfest | |
mit afrikanischen Tänzern und Trommlern, da war die Stimmung vom Feinsten“, | |
erzählt er. „Die Leute waren so fasziniert. Das ist es, wofür ich arbeite �… | |
dass die Menschen verstehen, wie toll es ist, eine andere Kultur live | |
erleben zu können.“ | |
Von den Diskriminierungen und Angriffen, die er erlebt hat, spricht | |
Chaimite nicht gern. „Ich will nicht immer klagen. Aber natürlich habe ich | |
da schon viel erlebt.“ Er schweigt eine Weile, dann nickt er. „Ja, sehr | |
viel.“ | |
## Im „sozialistischen Bruderland“ | |
Eigentlich hatte er gar nicht geplant, sein Leben in Deutschland zu | |
verbringen. Als er 1986 hierherkam, wollte er nur eine Ausbildung machen | |
und dann wieder nach Mosambik zurückkehren. Sein Heimatland befand sich im | |
Bürgerkrieg, für den 20-Jährigen gab es kaum berufliche Chancen. Da passte | |
es, dass die DDR Facharbeiter aus „sozialistischen Bruderländern“ suchte. | |
In Schönebeck bei Magdeburg wurde er zum Gießereifacharbeiter ausgebildet, | |
lernte Deutsch. Doch nach ein paar Jahren kam die Wiedervereinigung, und | |
die Bundesrepublik akzeptierte die alten DDR-Verträge nicht. Die | |
Facharbeiter sollten sie in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden. | |
Chaimite wusste, dass mit der Gießereiausbildung in Mosambik nichts | |
anzufangen war. Über Freunde kam er nach Berlin, fand Arbeit bei der Post, | |
nahm sich einen Anwalt und kämpfte um sein Bleiberecht. Dabei entstand der | |
Kontakt zu einem Pfarrer in Dresden, der ehemalige DDR-Facharbeiter | |
unterstützte. Dank seiner Hilfe konnte Chaimite in Deutschland bleiben und | |
eine neue Ausbildung anfangen, als Krankenpfleger. „Das war ein Traum für | |
mich. Ich wollte immer einen Beruf erlernen, der überall gebraucht wird“, | |
sagt er. | |
Der Vorschlag, einen Verein zu gründen, kam ebenfalls von dem Pfarrer. „Ich | |
war vorher nie in einer Organisation gewesen“, sagt Chaimite heute, „ich | |
bin eigentlich ein Einzelgänger. Aber ich wollte die Hilfe, die ich | |
bekommen hatte, weitergeben.“ | |
1994 gründet er so Palhota, einen Verein, der sich für die Integration der | |
ehemaligen mosambikanischen Arbeiter der DDR einsetzte. Chaimite war dabei | |
oft ein Vermittler zwischen Mosambikanern und Deutschen, erzählt er: „Viele | |
Afrikaner suchten einen Ort, wo sie unter sich sein konnten. Das verstand | |
ich, denn sie wurden auf dem Amt oft wie Kinder behandelt und im Alltag | |
ständig diskriminiert. Aber wenn man immer unter sich bleibt, wird das | |
nichts mit der Integration.“ | |
Zusätzlich wurde Chaimite in den Ausländerbeirat gewählt, der die Stadt | |
Dresden im Umgang mit MigrantInnen berät. Spätestens da wurde er | |
Ansprechpartner für alle möglichen AsylbewerberInnen und nahm immer wieder | |
Menschen bei sich zu Hause auf: aus Mosambik, Brasilien, Kamerun, Guinea. | |
Zwischendurch wurde es ihm zu eng: „Ich wollte auch mal ein Privatleben. | |
Aber dann sagte ich mir, in Afrika leben die Menschen auch auf engem Raum, | |
das ist schon okay.“ | |
Nur eine Bedingung stellte er denen, die er aufnahm: Sie mussten | |
selbstständig werden. Die Brasilianerin, mit der er eigentlich | |
Portugiesisch reden konnte, zwang er, Deutsch zu sprechen. „Heute sagt sie | |
zu mir: ’Du warst sehr streng damals‘ “, erzählt Chaimite und lacht. | |
Nach Mosambik fuhr er 1997 noch mal. „Aber das war nur Urlaub“, sagt er. | |
Der Krieg war inzwischen vorbei, doch Chaimite fühlte sich in dem Land | |
fremd – und beschloss, in Deutschland zu bleiben. Im Krankenhaus hatte er | |
da auch schon eine feste Anstellung. | |
2003 gründete er dann Afropa e. V., einen Verein zur Förderung der | |
afrikanisch-europäischen Verständigung. „Ich muss immer wieder betonen, | |
dass wir kein afrikanischer Verein sind, sondern ein | |
afrikanisch-europäischer“, sagt er. Das ist ihm wichtig. In seinem Verein | |
soll es keine „Gettobildung“ geben, sondern einen Austausch zwischen | |
MigrantInnen und Deutschen – in beide Richtungen. Der Verein organisiert | |
zum Beispiel ein Kinderferienprogramm, Hallenfußballtraining, | |
Rechtsberatung oder Filmvorführungen. | |
Als Emiliano Chaimite sein Büro zeigt, entschuldigt er sich für die | |
Unordnung. Keine Zeit zum Aufräumen. Ständig ist er unterwegs. Eine | |
Assistenzstelle wäre nötig, doch die finanzielle Unterstützung für Vereine | |
von Migranten ist knapp. „Die Politik muss noch lernen, uns zu vertrauen“, | |
sagt Chaimite. | |
Er hätte gern auch mal wieder Zeit für sich. „Als ich hier bei Afropa | |
angefangen habe, wollte ich eigentlich nichts mehr mit Vereinen zu tun | |
haben“, sagt er. „Schon gar nicht im Vorstand. Doch kaum war der Verein | |
gegründet, wählte man mich als Vorsitzenden.“ Eigentlich würde er gern noch | |
ein Aufbaustudium in Pflegewissenschaften und Pflegemanagement machen – | |
wenn er mal Zeit hätte. | |
13 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
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