# taz.de -- Tour de France 2012: „Mach langsamer!“ | |
> Das einzig spannende Tour-Duell ist Team-Sky-intern. Edelhelfer Chris | |
> Froome ist in den Bergen schneller als sein Kapitän Wiggins. Er | |
> attackiert ihn aber nicht. | |
Bild: Bisher spielt Chris Froome (r.) den treuen Paladin für seinen Teamkolleg… | |
„Mach langsamer!“, schrie ein verzweifelter Bradley Wiggins seinem Helfer | |
Chris Froome zu, als der vier Kilometer vor dem Ziel in La Toussuire | |
übermütig eine Attacke startete. „Mir brannten die Beine, aber als ich den | |
Schrei von Wiggins gehört habe, ging es mir gleich besser“, erzählte | |
grinsend der Luxemburger Fränk Schleck. Schadenfreude wohnt eine | |
mobilisierende Kraft inne, auch und gerade in einem Peloton der Tour de | |
France. | |
Wiggins, den viele – ein wenig voreilig vielleicht – wegen seiner | |
Zeitfahrkünste schon zum „Tourminator“ erklärt hatten, wankte auf der | |
Königsetappe in den Alpen. Das weckt Erinnerungen an das teaminterne Duell | |
zwischen Bernard Hinault und Greg LeMond. 1985 wurde der junge Amerikaner | |
zurückgepfiffen, um dem Bretonen den fünften Toursieg nicht zu vermasseln. | |
Ein Jahr später wollte sich Hinault dann seinerseits nicht an die Absprache | |
erinnern, dass jetzt für LeMond gefahren werde. Mit nur halber | |
Teamunterstützung setzte sich der New Yorker dennoch durch. Froome, 27 | |
Jahre alt, ist bislang in der LeMond-Rolle. Bei der Vuelta 2011 stellte er | |
bereits eigene Ambitionen zurück. Obwohl er in den Bergen stärker war als | |
der fünf Jahre ältere Wiggins, wartete er auf ihn – und ihr Team Sky | |
verpasste deshalb den Rundfahrtsieg. | |
Der Spanier Juan José Cobo drehte den Briten eine Nase und gewann. | |
Gleiches, nur mit dem Italiener Vincenzo Nibali in der Rolle des | |
Spielverderbers, könnte auch noch bei dieser Tour passieren. Gefragt, ob er | |
es in fünf, sechs Jahren nicht bedauern würde, als treuer Paladin einen | |
mögliche Vuelta- und Toursiege weggeschenkt zu haben, sagte Chris Froome | |
der taz: „Mag sein. Die Frage stellt sich allerdings auch erst in fünf, | |
sechs Jahren.“ | |
## „Er hätte vorher schon fragen können“ | |
Jetzt will er für Wiggins fahren. „Brad liegt vor mir, und er ist der | |
bessere Zeitfahrer“. So wie Wiggins schlingerte, als Froome mal kurz | |
beschleunigte, könnte in den Pyrenäen die Kapitänsfrage bei Team Sky neu | |
gestellt werden. Sie ist die spannendste der Tour. | |
Ein alter Fahrensmann wie Bjarne Riis, früher Tour-Sieger und heute Chef | |
des Team Saxo Bank, hätte sich übrigens gar nicht solch ein Problem an den | |
Hals organisiert. Gefragt, wer für ihn die Nummer eins wäre, hätte er | |
Froome und Wiggins zur Verfügung, sagt Riis: „Keiner. Ich hätte da nichts | |
vorher festgelegt, sondern das Rennen entscheiden lassen.“ | |
An Froomes Adresse hat er freilich auch einen Rat: „Er hätte vorher schon | |
fragen können, wie es Wiggins geht, bevor er attackiert.“ Weil Froome dies | |
unterließ, bescherte er einer schon längst entschieden scheinenden Tour de | |
France einen Extraspannungsmoment – der Mann in Diensten des | |
Pay-TV-Imperiums Sky weiß, wie man Cliffhanger platziert. | |
Team Sky freilich steht vor einer delikaten Situation. Verlieren sie die | |
Tour noch wegen einer falschen taktischen Entscheidung, sind sie in der | |
engeren Auswahl zum Sportverlierer des Jahres. Es gibt angesichts der | |
bisherigen brutalen Dominanz von Sky wenig Leute im Peloton, die das nicht | |
erfreuen würde. | |
13 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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