# taz.de -- Linke-Fraktionschefin Dora Heyenn: "Keine Koalition mit Olaf Scholz" | |
> Die Parteien im Rathaus suchen verstärkt Kooperation statt Konfrontation. | |
> Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn im taz-Interview über die Konsenssucht | |
> im Rathaus. | |
Bild: Fordert mehr Geld für soziale Projekte: Dora Heyenn, (Linke). | |
taz: Frau Heyenn, die Linke hat im April die Viererspitze im Parteivorstand | |
durch eine Doppelspitze ersetzt. Wird jetzt in den als ineffektiv geltenden | |
Führungsgremien weniger gelabert als zuvor? | |
Dora Heyenn: Mein Eindruck ist, dass die Arbeit auf Landesebene immer | |
effektiver geworden ist. Die Reduzierung der Sprecherzahl hat dazu | |
beigetragen. | |
Der bisherige Sprecher Herbert Schulz hatte selbst zugegeben, dass der | |
Vorstand eine „zeitraubende Größe“ habe und „endlich entscheidungsfähi… | |
werden müsse. | |
Ich denke, es ist weniger eine Frage der Größe, sondern von Vorbereitung, | |
Strukturierung und Sitzungsleitung. | |
Neuer Vorsitzender wurde Bela Rogalla, Referent einer | |
Bürgerschaftsabgeordneten. Gibt es da keinen Interessenkonflikt? | |
Satzungsmäßig ist das in Ordnung, und einen inhaltlichen Konflikt habe ich | |
auch nicht feststellen können. | |
Partei soll führen, auch die Fraktion anspornen oder kritisieren, ein | |
Referent ist Assistent einer Abgeordneten. Wie passt das | |
demokratietheoretisch zusammen? | |
Ich sehe da kein Problem. Schauen Sie sich die Grünen an: Die Vorsitzende | |
ist Bürgerschaftsabgeordnete, ihr Stellvertreter ist Bundestagsabgeordneter | |
– und das bei dem früheren Anspruch der Trennung von Amt und Mandat. | |
Seit 1. Juli ist Rogalla Büroleiter des Bundestagsabgeordneten Jan van | |
Aken. Ist das eher vertretbar? | |
Vielleicht sind da Bundes- und Landesebene leichter zu trennen. Aber aus | |
meiner Sicht hätte er nicht wechseln müssen. | |
In der Bürgerschaft sind seit Jahresbeginn viele Beschlüsse mit breiten | |
Mehrheiten oder sogar einstimmig gefasst worden. Gibt es im Rathaus eine | |
neue Konsenssucht? | |
Nein, und unser Bestreben als Linke wäre das auch nicht. Wir legen Wert auf | |
unsere Glaubwürdigkeit als Opposition. Dem Transparenzgesetz und der | |
Stärkung der direkten Demokratie haben wir zugestimmt; großartig finde ich, | |
dass alle Fraktionen in der Bürgerschaft sich auf die Errichtung eines | |
Deserteursdenkmals verständigt haben. Dafür haben wir uns immer eingesetzt. | |
Wenn Vorschläge in unsere Richtung gehen, versperren wir uns nicht. Das | |
wäre widersinnig. Wir haben als Linke schon in der vorigen | |
Legislaturperiode mit Schwarz-Grün und SPD zusammen die Schulreform | |
mitgetragen – an uns ist die nicht gescheitert. | |
Also Kooperation nur da, wo sie inhaltlich begründbar ist? | |
Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Daneben haben wir unsere | |
Alleinstellungsmerkmal vor allem im sozialen Bereich, wo die Linke die | |
einzige Fraktion ist, die immer wieder die Solidarität mit den Schwachen | |
einfordert. Das gilt vor allem für die Prekarisierung im Arbeitsleben, | |
sowohl in der freien Wirtschaft als auch im Öffentlichen Dienst. | |
Ist das eine Frage der politischen Hygiene, nicht Fundamentalopposition um | |
jeden Preis zu betreiben? | |
Mit Fundamentalopposition könnte ich nichts anfangen. | |
Selbst nicht bei diesem Bürgermeister? | |
Olaf Scholz ist der Architekt der Agenda 2010 – selbstverständlich ist eine | |
Koalition mit ihm für uns Linke nicht denkbar. Aber eine punktuelle | |
Zusammenarbeit mit der SPD-Fraktion, wenn sie denn mal was richtig macht, | |
geht schon. | |
Die SPD hat bei normalen Beschlüssen, unterhalb von Verfassungsänderungen, | |
eine eigene Mehrheit. Könnte ihre Kooperationsbereitschaft Lockangebote | |
sein, um die Opposition zu spalten? | |
Wir beobachten schon mit Interesse, wie die SPD die Kontakte zu anderen | |
Fraktionen pflegt. Die wissen ja auch, dass sie nach der nächsten Wahl ohne | |
absolute Mehrheit einen Partner brauchen. Und da wird dann mal hier, mal | |
dort ein Leckerli angeboten. Auffällig finde ich, dass die SPD vor allem | |
die FDP umgarnt. | |
Mehr als die Grünen? | |
Ja, deutlich mehr. | |
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding sagte vorige Woche im | |
taz-Interview, sie könne sich eine Koalition mit der SPD vorstellen. | |
Ja, habe ich gelesen. Da sieht man doch, dass die Taktik funktioniert: Wer | |
sich anfüttern lässt, wird eben handzahm. | |
Es gibt also im Rathaus keine Einheitsliste, sondern den Versuch, | |
Parteiengezänk zu minimieren? | |
Unterschiedlicher als CDU, Grüne, FDP und Linke kann Opposition kaum sein. | |
Aber eben darum verfährt die SPD nach dem Prinzip: Teile und Herrsche. | |
Beim Ankauf von Anteilen an der Reederei Hapag-Lloyd hat die Linke als | |
einzige Oppositionsfraktion mit der SPD gestimmt. Finden Sie | |
Verstaatlichung immer noch klasse? | |
Daseinsvorsorge wie Krankenhäuser, Energie, Nahverkehr gehört in staatliche | |
Verantwortung. | |
Eine Frachtreederei hat doch nichts mit Daseinsvorsorge zu tun. | |
Das ist richtig. Bei Hapag-Lloyd haben wir bereits 2008 zusammen mit der | |
SPD den schwarz-grünen Senat beim Einstieg unterstützt. Jetzt ging es | |
darum, die Anteile zu erhöhen. Wir haben intensiv darüber diskutiert, dass | |
es ein riskantes Geschäft sein kann. In der Risikoabwägung haben wir | |
letztlich zugestimmt wegen der Sicherung der Arbeitsplätze bei Hapag-Lloyd | |
und im Hafen insgesamt. Das überwog für uns. | |
Bei der Verankerung der Schuldenbremse in der Hamburger Verfassung hat die | |
Linke nicht mitgemacht. Warum finden Sie Schulden machen so super? | |
Gegen die Schuldenbremse zu sein, heißt nicht, für Schulden machen zu sein. | |
Eine feinsinnige Differenzierung. | |
Ich will sie nicht überfordern. Aber: Die Bremse wird nicht funktionieren, | |
wenn nicht die Einnahmen erhöht werden. Immer nur die Ausgaben zu drosseln | |
und vor allem im Sozialbereich zu kürzen, ist kein Weg, den die Linke | |
akzeptieren kann. Wir finden, dass die Steuermehreinnahmen nur zur Hälfte | |
für die Tilgung von Schulden verwendet werden sollten, die andere Hälfte | |
für soziale und andere dringend notwendige Projekte. | |
Aber liefern Sie Hamburg damit nicht faktisch weiter den Banken und | |
Finanzhaien aus? | |
Wollen Sie es nicht verstehen? Wir müssen die Einnahmen erhöhen. Die beste | |
Schuldenbremse wäre die Millionärssteuer. | |
Anfang Juni kandidierten Sie für den Bundesvorsitz der Linken. Warum | |
wollten Sie sich das antun? | |
Es gibt manchmal Dinge, die muss man tun. Das habe ich so empfunden. Ich | |
habe lange gezögert, weil die ich mich lange nicht mit der Vorstellung | |
anfreunden konnte, neben meiner Tätigkeit in der Bürgerschaft auch in | |
Berlin regelmäßig präsent sein zu müssen. | |
Sind Sie froh, nicht gewonnen zu haben? | |
Ich habe einfach getan, was ich in der Situation tun musste. Die Partei | |
hatte eine Auswahl, die neue Vorsitzende Katja Kipping hat dadurch eine | |
höhere Legitimation, und ich kann mich wieder auf Hamburg konzentrieren. | |
Ist alles gut gegangen. | |
Dann wollen Sie also bei der nächsten Bürgerschaftswahl in zweieinhalb | |
Jahren wieder Spitzenkandidatin werden? | |
Darüber können wir in zwei Jahren reden. Jetzt ist das völlig offen. | |
Aber die Gefahr ist groß, dass die Linke in Hamburg ohne eine | |
Spitzenkandidatin Dora Heyenn an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde. | |
Ich denke nicht, dass ich dafür der entscheidende Faktor wäre. | |
Wir denken das schon. | |
Mit Personenkult kann ich nichts anfangen. | |
Was macht Dora Heyenn am 1. März 2015? | |
Das weiß ich nicht. Meine Oma hätte jetzt gesagt: „Wenn ick dann noch lev | |
...“ | |
13 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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