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# taz.de -- Buchrezension „Inside Anonymous“: Die Attacken des Schwarms
> Im Buch „Inside Anonymous“ kommt die Journalistin Parmy Olson nah an die
> Netzaktivisten heran, die den Cyber-Aufstand probten. Manchmal ist es zu
> nah.
Bild: Augenfehlstellungen nicht erkennbar: Das Buch beschreibt sie aber.
Die Forbes-Journalistin Parmy Olson hat ein fesselndes Buch geschrieben.
Eines, das man, obwohl ja eigentlich ein Sachbuch, stellenweise geradezu
verschlingen will, weil es sich liest wie ein Agententhriller. Ein Buch,
das den klandestinen Hackern so nahe kommt, dass es sogar die Farbe ihrer
Haustür und ihre Augenfehlstellungen beschreiben kann.
Auf 480 Seiten beleuchtet Olson minutiös das Innenleben des Netzkollektivs,
schildert detailreich, wie in Onlinechats die großen Anonymous-Attacken der
vergangenen zwei Jahre orchestriert wurden. So plastisch sind die
Geschichten von Hackern und Internet-Anarchos, von Leidenschaft und Verrat,
dass man sich fast fühlt, als säße man im Kino – und bekäme endlich die
Geschichte hinter den Nachrichten erzählt.
Größe und Schwarmmacht von Anonymous seien von Öffentlichkeit und Medien
heillos überschätzt worden, schreibt Olson. Sie beschreibt, wie sich ab
Dezember 2010 in den digitalen Chaträumen von Anonymous schnell Eliten
herausbildeten, die das Fußvolk steuerten, die oft technisch versiert waren
und zum Erfolg von Angriffen viel mehr beisteuerten als die Frischlinge der
Bewegung, die der „Wir sind eine Legion“-Rhetorik erlagen. „Die wohl grö…
Manipulation gelang der Gruppe wohl damit, die Menschen an die Macht der
’kollektiven Intelligenz‘ glauben zu lassen“, schreibt Parmy Olson im
Fazit.
Eine These, für die sie zahlreiche Belege anführt – etwa den Angriff von
Anonymous auf den Finanzdienstleister PayPal Anfang Dezember 2010. Damals
feierte sich Anonymous öffentlich als mächtige Legion, der es im Schwarm
gelungen sei, die Internetseite des Konzerns mit einer Unzahl von
Datenpaketen (einer sogenannten Distributed-Denial-of-Service-Attacke) so
zu überlasten, dass sie zwischenzeitlich nicht mehr erreichbar war.
Tatsächlich, schreibt Olson, hätten gerade mal 4.500 Anonymous-Aktivisten
an der Attacke mitgewirkt. Erfolg gehabt habe der Angriff nur dank eines
sogenannten Botnetzes – also weil ein einziger Unterstützer der Operation
Zehntausende virenverseuchte Computer, die er unter seiner Kontrolle hatte,
auf die PayPal-Website losließ. Ein Detail, das die New York Times
allerdings anzweifelt: die von Olson zitierten Quellen seien umstritten.
## Beste Kontakte zu den Lulzsec-Aktivisten
Am Ende hat Olson weniger ein Buch über Anonymous geschrieben als über die
hacktivistische Spaßguerilla-Truppe LulzSec, die sich im Sommer 2011 von
Anonymous abspaltete und mit ihren Einbrüchen bei Sony bis zur CIA
IT-Sicherheitsexperten auf der ganzen Welt aufschreckte. Das ist kein
Wunder, denn zu deren Drahtziehern, zwischenzeitlich verzweifelt gesuchte
Hacker und Cyberpunks, hat Olson die besten Kontakte.
Zu „Sabu“ etwa, einem zornigen New Yorker Latino, der seine digitalen
Freunde über acht Monate hinweg heimlich ans FBI verpetzte. Zu „Kayla“, die
sich als 16-jähriges Mädchen mit beachtlichen Hackerfähigkeiten ausgab,
hinter der aber wahrscheinlich ein Teenager aus Großbritannien steckte. Und
zu dem Schulabbrecher „Topiary“ von den britischen Shetland-Inseln, der bei
Anonymous und LulzSec zum scharfzüngigen Pressesprecher aufstieg und die
freche Rhetorik der Gruppe prägte.
Es gibt nicht viele Journalisten, die diesen Aktivisten so nahe gekommen
sind wie Olson. Das ist das große Verdienst, aber auch die große Schwäche
ihres Buches. Denn einerseits verschafft Olson dem Leser so intime
Einblicke in die eskapistische Onlinewelt rund um Anonymous. Zeigt viele
der Protagonisten als Zerrissene: im Netz einflussreich, offline oft
minderjährige Außenseiter, verkannte Arbeitslose oder Transsexuelle auf
Identitätssuche.
## Zu wenig hinterfragt
Doch auf dem Altar der geschmeidigen Erzählung opfert Olson immer wieder
ihre Distanz zu den Protagonisten, die höchst angebracht wäre. Denn
Anonymous-Teilnehmer lügen wie gedruckt, verschleiern ihre Identität,
setzen wüste Gerüchte in die Welt. Und zwar genau so anarchisch, wie sie im
Netz ihre Späße treiben.
Olson weiß um dieses Problem und widmet ihm eine Art Vorrede ihres Buches.
Sie schreibt darin jedoch, sie habe während ihrer Recherchen einschätzen
gelernt, welchem ihrer Gesprächspartner sie vertrauen könne. Doch gerade
Olsons wichtigste Quelle, der inzwischen enttarnte Pressesprecher
„Topiary“, gibt offen zu, die Presse immer wieder belogen zu haben.
Trotzdem thematisiert Olson nirgendwo, warum er nicht vielleicht auch sie
belügen könnte. Konjunktive, Einschränkungen – das ist in vielen Passagen
des Buches, die kritisches Hinterfragen gut vertragen hätten, Olsons Sache
nicht.
Das ist schade, denn diese Unschärfen schwächen die Teile des Buchs, in
denen Olson Neues enthüllt. Etwa wenn es um Ansätze der Kooperation von
LulzSec mit der Enthüllungsplattform Wikileaks geht. Oder um die Frage,
warum das FBI im Dezember 2011 tatenlos zusah, wie ein Hacker aus dem
LulzSec-Umfeld bei dem privaten US-Nachrichtendienst Stratfor einbrach,
obwohl nach Olsons Informationen der FBI-Spitzel „Sabu“ frühzeitig über d…
Angriff informiert war.
17 Jul 2012
## AUTOREN
Meike Laaff
## TAGS
Anonymous
Anonymous
Schwerpunkt Überwachung
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