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# taz.de -- Kolumne American Pie: Skandal im Tal des Glücks
> Der Football-Trainer Joe Paterno von der Pennsylvania State University
> wird posthum der Vertuschung von Missbrauchsfällen bezichtigt. Seine
> Legende bröckelt.
Bild: Schattenseiten einer Football-Statue: Joe Paterno kann sich nicht mehr ge…
Die Stimmung war schon besser im Tal des Glücks. Es gibt kaum eine Gegend
in den USA, in der die Kriminalität so niedrig, der Lebensstandard so hoch
und die Zufriedenheit der Bevölkerung so ausgeprägt ist wie in der Region
um das kleine Städtchen State College, das die Pennsylvania State
University beheimatet.
Aber seit im vergangenen November ein Kindesmissbrauchsskandal an dem
College aufgedeckt wurde und der abgöttisch verehrte Football-Trainer Joe
Paterno ins Zwielicht geriet, ist Streit an der Tagesordnung. Fast täglich
kommen neue Details ans Licht.
Nun haben sich drei weitere Männer gemeldet, die behaupten, als Kinder von
Jerry Sandusky missbraucht worden zu sein. Der 68-jährige Sandusky war
lange Jahre Assistenztrainer des legendären Paterno, der die Penn State
Nittany Lions zu einer der erfolgreichsten College-Mannschaften formte, die
der Universität Millionen Dollar einbrachte.
Bereits im Juni war Sandusky von einem Gericht schuldig befunden worden,
zwischen 1994 und 2009 zehn Jungen in 45 Fällen missbraucht zu haben. Die
neuen Anschuldigungen sind deshalb wichtig, weil sie bis in die frühen
siebziger Jahre zurückreichen.
## Glaubenskrieg um das Vermächtnis
Die Verteidigung von Sandusky, der weiterhin behauptet, unschuldig zu sein,
hatte versucht, die Anklage mit dem Hinweis infrage zu stellen, dass sich
pädophile Neigungen nicht erst in fortgeschrittenem Alter entwickeln.
Entsprechen die neuen Vorwürfe der Wahrheit, wäre diese Strategie
hinfällig.
Aber über Sandusky, dessen Strafmaß noch nicht feststeht, gibt es
mittlerweile keine zwei Meinungen mehr. Im Zentrum des Glaubenskrieges, der
im „Happy Valley“ geführt wird, steht vielmehr das Vermächtnis von Patern…
Der Football-Coach hat in 45 Jahren Amtszeit nicht nur so viele Siege
angehäuft wie kein anderer, sondern schien sein Programm auch so geleitet
zu haben, dass er als moralisches Vorbild in einem zusehends verkommenen
Geschäft galt.
In keiner anderen Uni, die so erfolgreich im Football war, machten so viele
Spieler auch ihren Abschluss, und Paterno dozierte als gut bezahlter Redner
über Führungsqualitäten und Charakterbildung. Doch das Image des Trainers
hat nun tiefe Risse bekommen.
Noch im November, als der Coach auf dem Höhepunkt des Skandals entlassen
wurde, waren Studenten und Penn-State-Ehemalige protestierend und
randalierend durch die sonst so ruhigen Straßen von State College gezogen.
## „Gefühllos und auf schockierende Weise“
In einem vergangene Woche veröffentlichten Untersuchungsreport wird nun
mithilfe von E-Mails und handgeschriebenen Notizen nicht nur nachgewiesen,
dass Paterno sehr viel früher von den Vorwürfen gegen seinen
Assistenztrainer wusste, als er noch zu Lebzeiten zugegeben hatte. Der
Coach soll 2001 außerdem verhindert haben, dass Universitätsfunktionäre die
Vorwürfe gegen Sandusky an die zuständigen Kinderschutzämter meldeten.
Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Paterno und weitere
College-Offizielle ihre Pflichten gegenüber den minderjährigen Opfern
„gefühllos und auf schockierende Weise“ vernachlässigt hätten. Paterno
selbst kann sich nicht mehr wehren, er ist im Januar im Alter von 85 Jahren
gestorben, ohne sich umfassend zu dem Skandal geäußert zu haben.
Das übernimmt nun seine Familie, die am Montag ein Statement herausgab, in
dem die Anschuldigungen zurückgewiesen werden, ohne allerdings neue
Informationen vorzulegen. Stattdessen wird Louis Freeh, einem
Ex-FBI-Direktor und dem Verfasser des 267-seitigen Reports, vorgeworfen, er
würde „Meinungen und Interpretationen als absolute Fakten präsentieren“.
Doch die Pro-Paterno-Front bröckelt.
Immer unverhohlener wird gefordert, die Statue von Paterno zu entfernen,
die bereits zu seinen Lebzeiten errichtet worden war vor dem stets
ausverkauften Beaver Stadium. Die Universitätsleitung ließ wissen, es sei
noch keine Entscheidung getroffen, ob man das Denkmal schleifen werde.
## Death penalty
Fraglich ist sogar, ob in der 106.000 Zuschauer fassenden Arena bald wieder
Football gespielt wird. Die NCAA, die den College-Sport organisiert, denkt
noch über eine Bestrafung für Penn State nach.
Schließlich hat die Universität gegen ihre Aufsichtspflicht verstoßen, als
sie den Kindesmissbrauch vertuschte. Einige Kommentatoren fordern sogar den
death penalty, der bedeuten würde, dass eine der traditionsreichsten
Football-Mannschaften des Landes jahrelang vom Wettbewerb ausgeschlossen
würde.
18 Jul 2012
## AUTOREN
Thomas Winkler
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