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# taz.de -- American Pie: Ende einer Legende
> College-Coach Joe Paterno ist tot. Am Ende überlagert ein
> Missbrauchsskandal die beeindruckende Lebensleistung des 85-jährigen
> Ausnahmetrainers.
Bild: Trauerbekundungen am Joe-Paterno-Denkmal vor der Penn State University.
Vielleicht war es nur Zufall. Vielleicht war es aber auch Schicksal.
Tatsache jedenfalls ist: Als Joe Paterno am vergangenen Sonntag starb,
wurde Lungenkrebs auf dem Totenschein eingetragen. Das mag die medizinische
Todesursache gewesen sein. In Wahrheit aber starb der 85-Jährige wohl an
einem gebrochenen Herzen.
Vor noch nicht einmal drei Monaten war Paterno noch einer der berühmtesten
Trainer des Landes. Eine lebende Legende. Ein respektiertes Vorbild,
tadelloser Lehrer und moralische Instanz. 62 Jahre war er für das
Football-Programm der Pennsylvania State University tätig, die letzten 42
davon als Chefcoach.
In dieser Zeit gewann er mit seinen Penn State Nittany Lions so viele
Spiele wie kein anderer College-Football-Coach. Seine Universität
errichtete ihm dafür zu Lebzeiten ein Bronze-Denkmal vor dem Stadion, in
dem viele dieser Erfolge vor mehr als 106.000 Zuschauern eingefahren
wurden.
409 Siege waren es am Ende. Der letzte fand statt am 29. Oktober 2011, ein
hässliches 10:7 gegen Fighting Illini von der University Illinois. Wenige
Tage später wurde ein gewisser Jerry Sandusky verhaftet wegen sexuellen
Missbrauchs von Minderjährigen in 40 Fällen.
Sandusky war lange Assistenztrainer unter Paterno und blieb der Universität
auch nach seiner Pensionierung 1999 verbunden. Während seiner Zeit als
Trainer hatte er ein Hilfsprogramm für Jugendliche aus benachteiligten
Familien aufgebaut, das sich nun als Zentrale des Missbrauchs entpuppte.
Paterno war in diesen Skandal nicht direkt verwickelt. Allerdings hatte er
im Jahre 2002 die Aussage eines Mitarbeiters, der Sandusky bei der
Vergewaltigung eines Jungen überrascht hatte, nicht an seine Vorgesetzten
oder die Polizei weitergeleitet. In einem seiner letzten Interviews meinte
Paterno: "Ich wünschte, ich hätte mehr getan."
## Umstrittener Rausschmiss
Schon zuvor, am 8. November, hatte ihn die Leitung der Universität
gefeuert. Eine Entscheidung, die im Städtchen State College, das quasi nur
aus dem Penn-State-Campus besteht, bis heute nicht unumstritten ist.
Immer wieder gingen Studenten auf die Straße, um für den Coach, der
liebevoll "JoePa" genannt wurde, zu demonstrieren. Auch die Beerdigung am
heutigen Mittwoch wird wohl wieder zu einer Solidaritätsveranstaltung
geraten. Ein Festakt in der 16.000 Zuschauer fassenden Basketball-Arena
bildet das Ende einer zweitägigen Aufbahrung auf dem Campus, bei der
Tausende am Leichnam vorbeidefilierten.
Es ist das tragische Ende eines großen Mannes. Ohne den Sandusky-Skandal
wäre Paterno so unbescholten in die US-Sportgeschichte eingegangen wie kaum
jemand vor ihm. Während seine Kollegen immer die Regeln brachen, um Talente
an ihre Universitäten zu locken, steuerte der Mann mit der hässlichen
Hornbrille fast ein halbes Jahrhundert lang immer neue Spielergenerationen
beanstandungsfrei durch ein Geschäft, mit dem eine Bildungseinrichtung wie
Penn State plötzlich Millionen verdienen konnte - mit einer erfolgreichen
Football-Mannschaft.
## Footballspieler mit Abschluss
Während andere Universitäten deshalb die akademische Laufbahn ihrer
Sportstars oft nur simulierten, machten unter Paterno fast alle
Footballspieler einen Abschluss. Und während die Football-Mannschaften sich
an vielen Colleges zu einem Staat im Staate entwickelten, legte Paterno mit
dem von ihm sogenannten "Grand Experiment" extra ein Programm auf, damit
die Sportler nicht vom gewöhnlichen Universitäts-Betrieb entfremdet wurden.
Trotz dieser Bemühungen, die Penn State einen Wettbewerbsnachteil gegenüber
anderen großen Universitäten mit einer langen Football-Tradition
bescherten, gelang es Paterno immer wieder, konkurrenzfähige Teams
zusammenzustellen.
Dass ein einziger Fehler sein ganzes Vermächtnis beschädigt, das ist die
Tragik des Joe Paterno. Das hat ihn schlussendlich ins Grab gebracht.
25 Jan 2012
## AUTOREN
Thomas Winkler
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