Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vergangenheitsbewätigung in Österreich: Gedenken vor Nazi-Pamphlet
> In der Krypta auf dem Wiener Heldenplatz war seit 1935 das Manifest eines
> Bildhauers einbetoniert. Auf Druck der Grünen wurde jetzt die
> Gedenkstätte gesperrt.
Bild: Rot-weißes Absperrband an der Krypta auf dem Wiener Heldenplatz.
WIEN taz | Österreichs Spitzen der Republik und höchste Staatsgäste haben
Jahrzehnte lang vor einem Nazi-Pamphlet Kränze niedergelegt und
Gedenkfeiern abgehalten. Das wurde offenkundig, als man in der vergangenen
Woche unter dem marmornen Denkmal des gefallenen Soldaten auf dem Wiener
Heldenplatz eine Kapsel entdeckte, die der Bildhauer Wilhelm Frass dort
1935 in den Sockel betoniert hatte.
„Wir können mit Fug und Recht von einer Sensation sprechen“, sagte
Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) am Donnerstag.
„In diesem unvergänglichen Stein ist mein Glaube an die ewige Kraft des
deutschen Volkes gemeiselt (sic!), die kein Tod zu enden vermag“, steht da
in schwarzer Handschrift auf einem Papier, das in einer Metallkapsel
verborgen war. Frass war beauftragt worden, für die Krypta vor dem Burgtor
ein Monument für die österreichischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs zu
schaffen.
„Möge der Herrgott, nach all dem Furchtbaren, nach aller Demütigung, den
unsagbar traurigen Bruderzwist beenden und unser herrliches Volk einig im
Zeichen des Sonnenrades, dem Höchsten zuführen!“, schwärmte Frass in dem
deutschnationalen Pamphlet, „Dann, Kameraden, seid ihr nicht umsonst
gefallen.“
In Österreich, das nach dem Zusammenbruch der Monarchie noch um seine
Identität als eigenständiger Staat rang, klang das nach Hochverrat.
Tatsächlich brüstete sich Frass drei Jahre später in einem Brief an den
Kunsthistoriker Karl Hareiter damit, ein „hochverräterisches Schriftstück“
in den Denkmalsockel geschmuggelt zu haben. Österreich war inzwischen nach
dem Anschluss im März 1938 Teil des Deutschen Reiches.
Dieser Brief war längst bekannt. Deswegen hatten die Grünen Darabos auch
schon lange gedrängt, den Gerüchten um eine geheime Zeitkapsel im Monument
nachzugehen.
## Symbolische Absperrung
Der Grünen-Abgeordnete Harald Walser hatte die Krypta im Juni symbolisch
abgesperrt, weil dort nicht nur der Toten aus dem Ersten Weltkrieg, sondern
auch der Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg gedacht wird – einschließlich
der Mitglieder von SS und Waffen-SS, wie eine Antwort auf eine
parlamentarische Anfrage bestätigte.
Wohl auch deswegen ist die Krypta jedes Jahr am 8. Mai Ziel eines
Aufmarsches von Ewiggestrigen, die die Niederlage des Dritten Reiches
betrauern.
In einem Totenbuch, das in der Krypta auslag, wurde namentlich auch der
Vorarlberger Josef Vallaster geehrt, der 1942 im deutschen
Vernichtungslager Sobibór in Polen mitverantwortlich für die Vergasung von
250.000 Jüdinnen und Juden war.
## Von Häftlingen erschlagen
Zuvor hatte er im berüchtigten Schloss Hartheim in Oberösterreich am
Vergasungstod von 18.000 Behinderten mitgewirkt. Die Brutalität Vallasters
war mit ausschlaggebend dafür, dass er von Häftlingen am 14. Oktober 1943
erschlagen wurde.
Auf Druck des Vorarlberger Grünen-Abgeordneten Walser ließ Darabos vor
einem Monat Vallasters Namen aus dem Gedenkbuch entfernen und übergab die
Totenbücher dem Kriegsarchiv, das es auf weitere belastete Personen
untersuchen soll.
Die eigentliche Sensation bei der Freilegung der Kapsel war aber der Fund
eines zweiten Schriftstücks, das der Bildhauer Alfons Riedel offenbar
hineingeschmuggelt hat. Riedel könnte Assistent des Bildhauers Frass
gewesen sein, mutmaßt die Historikerin Heidemarie Uhl von der
Militärhistorischen Denkmalkommission.
## Pazifistischer Aufruf
Seine Zeilen konterkarieren das Manifest des Meisters. „Hier haben wir
einen pazifistischen Aufruf“, das habe niemand erwartet, sagte Uhl bei
einer Pressekonferenz mit Verteidigungsminister Darabos.
„Ich wünsche“, so Riedel in seiner Schrift, „dass künftige Generationen
unseres unsterblichen Volkes nicht mehr in die Notwendigkeit versetzt
werden, Denkmäler für Gefallene aus gewaltsamen Auseinandersetzungen von
Nation zu Nation errichten zu müssen.“
Verteidigungsminister Darabos hat die Sperrung der Krypta verfügt. Bis zum
Nationalfeiertag am 26. Oktober soll ein Konzept für eine Neugestaltung der
Gedenkstätte vorliegen.
23 Jul 2012
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## ARTIKEL ZUM THEMA
Antisemitismus in Österreich: Strache hetzt gegen Juden
Der Chef der rechtspopulistischen FPÖ verlinkt auf Facebook einen
antisemitischen Cartoon. Kritik daran weist er zurück und lässt die
Karikatur verschwinden.
Korruptionsskandal in Österreich: Käufliche Konservative
Österreichs Ex-Innenminister Ernst Strasser ist wegen Bestechlichkeit
angeklagt. Gegen weitere Mitglieder der früheren ÖVP-Regierung laufen
Ermittlungsverfahren.
Naziverbrecher Csatary in Budapest: Festnahme mit 97 Jahren
Ladislaus Csatary, der für die Deportation von 15.000 Juden verantwortlich
sein soll, ist in Budapest festgenommen worden. Dies teilte die
Staatsanwaltschaft mit.
Wiens antisemitische Altlasten: Wenigstens die Straße ist weg
Wien tut sich schwer, Karl Lueger aus dem Stadtbild verschwinden zu lassen.
Nach dem antisemitischen Bürgermeister aus der Gründerzeit sind immer noch
Prachtstraßen benannt.
Korporationsball Wien: Tanz der rechten Schläger
Während sich in der Hofburg die Burschenschafter ausgerechnet am
Holocaust-Gedenktag zuprosteten, versuchten Demonstranten, den Ball der
rechtsextremen Elite Österreichs zu stören.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.