# taz.de -- Anti-Waffen-Aktivist über Aurora-Massaker: „Viele Amerikaner hab… | |
> Die Pro-Schusswaffen-Seite in den USA hat den Streit um Waffenkontrollen | |
> gewonnen, sagt Tom Mauser, Antiwaffenaktivist und Vater eines 1999 in | |
> Columbine erschossenen Jungen. | |
Bild: Die Nation ist erschüttert, schärfere Waffenkontrollen wird es trotzdem… | |
taz: Herr Mauser, was haben Sie gedacht, als Sie von dem Massaker in Aurora | |
erfahren haben? | |
Tom Mauser: O nein! Nicht schon wieder! Aber in Amerika ist das keine | |
Überraschung mehr. Wir wissen, dass das passiert. | |
Ihr Sohn Daniel ist bei dem Massaker an seiner High School in Columbine in | |
Colorado im April 1999 ermordet worden. Damals ging ein Aufschrei gegen | |
Schusswaffengewalt durch die USA. Was hat sich seither getan? | |
Die Gesetze zur Kontrolle von Schusswaffen sind in den meisten | |
Bundesstaaten und auf nationaler Ebene geschwächt und ausgehöhlt worden. | |
Die Pro-Schusswaffen-Seite hat gewonnen. Nicht wir. Das wichtigste Beispiel | |
stammt aus dem Jahr 2004, als der Kongress das Verbot von Sturmgewehren | |
auslaufen ließ. Der Schütze in Aurora hat ein Sturmgewehr mit einem Magazin | |
mit 100 Kugeln benutzt. So etwas war 10 Jahre lang verboten. Und jetzt ist | |
es wieder legal. | |
Ist in Colorado seit der Schießerei von Columbine etwas in Bewegung | |
gekommen? | |
Mehrere Gesetze zur Kontrolle von Schusswaffen sind abgeschwächt worden. | |
Aber im Jahr 2000 haben wir eine Veränderung durchsetzen können. In einem | |
Referendum haben sich 70 Prozent der Wähler dafür ausgesprochen, bei | |
Schusswaffenverkäufen auf „Gun-Shows“ einen Backgroundcheck über den Käu… | |
durchzuführen. Die andere Seite hat bislang dreimal versucht, das Gesetz | |
auszuhöhlen. | |
Dieses Gesetz hat den Schützen von Aurora nicht gehindert, seine Waffen | |
legal zu beschaffen. | |
Und selbst wenn jemand gemerkt hätte, dass dieser Mann gestört ist, wäre es | |
nicht möglich gewesen, ihn vom Schusswaffenkauf abzuhalten. Denn die | |
Messlatte hängt sehr hoch. Jemand muss als psychisch gestört gerichtlich | |
erfasst sein, bevor ihm Waffen verweigert werden. | |
Welche Rolle spielen Schusswaffen im gegenwärtigen Wahlkampf in Colorado? | |
Eine große. Außerhalb der Großstadt Denver – die liberaler ist und wo die | |
Politiker nicht der NRA (National Rifle Association, d. Red.) gefallen | |
müssen – haben sich die Kongressabgeordneten in den meisten Wahlkreisen | |
verpflichtet, den Zweiten Verfassungszusatz (das im Jahr 1791 eingeführte | |
Recht auf Schusswaffen, d. Red) zu verteidigen. Wenn sie das nicht täten, | |
hätten sie Probleme. | |
Wer sind die Unterstützer der Pro-Schusswaffen-Politik? | |
Das geht ziemlich quer durch alle Lager. Und es gibt einen sehr starken | |
Druck aus der Lobby – aus der NRA und anderen Pro-Schusswaffen-Gruppen – | |
der die Leute vor eine falsche Wahl stellt. Motto: Entweder du bist für den | |
Zweiten Verfassungszusatz oder dagegen. Dazwischen wollen sie nichts | |
zulassen. | |
Warum? | |
Wenn es Nuancen gibt, wollen die Leute zwar das Recht auf Waffentragen | |
beibehalten, aber zugleich Schusswaffenkontrollgesetze einführen. Wie zum | |
Beispiel die Backgroundchecks des Jahres 2000. Die Gun-Lobby ist gegen | |
diese Nuancen. | |
Warum klingen auch Sie, ein Aktivist für Schusswaffenkontrolle, als würden | |
Sie das Recht auf Schusswaffen verteidigen? | |
Es ist extrem schwierig, diese Diskussion zu führen, wenn man das Recht auf | |
Schusswaffen grundsätzlich bestreitet. Es gibt viel zu viele Leute, die | |
meinen, dass sie Schusswaffen brauchen. Wer würden überhaupt keine | |
Fortschritte machen, wenn wir anders vorgingen. | |
Warum braucht ein Land im 21. Jahrhundert ein Schusswaffengesetz aus dem | |
18. Jahrhundert? | |
Weil wir ein furchtsames Land sind. Abgesehen von etwas Terrorismus kennen | |
wir zwar nicht viele Gefahren von außerhalb. Aber wir haben ein hohes | |
Verbrechensniveau. Davor haben die Leute Angst. Sie sehen, dass wir so | |
viele Schusswaffen im Umlauf haben, dass wir sie nicht von Kriminellen | |
fernhalten können. Viele Amerikaner haben kapituliert: Wir können nichts | |
tun. Wir müssen uns halt bewaffnen. | |
Wo Kapitulation ist, ist auch ein Feind. Wer ist das? | |
Wir selbst. Wir haben uns der Angst und der Gun-Lobby ausgeliefert. Und | |
einem alten Denken aus dem 18. Jahrhundert. | |
Was sagen Sie zu den Erklärungen der beiden Präsidentschaftskandidaten zu | |
dem Massaker in Aurora? | |
Das ist in Amerika zu erwarten: Beide wollen das Waffenthema nicht | |
ansprechen. | |
Warum will Obama das nicht? | |
Aus demselben Grund wie alle anderen Politiker: Sie wollen wieder gewählt | |
werden. Die Gun-Lobby hat sehr viel mehr Macht und Geld als wir. Geld kauft | |
in diesem Land Wahlen. Und die Schusswaffenseite hat sehr viel Geld und ist | |
sehr wortstark. | |
Glauben Sie, dass es in Ihrer Lebenszeit eine wesentliche Verbesserung bei | |
der Schusswaffenkontrolle geben wird? | |
Nein. Es wird sehr lange Zeit dauern und noch sehr viel mehr Tote geben, | |
bis dieses Land zu Sinnen kommt. Meine Generation ist gescheitert. Wir | |
müssen auf die nächste Generation hoffen. | |
23 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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