| # taz.de -- Berliner Olympionikinnen: Ein eingesprungenes Team | |
| > Christin Steuer und Nora Subschinski werden sich in London synchron vom | |
| > 10-Meter-Brett schrauben. Die eine gewann schon mit 16 Medaillen, die | |
| > andere ist Spätzünderin. Das Randsportarten-Dasein nervt beide. | |
| Bild: Christin Steuer und Nora Subschinski | |
| Eineinhalb Schrauben, zwei Salti – und es spritzt kaum. Ein blitzsauberer | |
| Sprung aus 10 Metern Höhe, glatt eingetaucht. Christin Steuer und Nora | |
| Subschinski klettern zufrieden aus dem Becken. Hier, bei den Deutschen | |
| Meisterschaften Ende Mai in Berlin, sind die beiden mehrfachen | |
| Europameisterinnen konkurrenzlos. Trotzdem schaut kaum einer zu in der | |
| Schwimmhalle am Velodrom. „Allein deshalb ist Olympia so großartig für uns, | |
| weil unsere Sportart dann endlich mal im Rampenlicht steht“, sagt Steuer. | |
| Subschinski und Steuer sind Synchron-Wasserspringerinnen. Die beiden | |
| Berlinerinnen gehören bei den am Freitag beginnenden Olympischen Spielen in | |
| London zu den Medaillenhoffnungen des Deutschen Schwimmverbands (DSV). Im | |
| vergangenen Jahr holten sie Bronze bei den Weltmeisterschaften, 2010 | |
| sprangen sie zum EM-Gold. Seit knapp vier Jahren bilden die beiden ein Paar | |
| bei den Synchronwettbewerben. „Wir sind ein eingesprungenes Team“, sagen | |
| sie von sich. | |
| Nur diese olympische Medaille, die fehlt ihnen noch. Für Steuer ist es die | |
| letzte Chance. Ein weiteres Olympia wird es für die 29-Jährige nicht geben. | |
| Für sie wäre eine Medaille auch eine Genugtuung: Das Randsportartendasein | |
| geht ihr immer mehr auf die Nerven. „Für den Trainingsaufwand, den wir | |
| haben“, sagt sie, „fehlt es mir manchmal an Anerkennung.“ 30 Stunden | |
| trainieren sie in der Woche, 14.000 Sprünge kommen da in einem Jahr | |
| zusammen. Auch Subschinski will nach einem vierten Platz in Peking mit | |
| ihrer früheren Partnerin Annett Gamm unbedingt aufs Treppchen: „Dabeisein | |
| ist für mich dieses Mal nicht mehr alles“, sagt sie. | |
| Nora Subschinski kam eher zufällig zu ihrer Disziplin. Als Kind war sie zu | |
| groß und zu schwer zum Turnen – so ging sie zum Wasserspringen über. Sie | |
| hörte dann zwar doch bei 1,58 Meter auf zu wachsen, aber beim Springen | |
| blieb sie. Denn der Erfolg stellte sich schon früh ein: So holte sie | |
| bereits mit 16 Jahren EM-Gold und fuhr in diesem Alter bereits zu den | |
| Olympischen Spielen nach Athen. „Es stimmt einfach: Für eine Sportlerin ist | |
| Olympia das Größte“, sagt sie, „da ging ein Traum in Erfüllung.“ | |
| Die 24-Jährige mit der markanten blonden Strähne war dann im | |
| Synchronspringen immer erfolgreicher als im Einzelspringen. Elf Medaillen | |
| bei EMs, WMs und Olympia hat sie schon auf ihrem Konto, zehn davon in | |
| Synchronwettbewerben. Ob das nicht eigentlich die schwierigere Disziplin | |
| sei? „Wenn jeder seine Einzelsprünge kann, ist das Synchronspringen gar | |
| nicht so schwer“, antwortet Partnerin Steuer. „Und wir harmonieren ganz gut | |
| zusammen.“ Im Gegensatz zu ihrer Partnerin startet Subschinski bei Olympia | |
| auch im Einzelwettbewerb. | |
| Steuer ist der Gegenentwurf zu ihr. Sie ist die Spätzünderin – die ganz | |
| großen Erfolge ließen lange auf sich warten. Dabei ist die „Oma im | |
| deutschen Team“, wie sie sich selbst nennt, Wasserspringerin, seit sie | |
| denken kann: „Seit 23 Jahren mache ich das jetzt schon.“ In Berlin-Buch | |
| aufgewachsen, wurde sie als Erstklässlerin gesichtet, ebenso wie ihre | |
| Zwillingsschwester Anne. Zusammen sollten sie zum Synchron-Traumpaar | |
| aufgebaut werden. Bei der Junioren-EM 2000 holten die beiden Bronze. | |
| Dann aber, zwei Jahre später, beendete Schwester Anne wegen einer | |
| Handverletzung die Karriere. Für Christin begann sie erst. Aber sie begann | |
| wechselhaft: National war sie zwar erfolgreich, bis 2006 sollte es jedoch | |
| dauern, bis es zu EM-Bronze reichte. „Die Nerven versagen halt manchmal bei | |
| den großen Wettkämpfen.“ | |
| Bis zum großen Durchbruch musste Steuer sogar ein Alter erreichen, in dem | |
| Wasserspringer als Greisinnen gelten. Im Jahr 2010 holte sie Einzel- und | |
| Synchrongold vom 10-Meter-Turm. Ihre Beharrlichkeit sei „außergewöhnlich“, | |
| sagte DSV-Sportdirektor Lutz Buschkow damals. Spät fand sie mit Subschinski | |
| die richtige Partnerin. Im Jahr 2009 wechselte sie den Trainer und den | |
| Verein, seither startet sie für den SC Riesa und wohnt in Dresden: „Das war | |
| die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.“ | |
| Die Disziplin der beiden wirkt so halsbrecherisch wie komplex. Wie erlernt | |
| man die Schrauben und Salti – gehechtet, gehockt, gestreckt? „Viele kommen | |
| über das Turnen zum Wasserspringen“, sagt Subschinski, „bestimmte | |
| Bewegungsabläufe hat man da schon drauf.“ Und weiterentwickeln könne man | |
| sich nur mit Springen, Springen, Springen. „Derzeit machen wir viele | |
| Videoanalysen“, sagt Steuer. Auf dem Brett gibt Subschinsiki die Kommandos. | |
| Sie zählt an. Auf drei wird gesprungen. Ohne perfektes Timing beim Absprung | |
| geht gar nichts. | |
| Und trotz hunderter Sprünge pro Woche ist auch Angst diesen beiden Frauen | |
| nicht fremd. „Ich habe sehr großen Respekt davor, da runterzuspringen, | |
| immer noch“, so Steuer. „Und mit dem Alter wird’s schlimmer.“ Erst 2010 | |
| hatte die Berliner Mannschaftskameradin Maria Kurjo einen Unfall, sie | |
| prallte mit dem Kopf gegen den Turm. Kurjo hatte Glück und erlitt nur eine | |
| Gehirnerschütterung. „Was alles passieren kann, darüber darf man sich gar | |
| keinen Kopf machen“, sagt Steuer. | |
| Den Glamour der großen, publikumswirksamen Sportarten vermisst die | |
| 29-Jährige schon: „Manchmal denkt man, ob man nicht lieber eine andere | |
| Sportart gewählt hätte.“ Vor Olympia sorgte sie nun selbst für ein wenig | |
| Rampenlicht – indem sie mit anderen deutschen Athletinnen Aktfotos für den | |
| Playboy machte. Nun will sie auch sportlich ins Rampenlicht. Um Gold werden | |
| Subschinski/Steuer in London aber wohl nicht mitspringen: „Die Chinesinnen | |
| sind kaum zu schlagen“, sagen beide unisono. | |
| Um den Hals trägt Christin Steuer eine Kette mit den olympischen Ringen. | |
| Ihre Mutter hat sie zu Steuers ersten Spielen 2004 angefertigt. Acht Jahre | |
| später sollen sie ihr endlich Glück bringen. Auf dass es möglichst wenig | |
| spritzt beim Eintauchen. | |
| 23 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
| Jens Uthoff | |
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