# taz.de -- Diskussion über Härtefallkommission: Transparenter abschieben | |
> CDU, Grüne und Linke sind offen für den Vorschlag von SPD-Fraktionschef | |
> Dressel, die Arbeit der Härtefallkommission transparenter zu machen. Das | |
> gefällt nicht allen. | |
Bild: Gnade vor Recht? Die Hamburger Abschiebepraxis ist seit Jahren heftig ums… | |
Auf weitgehende Zustimmung trifft der Vorschlag von SPD-Fraktionschef | |
Andreas Dressel, die Arbeit der parlamentarischen Härtefallkommission | |
transparenter zu machen. Es lohne sich, über diese Initiative nachzudenken, | |
ist der Tenor bei vier Fraktionen in der Bürgerschaft. Lediglich Martina | |
Kaesbach (FDP) lehnt eine Lockerung ab. Allerdings betonten alle | |
Fachsprecher auf Anfrage der taz, dass die vertrauliche Behandlung der | |
persönlichen Umstände der Betroffenen „ein hohes und schützenswertes Gut“ | |
sei. | |
Die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des Eingabenausschusses und der | |
Härtefallkommission des Parlaments „hat eine Schutzfunktion“, sagt Antje | |
Möller (Grüne), Mitglied in beiden Gremien. Wenn aber in Einzelfällen die | |
Betroffenen die Kommission oder die Ausländerbehörde „von der | |
Verschwiegenheitspflicht entbinden“, könnte das zu mehr öffentlicher | |
Transparenz beitragen. | |
Auch Kersten Artus (Linke) glaubt, dass „die Vertraulichkeit in vielen | |
Fällen hilfreich“ gewesen sei. Jedoch gebe es bei von der | |
Härtefallkommission gebilligten Abschiebungen nach dem Ausländerrecht | |
„keinen Druck, die Entscheidungen zu begründen“. Das könnte geändert | |
werden, „wenn die Regeln dafür genau definiert werden“, so Artus. | |
SPD-Fraktionschef Dressel hatte im Interview mit der taz am Samstag | |
vorgeschlagen, die Verschwiegenheitspflichten teilweise aufzuheben. | |
„Vielleicht wären manche Sachverhalte transparenter, wenn eine kurze, | |
sachliche Reaktion auf öffentlich geäußerte Vorhalte gestattet würde“, | |
sagte Dressel. „Man kann darüber nachdenken, diese Vertraulichkeit mit | |
Einwilligung der Betroffenen zu lockern“, so Dressel. | |
Anlass ist der Fall der fünfköpfigen Roma-Familie Racipovic, die Mitte Juli | |
nach Serbien ausgewiesen worden war. Die Härtefallkommission der | |
Bürgerschaft hatte einen Asylantrag abgelehnt, obwohl die Familie mit ihren | |
drei in Hamburg geborenen Kindern als Musterbeispiel für Integration gilt. | |
Die 19-jährige Tochter Bonita hatte zum 1. August einen Ausbildungsplatz | |
als Friseuse, die 16-jährige Tochter Selenora ist eine Einser-Schülerin, | |
der 15-jährige Sohn Usko hätte im Herbst einen Platz an der Musikakademie | |
bekommen, weil er musikalisch hochbegabt ist. Die beiden Jüngeren wurden | |
zum Ende des Schuljahres sogar von SPD-Schulsenator Ties Rabe ausgezeichnet | |
und drei Wochen später von SPD-Innensenator Michael Neumann abgeschoben. | |
Die Abschiebung „hatte nichts mit Gnadenlosigkeit zu tun, sondern mit | |
rechtlichen Vorgaben“, sagte Dressel im Interview. Es sei verständlich, | |
dass die Familie die Öffentlichkeit gesucht habe. Demgegenüber hätten sich | |
die staatlichen Stellen aber nicht zu den Gründen ihrer Entscheidungen | |
äußern dürfen. „Es wäre aber gut, wenn Sachverhalte vollständig bekannt | |
sind“, sagte Dressel. | |
Darüber zu debattieren, findet Sören Schumacher „klug“. Der SPD-Abgeordne… | |
und Vorsitzende der Härtefallkommission hält es für vorstellbar, dass eine | |
behördliche Stellungnahme oder Erläuterung „mit Einwilligung der | |
Betroffenen“ rechtlich ermöglicht würde. Auch Jörg Hamann (CDU), Mitglied | |
der Härtefallkommission, ist „grundsätzlich offen“ für eine solche Debat… | |
„wenn es der Wahrheitsfindung dient“, so der Rechtsanwalt. | |
Lediglich Martina Kaesbach (FDP) stellt den Schutz von Daten und | |
Persönlichkeitsrechten über Transparenz. „Wenn die Entscheidungen der | |
Kommission öffentlich werden, verkommt das zum parteipolitischen | |
Schlagabtausch“, fürchtet die Freidemokratin: „Das wäre nicht im Sinne der | |
Betroffenen.“ | |
23 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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