# taz.de -- Fechterin Imke Duplitzer über Olympia: „Ich mache das Maul auf“ | |
> Sie hasst und liebt die Olympischen Spiele: Fechterin Imke Duplitzer ist | |
> zum fünften Mal dabei und will endlich den großen Erfolg. | |
Bild: Beim Training: Imke Duplitzer (rechts) | |
taz: Frau Duplitzer, Sie haben in den vergangenen Wochen extrem hart | |
trainiert. Bei Ihrer fünften Olympiateilnahme wollen Sie endlich eine | |
olympische Medaille im Degen-Einzel gewinnen. Können Sie die Planche | |
überhaupt noch sehen? | |
Imke Duplitzer: Essen, schlafen, fechten. Das war mein Programm. Das führt | |
natürlich zu einem Lagerkoller. Ab und zu sind mein Trainer Martin | |
Heidenreich und ich ausgebrochen aus dieser Routine. Dann waren wir ganz | |
überrascht, dass es da draußen noch andere Menschen gibt. Ich musste in der | |
Olympiavorbereitung mehr tun, weil ich mich im Herbst des letzten Jahres an | |
der Halswirbelsäule verletzt hatte und den Trainingsrückstand aufholen | |
musste. Ich habe dafür sogar einen Fitnesstrainer verpflichtet. | |
Sie und das Team haben sich nur ganz knapp für Olympia qualifiziert. Um ein | |
Haar hätte sich der ganze Aufwand nicht gelohnt. | |
Nach der Quali in Paris dachte ich kurz: O Mann, jetzt geht der ganze | |
Scheiß weiter. Das klingt komisch, aber das Training geht echt an die | |
Substanz. Diese Kopfverletzung war ja nicht von Pappe. Wieder in Form zu | |
kommen, das war eine wahnsinnige Energieleistung. Ich hatte das Gefühl, ich | |
muss Fechten wieder von Grund auf lernen. Mein Trainer und ich haben uns | |
echt gequält. | |
Aber es ist doch wunderbar, dass Sie sich für Ihre fünften Sommerspiele | |
qualifiziert haben. Oder etwa nicht? | |
Ja, es ist schön. Auf der anderen Seite geht bei den Spielen schon seit | |
längerer Zeit etwas schief. | |
Was denn? | |
Jetzt sollen wir genötigt werden, einen bestimmten roten Schuh von Adidas | |
anzuziehen, weil Adidas die Markenmacht bei den Spielen hat. Aber nicht mit | |
mir. Sollen wir uns vielleicht auch noch die Haare färben, damit wir so auf | |
den Sponsor aufmerksam machen? Das geht mir als Sportler auf den Geist. Ich | |
möchte in meinen eigenen Schuhen fechten. Aus. | |
Und wenn das nicht geht? | |
Dann ziehe ich meine Schuhe vor laufenden Kameras auf der Fechtbahn aus. | |
Ist mir scheißegal. | |
Keine Frage, die Spiele sind kommerziell, aber können Sie mit dem | |
olympischen Geist, den es ja noch geben soll, nicht doch etwas anfangen? | |
Ich liebe den Wettkampf. Ich mache das, weil ich Fechten toll finde. Wenn | |
man das erste Mal bei Olympia dabei ist, dann findet man das alles | |
irgendwie faszinierend. Das kann ich verstehen. Aber ich weiß mittlerweile, | |
wie es funktioniert: Die Jugend der Welt kommt zusammen. Das Internationale | |
Olympische Komitee organisiert die Sause – und verdient prächtig daran. Ich | |
für meinen Teil werde nicht im olympischen Dorf wohnen. | |
Im Ernst? | |
Ich habe ein Apartment in der Nähe vom Fechtzentrum gemietet. Ich werde | |
mich auch aus den olympischen Feierlichkeiten heraushalten. Ich bin im | |
Zwiespalt: Ich liebe den Sport, hasse es aber, wie Funktionäre ihn | |
verbiegen. | |
Haben Sie dem IOC innerlich gekündigt? | |
Ich möchte einfach meine Ruhe haben. Das geht nicht im Dorf. Klar gibt es | |
ein paar Sportler, auf die ich mich freue: Schützen, eine neuseeländische | |
Hockeyspielerin und noch ein paar andere. Die Verabredungen stehen schon. | |
Es ist ja für mich als olympischen Routinier nicht mehr so, dass ich einen | |
Nervenzusammenbruch bekomme, nur weil Usain Bolt an mir im olympischen Dorf | |
vorbeiläuft. So was brauche ich nicht mehr. | |
Macht das nicht gerade den Reiz aus, Stars zu treffen, aber auch Underdogs | |
aus Entwicklungsländern? | |
Die Grundidee der Spiele finde ich immer noch gut, was daraus geworden ist, | |
nicht. Daher die Distanz, auch die räumliche. Ich bin darauf gefasst, dass | |
es Kritik hageln wird, wenn ich nicht erfolgreich sein werde. „Die braucht | |
eine Extrawurst und bringt nur Unruhe rein“, wird es dann heißen. Aber | |
warten wir mal ab. | |
Sie üben sich in professioneller Distanz. | |
O ja, das ist schön formuliert. | |
1996, als Sie als Ersatzfechterin zu den Spielen von Atlanta gereist sind, | |
wie war es für Sie als olympische Novizin? | |
Da habe ich schon einen leichten olympischen Knacks wegbekommen. Ich war | |
ein Niemand. Musste extern wohnen. Damals hätte es mir gut gefallen, im | |
olympischen Dorf unterzukommen. Aber ich durfte nicht, weil es eine neue | |
IOC-Regel gab. Ich war bei den Spielen, aber trotzdem nicht richtig dabei. | |
Und die olympische Flamme habe ich damals auch nicht auf Anhieb gefunden, | |
sondern zunächst nur die Olympic French Fries Flame von McDonald’s, also | |
die Frittenflamme. Mittlerweile fechte ich fast lieber bei einer | |
Weltmeisterschaft, weil es da noch ums reine Fechten geht. | |
Und bei Olympia nicht? | |
Dort herrscht ein extremer Kampf um Aufmerksamkeit. Und wer findet Gehör? | |
Sportler, die sich total vermarkten, die Stars in einer Trendsportart sind | |
oder ihre Haut zu Markte tragen. Die klassischen, konservativen Sportarten | |
fallen immer mehr unter den Tisch. | |
Bei den Olympischen Spielen haben aber auch die vermeintlichen Randsportler | |
die Chance, auf die große Bühne zu treten. | |
Der Ruhm ist nicht von Dauer. Was ist denn aus den letzten beiden deutschen | |
Olympiasiegern im Fechten geworden? Ein Olympiasieg im Fechten zählt heute | |
weniger als früher. Der Sport an sich zählt nicht mehr so viel. Es muss | |
heute schrill sein, unterhaltend und schräg. Und der Sportler muss wissen, | |
womit er in der Medienlandschaft ankommt, sonst geht er unter. So schaffen | |
es auch wenig erfolgreiche Sportler mit nackten Tatsachen auf die | |
Titelseiten. | |
Sie wissen doch auch, womit man bei den Medien gut ankommt. | |
Ich mache das Maul auf, richtig. Kritik allein nützt wenig. Sie muss schon | |
mit Schmackes daherkommen, sie muss den Angesprochenen richtig wehtun. Das | |
habe ich mit den Jahren gelernt. | |
Deswegen haben Sie der Bild-Zeitung vor ein paar Tagen auch ein | |
vielbeachtetes Interview gegeben, in dem Sie über unfähige Sportfunktionäre | |
wie den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbunds, Thomas Bach, | |
wettern? | |
Ich habe dafür viel Zuspruch erhalten. Meine Facebook-Seite ist fast | |
explodiert. Und der Sportbund hat mich ja nach den Spielen zu einem | |
Gespräch eingeladen. | |
Warum legen Sie sich so gern mit denen an? | |
Weil es kein anderer macht. Keiner möchte sich den Mund verbrennen, man | |
möchte nicht aus dem Förderungssystem rausfliegen. Und es ist sehr schwer, | |
bestehende Strukturen infrage zu stellen. Ich will mich aber mit der | |
Verarsche nicht abfinden. | |
Wie läuft die Verarsche Ihrer Meinung nach? | |
Man lässt sich von den bunten Bildern beeindrucken und versteht die | |
Botschaft dahinter nicht mehr. Sie wird auch oftmals bewusst von den | |
TV-Rechteinhabern ausgeblendet. Ich meine Doping, Kommerz, Korruption und | |
Machtmissbrauch. | |
Im Moment des Wettkampfs muss Ihnen das egal sein, denn Sie wollen ja Ihre | |
erste Olympia-Einzelmedaille, auf die Sie seit 1996 warten. Wie sehr setzen | |
Sie sich selbst unter Druck? | |
Ich will die Belohnung für meine Quälerei einstreichen. Das geht aber nicht | |
mit der Brechstange, sondern nur mit einer gewissen Demut. Man muss ackern, | |
aber man muss dankbar dafür sein, dass man ackern darf. Ich bin dankbar | |
dafür, dass ich dreimal am Tag in der Halle stehen und mein Programm | |
durchziehen darf. Ich wühle, kämpfe und schaffe gern. Mein Trainer auch. | |
Ich bin das von Kindesbeinen an gewohnt. Eigentlich geht es mir vor allem | |
um die Fechtarbeit. Wenn am Ende eine Siegerpose steht, umso besser. | |
Verstehe ich Sie richtig: Der Weg ist das Ziel? | |
Beim Leistungssport darf man nie fragen: Was kriege ich dafür? Denn man hat | |
nie eine Erfolgsgarantie oder eine sichere Rendite für die Investitionen im | |
Training. Letztlich geht’s immer nur darum: umfallen, aufstehen, umfallen, | |
aufstehen. | |
Sind Sie eigentlich eine bessere Fechterin als Anfang der neunziger Jahre? | |
Ich bin eine andere Fechterin. Ich bin geduldiger und demütiger geworden. | |
Und ich bin immer noch fasziniert vom Fechten, begreife es aber | |
mittlerweile als komplexes System. 1991 war ich eine Rotznase, der König | |
der Welt, der nicht haushalten musste mit seinen Kräften, der nicht so viel | |
nachgedacht hat und nach zwei harten Trainingseinheiten noch eine Stunde | |
Badminton gespielt hat. Das ist heute etwas anders. | |
30 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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