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# taz.de -- Occupy-Camp soll geräumt werden: Bewegung im Abbau
> Im Frankfurter Occupy-Camp wurden viele soziale Probleme der Stadt
> sichtbar. Das passte der Verwaltung nicht: Am Dienstag soll das Camp
> geräumt werden.
Bild: Abends im Occupy-Camp: „Unsere Vielfalt ist unsere Stärke“.
FRANKFURT A. M./BERLIN taz | Es ist ein Symbol: Im Occupy-Camp neben der
Europäischen Zentralbank sammelten sich die selbst ernannten „99 Prozent“,
um gegen den Finanzkapitalismus zu protestieren, gegen soziale
Ungleichheit, gegen Demokratiedefizite.
An diesem Dienstag soll das Camp mit seinen 70 Zelten aufgelöst werden.
Wegen Hygienemängeln und weil „sich das politische Protestlager zu einem
Camp sozialer Randgruppen mit inakzeptablen Begleitumständen gewandelt“
habe, wie Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) argumentiert.
„Was in Frankfurt passiert, strahlt nach ganz Deutschland aus“, sagt Hannes
Draeger von Occupy Münster. Dort wurde den Aktivisten bereits verboten, im
Camp zu übernachten. Jetzt gibt es Beschwerden wegen Ruhestörung. Die
Münsteraner haben eine Videobotschaft nach Düsseldorf geschickt, denn auch
dort soll das Camp geschlossen werden. Die Stadt begründet das mit einem
Verstoß gegen das Straßen- und Baurecht.
Die Räumung sei ungerechtfertigt, sagt ein Aktivist in die Kamera. „Ihr
kriegt uns nicht weg, ihr kriegt uns nicht mundtot.“ Sie singen „We shall
overcome“. In Kiel hat die Ordnungsbehörde eine Frist bis Ende August
gesetzt. Ist das das Ende einer Bewegung, die vergangenen Herbst mit viel
Euphorie begrüßt wurde?
Auch in Düsseldorf soll Ende des Monats das Camp geräumt werden. Die Stadt
begründet das mit einem Verstoß gegen das Straßen- und Baurecht. In Kiel
wurde eine Frist bis Ende August gesetzt. Ist das das Ende einer Bewegung,
die vergangenen Herbst mit viel Euphorie begrüßt wurde?
Mehrere hundert Menschen besetzten am 15. Oktober den Platz vor der EZB.
Viele von ihnen Protestneulinge, andere aus dem linken Spektrum. Bewusst
praktizierten sie eine möglichst große inhaltliche Offenheit und
Basisdemokratie. Das führte zu – letztlich erfolglosen –
Unterwanderungsversuchen durch Rechtspopulisten und Sektierer.
Bald kamen vermehrt Obdachlose, Drogenabhängige und Romafamilien ins Camp.
Und es sah dort nicht einladend aus. Die Müllberge haben die AktivistInnen
inzwischen beseitigt – die Probleme mit Ratten haben sie nicht in den Griff
bekommen. Occupy wurde von einem politischen Protestcamp zu einem
Sozialexperiment: ein besetzter Raum mitten in einer Finanzmetropole, der
allen offen steht. Dass so die sozialen Probleme sichtbar wurden, das geht
den Entscheidungsträgern offenbar gegen den Strich.
## Die Stärke in der Vielfalt
Occupy ist eine heterogene Bewegung. „In der Vielfalt liegt doch eine
Stärke“, sagt Florian Raffel, Aktivist aus Berlin, wo das Camp längst nicht
mehr existiert. Auf der anderen Seite ist schon das organisatorische
Klein-Klein für alle anstrengend.
Occupy verpasste es, sich eindeutig zu positionieren. „Wir hätten uns
souveräner öffnen und etwa auf die Gewerkschaften zugehen sollen“, sagt
Costantino Gianfrancesco, Frankfurter Aktivist der ersten Stunde. „Aber
Occupy hat etwas angestoßen, denn Kapitalismuskritik ist nun salonfähiger.“
Viele wandten sich entnervt von Occupy ab. Zu selbstreferenziell waren die
Diskussionen. Johannes Ponader etwa ging zu den Piraten und wurde deren
politischer Geschäftsführer. „Übrig geblieben sind die Gestrandeten, die
nicht unbedingt aus politischen Motiven gekommen sind“, sagt
Protestforscher Dieter Rucht. Eine Bewegung, die sich jeder Strukturbildung
verweigere, habe es eben schwer.
Die verbliebenen Aktivisten wollen sich nicht einschüchtern lassen. Trotz
strömenden Regens demonstrierten am Samstag in Frankfurt mehrere hundert
Menschen gegen die drohende Räumung. Sie wollen sich dagegen friedlich
wehren.
## Als Lokalgruppen weiterleben
Die Soziologin Anne Nassauer, die sich intensiv mit Occupy beschäftigt hat,
glaubt, dass die Bewegung auch ohne Camps weiterbestehen kann: als lokale
Gruppen, die bislang schon Demos oder Podiumsdiskussionen organisieren. Die
Frankfurter Untergruppe „Occupy Money“ etwa befasst sich kritisch mit dem
Geld- und Finanzsystem – und spricht dabei durchaus auch bürgerliche Kreise
an.
Ob Occupy in Deutschland auf Dauer fortbesteht, hängt nach Nassauers
Einschätzung von zwei Dingen ab: Zum einen, ob es – wie bei den
Blockupy-Veranstaltungen im Mai – politische Repression gegen die Bewegung
gibt. Dann nämlich fänden sich mehr Unterstützer. Vor allem aber davon, wie
sich die Eurokrise weiter entwickelt. „Sollte sich die Situation weiter
verschärfen, kann das Occupy Auftrieb geben.“ Das sieht auch Florian Raffel
aus Berlin so: „In Deutschland geht es uns noch zu gut.“
30 Jul 2012
## AUTOREN
T. Reuter
S. Erb
## TAGS
Camp
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
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unter Druck gerät, ist der Bürgermeister selbst. Wer die Lippen spitzt,
muss auch pfeifen können.
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