# taz.de -- Beinamputierter Staffel-Läufer bei Olympia: „Da ist Neid im Spie… | |
> Oscar Pistorius hat sich für das Halbfinale über 400 Meter qualifiziert. | |
> Der Deutsche David Behre rennt wie Pistorius 400 mit Prothesen - bei den | |
> Paralympics. Unfair? „Nein“, sagt Behre. | |
Bild: Oscar Pistorius ist der erste beidseitig beinamputierte Sportler bei Olym… | |
taz: Herr Behre, wie Oscar Pistorius treten Sie Ende August bei den | |
Paralympics über 400 Meter mit Unterschenkelprothesen an. Pistorius aber | |
ist der Erste, der mit diesem Hilfsmittel am Samstag bei den | |
nichtgehandicapten Olympioniken mitmischt. Finden Sie das gut? | |
David Behre: Oscar ist den richtigen Weg gegangen. Er läuft uns | |
paralympischen Sportlern im Moment auf den 400 Metern davon. Mit wem soll | |
er sich denn bei uns noch messen? Außerdem haben Untersuchungen ergeben, | |
dass er keinen Vorteil durch seine Karbonprothesen hat. | |
Es gab zwei Gutachten. Das erste attestierte Pistorius Vorteile. Dieser | |
protestierte, woraufhin ein zweiter Gutachter urteilte, Vorteile und | |
Nachteile würden sich aufheben. | |
Das ist nicht einfach abzuwägen, aber ein Biomechaniker von einer | |
US-amerikanischen Universität kam auch zu dem Schluss, das sich Vorteile | |
und Nachteile aufheben würden. Und Oscar sagt ja zu Recht: „Wenn ich einen | |
Vorteil hätte, würden alle Doppelamputierten so schnell laufen.“ | |
Wie schnell laufen Sie? | |
Ich bin der Zweitschnellste mit 51,40 Sekunden. Oscar läuft die Strecke in | |
45 Sekunden. | |
Prothesenläufer, heißt es, können mit Hilfe der Sprungfedertechnik auf dem | |
letzten Teilstück erheblich zulegen. | |
Ja, aber in der Startphase verliert ein amputierter Sprinter deutlich. Er | |
muss erst Kraft in die Prothesen geben, damit da auch wieder was rauskommt. | |
Haben Sie weitere Nachteile? | |
Nicht wirklich. Die Kurven kosten ganz viel Kraft, weil wir das | |
Sprunggelenk nicht in der Kurve drehen können. Wir müssen viel mit der | |
Hüfte arbeiten. | |
Viele stören sich dennoch am Start von Pistorius. Stefan Poser, der Trainer | |
der deutschen 400-Meter-Läufer, spricht von „ein bisschen | |
Wettbewerbsverzerrung“. | |
Man muss da vorsichtig mit seinen Urteilen sein. Rein rechtlich darf Oscar | |
an den Spielen teilnehmen. Das ist das Entscheidende. | |
Können Sie sich die Bedenken erklären? | |
Nicht wirklich. Es ist mal so, dass Oscar jeden deutschen 400-Meter-Läufer | |
schlagen würde und schlägt. Keine Ahnung, ob da Neid im Spiel ist. Ich | |
laufe auch auf Sportfesten gegen Nichtbehinderte und habe da nur positive | |
Erfahrungen gemacht. Vermutlich wird es anders, wenn man sie deklassiert. | |
Durch die Weiterentwicklung der Prothesentechnologie werden Sie unabhängig | |
vom Training aber schneller. | |
Erst einmal muss man sehen, welch harter und steiniger Weg, der mit viel | |
Schmerzen verbunden ist, hinter uns liegt. Der Stumpf ist es nicht gewohnt, | |
dass auf dem Bein eine so große Druckbelastung ist. In der höchsten | |
Sprintphase muss ich eine Tonne an Kraft in die Feder reingeben, und die | |
Tonne kommt auch wieder heraus. Das muss die Muskulatur erst einmal | |
abfangen können. Aber mit Hilfe der Technik sind wir in zwanzig Jahren auf | |
400 Meter möglicherweise schneller als Nichtbehinderte. | |
Würden Sie sich dann wieder für getrennte Wettbewerbe aussprechen? | |
Sicher, wenn die Techniker sagen: „Jungs, jetzt habt ihr einen Vorteil“, | |
muss man reagieren. | |
Gibt es unter paralympischen Sportlern Vorbehalte gegen dem Pionier | |
Pistorius? | |
Allgemein wird das positiv gesehen. Er ist ein Vorreiter. Er hilft auch uns | |
anderen Sportlern, in den Vordergrund zu kommen. Ich erhalte jetzt viel | |
mehr Presseanfragen. | |
Käme der Weg von Pistorius auch für Sie in Frage? | |
Wenn ich einmal so schnell werden sollte, wäre ich auch gerne bei den | |
Nichtbehinderten dabei. Ich hab mir das aber jetzt nicht fest vorgenommen. | |
Vor Pistorius haben ja bereits einige paralympische Sportler wie die | |
einarmige polnische Tischtennisspielerin Natalia Partyka 2008 in Peking | |
teilgenommen – allerdings ohne technische Hilfsmittel. | |
Man sollte diesen Weg weitergehen. Ich finde es wichtig, dass wir bei den | |
nichtbehinderten Sportlern mitmachen. Die lernen mit dem Thema Behinderung | |
viel besser umzugehen, wenn sie mal sehen, dass da einer seine Beine | |
wechselt. Der Leistungssport wird dadurch menschlicher. | |
Der Interviewte David Behre (25) aus Moers verlor bei einem schweren Unfall | |
2007 seine Unterschenkel und startete eine steile Karriere als | |
Paralympic-Sportler. Bei der WM 2011 in Neuseeland gewann er über 400 Meter | |
Silber in Europarekordzeit. Schneller war nur Oscar Pistorius. | |
4 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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