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# taz.de -- Welttreffen des Anarchismus: Dagegensein im Heidiland
> Die Schuldenkrise verhilft dem Anarchismus zu neuer Popularität. Jetzt
> findet ein „Welttreffen“ in der Schweiz statt. Die Liste der Dinge, die
> man nicht will, ist lang.
Bild: Stolz weht die Fahne im Wind.
BERN dpa | Superpünktliche Züge, unkrautfreie Dorfstraßen, Berglandschaften
wie gemalt. Anarchismus im Heidiland? Schwer vorstellbar. Aber wahr: Das
Schweizer Uhrmacherstädtchen Saint-Imier gilt als Wiege der Antiautoritären
Internationale. Dass anarchistisches Gedankengut in Krisenzeiten so populär
wie schon lange nicht mehr ist, demonstrieren linke Weltverbesserer aus
etlichen Ländern ab Mittwoch im Berner Jura.
Bis zu 3.000 Teilnehmer „von fast jedem Flecken der Erde“ erwarten die
Veranstalter des fünftägigen „Welttreffens des Anarchismus“. Es gehe um
„diverse Wege des Widerstands“ gegen gesellschaftliche Übel, sagt
Cheforganisator Michel Némitz. Mitreden darf jeder.
Vom Umfang her erinnert das Programm an die Vollversammlung der Vereinten
Nationen. Manche Themen sind selbst für Anarchismus-Anfänger
nachvollziehbar. Der arabische Frühling und seine Folgen etwa, der Kampf
gegen Rechtsextremismus oder die Schuldenkrise in der Eurozone.
Komplizierter könnte es für Laien bei vielen anderen Themen werden, etwa am
Runden Tisch zum „Anarchafeminismus“. Die Wortschöpfung von
US-Feministinnen – so klärt das österreichische Internetportal
[1][anarchismus.at] auf – bedeute „Radikalfeminismus, gemischt mit
libertären Ideen und anarchistischer Theorie und Praxis“. Alles klar?
Leichter als das „Wofür“ können Revolutionäre meist darstellen, wogegen …
sind. Auch die „Prinzipien des Treffens“ in Saint-Imier bieten eine lange
„No-No-Liste“: „Wir erinnern an unsere Ablehnung von Kapitalismus,
Imperialismus, Patriarchat, Sexismus, Rassismus, Kolonialismus,
Staatlichkeit, jeglicher Religion und jeder anderen Form von
Unterdrückung.“
## Keine Rassisten, keine Hunde
Entsprechende Einstellungen, warnen die Organisatoren der verschiedensten
anarchistischen Verbände, „werden bei dem Treffen nicht akzeptiert“. Hunde
übrigens auch nicht. Darauf wird im Programmheft der Anarchistischen
Föderation eigens hingewiesen, „da das Treffen möglichst angenehm für alle
Menschen und besonders für Familien und Kinder sein soll“.
Wie sehr das Interesse an libertären Weltverbesserern zugenommen hat, zeigt
der Erfolg des US-Anarchisten David Graeber. Sein Buch zur Finanzkrise
„Schulden: Die ersten 5.000 Jahre“, in dem er das Ende des
Schuldenkapitalismus proklamiert, fand selbst bei Neoliberalen Anerkennung.
„[2][Wenn die Eliten ratlos sind, fragen sie die Anarchisten]“, überschrieb
die linke Jungle World ein Interview mit Graeber. Symbol eines neuen
Anarchismus ist für den Dozenten der University of London die Bewegung
„Occupy“ - auch „weil sie sich weigert, unter einem Label zu firmieren, u…
sei es, das des Anarchismus“.
## Antiautoritäre Uhrmacher
Dass der seinerzeit im Berner Jura aufblühte, hatte wohl etwas mit der eher
linken und zugleich antiautoritären Einstellung vieler der damaligen
Uhrmacher in dieser Region zu tun. Ideen des in die Schweiz geflohenen
russischen Revolutionärs und Anarchisten Michael Bakunin seien für sie
„eine attraktive Alternative zur strengen Doktrin von Karl Marx“ gewesen,
schrieb die Berner Tageszeitung Der Bund.
Anlass für das jetzige Welttreffen ist ein Jubiläum: Vor 140 Jahren kamen
in einem Gasthof in Saint-Imier anarchistische Marx-Gegner zu einem
„Weltkongress“ zusammen. Sie riefen 1872 die Antiautoritäre Internationale
aus. In der Arbeiterbewegung blieben sie stets eine Minderheit. Aber als
Verdienst wird längst weithin anerkannt, dass Anarchisten lange vor dem
Stalin-Kult und den Gulags in der Sowjetunion vor den Gefahren eines
autoritären Sozialismus gewarnt hatten.
7 Aug 2012
## LINKS
[1] http://www.anarchismus.at/
[2] http://jungle-world.com/artikel/2012/28/45865.html
## AUTOREN
Thomas Burmester
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