| # taz.de -- Obamas Friseur: An den Haaren der Macht | |
| > Zweimal im Monat wird Friseur Zariff nach Washington eingeflogen – um | |
| > seinen Stammkunden Barack Obama zu bedienen. Ein Besuch in Zariffs Barber | |
| > Shop in Chicago. | |
| Bild: „Ich bin der Einzige, der dem Präsidenten die Haare schneidet!“ – … | |
| CHICAGO taz | Es ist nicht ganz einfach, dem US-Präsidenten die Haare zu | |
| schneiden. Zariff muss dafür normalerweise in Chicago zum Flughafen, in | |
| eine Maschine nach Washington steigen und dort zum Weißen Haus fahren. | |
| Präsidenten-Haare schneiden, Präsidenten-Nacken ausrasieren, fertig. Geht | |
| schnell. Viel Aufwand also, das mit dem Fliegen, für 20 Minuten Arbeit. | |
| Zariff macht es trotzdem, ungefähr zweimal im Monat. Noch genauer will er | |
| das nicht angeben. Der Präsident und er – sie seien ganz dicke miteinander, | |
| seit fast 20 Jahren sei er Obamas Stammfriseur, man plaudert, keine Frage. | |
| Und Verschwiegenheit ist da natürlich Pflicht. Zumindest fast. „Klar ist | |
| jedenfalls: Ich bin der Einzige, der dem Präsidenten die Haare schneidet!“, | |
| sagt er. So viel Indiskretion, in Stolz getränkt, muss sein. | |
| Nun sitze ich auf diesem schwarzen Lederstuhl in seinem Barber Shop im | |
| Süden von Chicago. Um den Hals einen schwarzen Kittel. Ob er denn oft | |
| Frauen die Haare schneidet, will ich zur Sicherheit wissen. Zariff steht | |
| hinter mir, in der einen Hand einen Kamm, in der anderen Hand eine | |
| Sprühflasche mit Wasser, schnauft hörbar. „Klar“, sagt Zariff, der seinen | |
| Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, und grinst. „Nur nicht so oft | |
| wie Männern, ich bin schließlich Herrenfriseur.“ Dann fängt er an zu | |
| kämmen. | |
| Breite Schultern hat er, einen muskelbepackten Rücken, teilt mit dem Kamm | |
| eine feine Strähne meiner trockenen Haare ab, sprüht einmal, zweimal, | |
| dreimal einen Spitzer Wasser drauf, legt die Flasche weg, nimmt die Schere | |
| – und schneidet. Ein winziges Büschel fällt auf den Boden. Dann ist die | |
| nächste Strähne dran. Keine Haarwäsche, kein Shampoo, keine Kopfmassage, | |
| keine Spülung, gar nichts. „Warum auch?“, fragt Zariff. | |
| Bei ihm geht das alles auch so. Ein Waschbecken gibt es ohnehin nicht, und | |
| den Föhn benutzt er so gut wie nie. Braucht er normalerweise auch nicht. | |
| Die meisten seiner Kunden sind Männer, allesamt schwarz, mit krausen Haaren | |
| in unterschiedlicher Länge. Die letzte Frau, die hier war? Pause. „Ist | |
| schon etwas länger her“, gibt Zariff nun doch zu, nimmt wieder den Kamm, | |
| wieder die Sprühflasche, wieder eine Strähne. | |
| Zariffs Hyde Park Hair Salon ist ein kleiner, unscheinbarer Barber Shop in | |
| der South Blackstone Avenue. Dort sitzen Tony und Marcus auf einem Sofa und | |
| blättern in Sportmagazinen, Brian und Ishmael stehen an den Stühlen hinter | |
| ihren Kunden, Haartrimmer in der Hand. Das Surren übertönt den Fernseher, | |
| der von der Decke hängt. Es läuft Baseball, die Chicago Cubs spielen | |
| gerade, noch so ein paar Helden der Stadt. Wie Barack Obama auch. | |
| ## Zariff glaubt an Obamas Wiederwahl | |
| Denn auf den lässt hier keiner etwas kommen. Ein anständiger Kerl sei das, | |
| ganz am Boden geblieben, immer höflich, sehr nett, sagt Tony, während er | |
| die Schläfen seines nächsten Kunden stutzt. „Er hat sich absolut nicht | |
| verändert, er plaudert immer noch ganz locker mit mir. Kein Chefgehabe – | |
| und das wird sich auch nicht ändern, wenn er die nächsten vier Jahre der | |
| mächtigste Mann der Welt ist“, sagt Zariff. | |
| Abwarten, noch ist das nicht sicher. Die Umfragen sagen ein knappes Rennen | |
| zwischen Präsident Obama und seinem republikanischen Kontrahenten Mitt | |
| Romney um den Platz im Weißen Haus voraus. „Blödsinn“, sagt Zariff. „Ba… | |
| Obama ist schließlich für acht Jahre angetreten!“ Äh … vier. „Acht!“… | |
| vier. „Acht!“ Soll heißen: Er bleibt, keine Widerrede. Tony blickt kurz | |
| auf, nickt. Ishmael ballt die rechte Hand zur Faust, reckt sie nach vorne: | |
| „Yo“. Hier ist man sich einig. | |
| Hyde Park, das Studentenviertel der Stadt, das dem Friseurladen seinen | |
| Namen gab, mit den vielen roten Backsteinhäusern und Cafés, ist so etwas | |
| wie die inoffizielle Wahlkampfzentrale des amtierenden Präsidenten. Hier | |
| hat er gelebt, hier steht immer noch das Haus seiner Familie, hier lehrte | |
| er bis 2004 einige Jahre lang an der Juristischen Fakultät der Universität. | |
| In der Studentenkneipe „Medici“ aß er gerne Burger, sagt der Koch, ein paar | |
| Häuser weiter im Buchladen „57th Street Books“ hat er sein erstes Buch | |
| signiert, damals, noch als Senator des Bundesstaats Illinois. Hier, im | |
| Süden der Stadt, etwa 11 Kilometer von der Innenstadt entfernt, wo die | |
| Mehrheit der Bewohner schwarz ist, ist er einer von ihnen. Auch wenn er | |
| kaum noch hier ist. | |
| Bei Zariff im Laden war Barack Obama jedenfalls nicht mehr, seit er vor | |
| knapp vier Jahren gewählt wurde. Dafür müssten alle umliegenden Straßenzüge | |
| gesperrt werden, der Secret Service mag es nicht sehr familiär, wenn es um | |
| die Sicherheit des Präsidenten geht. Zu viel Aufwand für die 20 Minuten, | |
| die Zariff an Obamas Kopf zugange ist. | |
| ## Der Präsident ergraut | |
| Bei mir dauert es länger. Zariff redet viel, kämmt viel – und schneidet | |
| wenig. Er teilt die Haare in kleine Strähnen, klemmt sie mit einer | |
| silbernen Spange einzeln fest, kämmt weiter, löst die Spange, fängt von | |
| vorne an. Immerhin, es sind nur wenig Haare, die auf den Boden fallen. | |
| „Selten, dass hier rotblonde Haare herumliegen.“ | |
| Wenn Zariff bei ihm war, liegen unter dem Stuhl, auf dem Barack Obama | |
| frisiert wurde, inzwischen graue Haare. Das war vor vier Jahren noch | |
| anders. „Alles nur eine Frage des Alters, ganz normal“, meint Zariff. Ach | |
| ja? Nicht auch eine Frage der harten Arbeit an der Spitze der USA? | |
| Immerhin, Obama ist so alt wie Zariff selbst, Anfang 50 – und dessen Haare | |
| sind noch ganz schwarz. „Okay, vielleicht“, sagt er. Gefärbt werde das | |
| Präsidentenhaar jedenfalls nicht. | |
| Wie Obama zu ihm gekommen ist? Irgendwann stand er einfach bei Zariff in | |
| der Tür und fragte, ob gerade ein Termin frei sei. Sein alter Stammfriseur | |
| war weggezogen. Zariff hatte nichts zu tun und schnell einen neuen Kunden. | |
| Darauf ist er heute mächtig stolz, auch wenn er es gerne mit Understatement | |
| versucht. | |
| Nein, über die Präsidentenfamilie erzählt er nichts. Nicht, bevor er einmal | |
| tief Luft geholt hat, mit dem Kamm die nächste Strähne meiner Haare | |
| abtrennt, und dann doch das ein odere andere verrät. | |
| ## Die Präsidentenfrisur kostet 21 Dollar | |
| Dass die Obamas erst kürzlich für ein paar Tage in der Stadt waren, zum | |
| Beispiel. Ganz privat, irgendein Fest. Da hat er dem Präsidenten dann auch | |
| gleich die Haare geschnitten, das hätte sich ja quasi angeboten. Ob er | |
| dafür die paar Blocks bis zum villenartigen Haus der Präsidentenfamilie | |
| gelaufen ist, behält er aber für sich. | |
| Das Haus der Obamas steht an einer Straßenecke, mitten zwischen | |
| Studentenwohnungen, direkt neben einer Synagoge. Bis auf ein paar rote | |
| Ziegelsteine, die durch die Blätter schimmern, sieht man nichts davon. Die | |
| Straße ist abgesperrt, ein Polizeiwagen samt zwei Beamter steht davor. | |
| Nicht umsonst hätte man dort Bäume gepflanzt, sagt der eine. Keiner soll | |
| sehen, wie Michelle im Pyjama am Balkon steht, niemand soll die beiden | |
| Mädchen Sasha und Malia beim Herumtollen mit Hund Bo im Garten beobachten. | |
| Wenn sie denn mal da sind. | |
| „So, fertig“, sagt Zariff, dreht den Stuhl um und drückt mir einen Spiegel | |
| in die Hand. Ich soll mir meine Frisur von hinten selbst ansehen. Ich sehe | |
| aus wie vorher. Dafür zahle ich 21 Dollar. So viel wie Barack Obama auch. | |
| 8 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Steffi Dobmeier | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
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