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# taz.de -- Schiffskonzert auf der „MS Hamburg“: Vom Hafen profitieren
> Bei einer Rundfahrt durch den Hamburger Hafen singt Schorsch Kamerun vom
> Irrsinn und Internet. Fabian Hinrichs erzählt von fett gewordenen
> Freunden.
Bild: Singt auf der „MS Hamburg“ hinter einem Glasperlenvorhang, damit man …
Zu den vielen Dingen, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, gehört eine
sattsame Auswahl an Hafenrundfahrten in Hamburg. Es gibt sie geordnet nach
Themen („Containerumschlag“, „Hafengeschichte“), nach Schiffen (Barkass…
Fahrgastschiffe, Eisbrecher) und nach politischer Ausrichtung (alternative
Hafenrundfahrt). Am Donnerstag ist ein weiteres Format hinzugekommen: Eine
„Hafenkonzertrundfahrt“ von und mit Schorsch Kamerun und Fabian Hinrichs
zur Eröffnung des Kampnagel-Sommerfestivals.
Ort des Geschehens ist die „MS Hamburg“, die tagsüber die Große
Hafenrundfahrt anbietet. Sitzgelegenheiten auf drei Ebenen, Kellner im
Stewardoutfit und an den Wänden jene künstlichen Fackeln, in denen gelber
Stoff statt echter Flammen züngeln. Die „MS Hamburg“ ist der Thomas Anders
unter den Hafenrundfahrt-Schiffen: gepflegt, familienkompatibel, um Glamour
bemüht.
Schorsch Kamerun wiederum hat es in den 80er Jahren zu einiger Berühmtheit
gebracht mit der Punkband Die Goldenen Zitronen und dem Song „Am Tag als
Thomas Anders starb“. Seither hat Kamerun eine beachtliche Karriere
hingelegt als Theaterregisseur im deutschsprachigen Raum, und er hat Preise
für seine Hörspiele bekommen.
Seine Stücke sind politisch: Er kritisiert die Gentrifizierung, den Zwang
zur Selbstvermarktung, die Vereinzelung, den Zwang zum Wachstum in einer
auf die Ökonomie fixierten Welt. „Wachstum“ ist auch das Thema, das das
Kampnagel Sommerfestival gewählt hat – 40 Jahre nach der vom Club of Rome
vorgelegten Studie „Grenzen des Wachstums“. Dementsprechend wollte Kamerun
auf der Rundfahrt über Wachstumsgrenzen nachdenken. Schließlich ist der
Hafen der Ort, an dem die Wirtschaft ganz bei sich ist.
## Hinter dem Glasperlenvorhang
Kamerun sitzt auf der „MS Hamburg“ zusammen mit seinen Musikern hinter
einem Vorhang aus Glasperlen. Das Publikum an den Tischen erfährt, dass man
die Band nicht sehen könne, um präziser auf die Inhalte achten zu können.
Dann legt das Schiff ab, und Kamerun spielt seine Songs. Gleich der erste
stammt aus seiner Kölner Inszenierung „Der entkommene Aufstand“ und kreist
um die Zeile „Jeder fühlt sich hier ungelogen / um seine Zukunft betrogen“.
Kameruns Songs bestehen aus knarzigen Noise-Sounds, über denen
minimalistische (Klavier-)Motive liegen und apokalyptische Gongschläge von
Röhrenglocken. Darüber spricht Kamerun mit dünner Stimme seine
pamphletartigen Texte über den Irrsinn, grenzenloses Wachstum zu
propagieren oder nur noch im Internet zu leben. Man versteht nicht alles.
Aber schnell hat man verstanden: Auf die Hafenrealität, die draußen an den
Panoramafenstern vorbeizieht, gehen die Songs nicht wirklich ein. Der Hafen
ist nur eine Kulisse für die Kamerun-Show. Kamerun thematisiert den Hafen
nicht, sondern nutzt von ihn auf eine ähnliche Weise wie andere Hamburger
Hafenevents auch.
Daran ändert auch der Schauspieler Fabian Hinrichs nichts. Der erzählt von
einem Besuch bei einem Jugendfreund. Hinrichs, Ende 30, Wohnsitz Berlin,
reist in die bayerische Kreisstadt Kronach, wo der Jugendfreund mit Haus
und Familie lebt, einen gut dotierten Posten in der Wirtschaft hat. Das
Ergebnis: Der ehemals coole Freund ist nicht nur bürgerlich geworden,
sondern auch fett, müde, unglücklich. Hinrichs gruselt es so, dass er
schnell wieder abreist.
Hinrichs Geschichte ist wohl ironisch gemeint in ihrer selbstgefälligen
Schlichtheit. Ebenso wie Kameruns Songs nicht immer ernst zu nehmen sind in
ihrem apokalyptischen Pathos. Der dritte Protagonist an diesem Abend aber
kommt ohne Ironie aus: Der Hafen samt halbfertiger Elbphilharmonie,
Containerbergen, Musicalzelten und Schrotthaufen. Kamerun und Hinrichs
haben nichts mit ihm gemacht. Er macht gern ohne sie weiter.
10 Aug 2012
## AUTOREN
Klaus Irler
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