| # taz.de -- Taekwondo-Olympiasieger Servet Tazegül: Fränkisches Geschenk an d… | |
| > Servet Tazegül stammt aus Nürnberg, ist ehrgeizig und trainiert hart. | |
| > Weil er keinen deutschen Pass erhielt, kämpft er für das Land seiner | |
| > Eltern: bis zum Olympiasieg. | |
| Bild: Servet Tazegül kommt mit der türkischen Flagge zu Gold | |
| Noch in der Nacht rief Tayyip Erdogan bei Servet Tazegül in London an und | |
| gratulierte ihm zu seinem Olympiasieg im Taekwondo. Der Ministerpräsident | |
| war extra wach geblieben, denn es sollte die erste Goldmedaille für die | |
| Türkei in London werden – und wird wohl die einzige bleiben. | |
| Der Jubel zwischen Istanbul und Hakare ist nun groß: Sportminister Suat | |
| Kilic kündigte sogar an, eine Sportschule nach dem frisch gebackenen | |
| Olympiasieger zu benennen; Tazegül erwartet in der Türkei ein | |
| Staatsempfang. Der 23-Jährige – ein Olympiaheld vom Bosporus? | |
| Bei der Deutschen Taekwondo-Union (DTU) in München dürfte man dieses Finale | |
| mit knirschenden Zähnen verfolgt haben. Die Medaille ist ein ungewolltes | |
| Geschenk aus Deutschland an die Türkei. Denn Servet Tazegül wurde 1988 in | |
| Nürnberg geboren, wuchs in Franken auf und fand mit fünf Jahren dank einem | |
| Nachbarn den Weg zum Taekwondo. Trotzdem verwehrten ihm die Behörden in den | |
| Neunzigern den deutschen Pass, weil seine Eltern türkische Staatsbürger | |
| sind. So konnte Tazegül nicht für die DTU antreten – obwohl er es wollte. | |
| „Wir haben unzählige Anträge gestellt, alles versucht, aber es hat nicht | |
| geklappt“, sagte sein Trainer Nurettin Yilmaz der taz. Vielleicht fehlte es | |
| auch am konsequenten Willen. Die DTU, so Yilmaz, habe sich ohnehin kaum um | |
| das Talent bemüht. | |
| ## Glücksgriff für den türkischen Taekwondoverband | |
| Durch die Kontakte seines Trainers in die Türkei geriet Tazegül 2004 ins | |
| Visier des türkischen Taekwondoverbandes. Der lockte mit guter Betreuung | |
| und satter finanzieller Ausstattung. „Servet hatte vielleicht schon ein | |
| wenig Begabung“, sagt Trainer Yilmaz, „vor allem wollte er aber den Erfolg | |
| und hat hart dafür gearbeitet.“ Für die Sportfunktionäre in der Türkei | |
| wurde Tazegül zum Glücksgriff: Schon mit 15 gewann der Athlet Gold bei der | |
| Junioren-WM, 2008 folgten dann der erste EM-Titel und Bronze bei den | |
| Spielen in Peking. | |
| Trotz der Erfolge lebt und trainiert Tazegül nach wie vor bei seinem | |
| Stammverein KSC Leopard in Nürnberg. Der Erfolg in der Nacht auf Freitag | |
| ist nun die Krönung seiner noch jungen Karriere. Gegen den Iraner Mohammad | |
| Bagheri Motamed gewann der Franke mit 6:5. In seiner Gewichtsklasse ist er | |
| nun auch offiziell der weltbeste Taekwondoka. | |
| Den Titel widmete Tazegül seiner vor zwei Monaten einem Krebsleiden | |
| erlegenen Mutter. „Die Medaille gehört ihr“, sagte er nach dem Kampf. | |
| Tazegüls sportlicher Hintergrund ist keineswegs einzigartig. SeinNürnberger | |
| Vereinskollege Hasim Celik gehört zum paralympischen Taekwondokader der | |
| Türkei. Eine der beiden deutschen Taekwondokas in London, Sümeyye Manz, | |
| stammt aus einer türkischen Einwandererfamilie, entschied sich aber für den | |
| DTU. | |
| ## Dank der deutschen Politik | |
| Und auch Tazegüls Lebensgefährtin Melda Aczan stand zumindest als | |
| Ersatzkandidatin des DTU vor einer Teilnahme in London. Die Liste lässt | |
| sich für alle Gewichtsklassen fortsetzen. Anders als beim Fußball, wo der | |
| Kampf um binationale Talente seit Jahren üblich ist, führt das eher zur | |
| Kooperation als zur Konkurrenz. Zuletzt reisten türkische Sportler für ein | |
| Trainingslager zum Bundesstützpunkt des DTU in Nürnberg. „Mittlerweile | |
| entscheiden sich sich deutsch-türkische Talente zu 99 Prozent für | |
| Deutschland“, sagt Nurettin Yilmaz. „Hier sind sie geboren und | |
| aufgewachsen.“ | |
| Dabei sprechen finanzielle Argumente eigentlich klar für die Türkei. | |
| Während deutsche Athleten sich zuletzt öffentlich über die Medaillenprämie | |
| von 15.000 Euro mokierten, muss sich Servet Tazegül keine Sorgen mehr um | |
| Geldliches machen: Für seinen Olympiasieg erhält er etwa eine Million Euro, | |
| zusätzlich erwartet ihn eine monatliche Sofortrente von rund 3.000 Euro. | |
| Durch seine Entscheidung für die Türkei kann Servet Tazegül anders als | |
| tausende deutsche Sportler von seiner sogenannten Randsportart leben – dank | |
| deutscher Politik, die ihre Einwanderer nicht wertzuschätzen wusste. | |
| 10 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Jannis Carmesin | |
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