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# taz.de -- Kolumne Macht: Von Pathos und Hähnchen
> Bekenntnisse sind leider in Mode. Doch wer sie verlangt oder ablegt,
> macht sich vergnüglicherweise oft lächerlich.
Ein „Bekenntnis zu Europa“ soll die Linke ablegen, bevor man überhaupt üb…
eine Annäherung zu den Sozialdemokraten nachdenken kann. Das fordert
jedenfalls SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Was sie damit wohl meint?
Vermutlich ein Bekenntnis zum Euro, denn sonst wäre der Satz ja sinnfrei.
Das klingt aber nicht so angenehm pathetisch. Außerdem läge bei einer
solchen Formulierung die Einsicht allzu nahe, dass es in allen Parteien
prominente Leute gibt, die ein derartiges Bekenntnis unter keinen Umständen
ablegen wollen. Da muss man wirklich nicht starr auf die Linke schauen. Wie
heißt noch gleich das letzte Buch des bedeutenden Sozialdemokraten Thilo
Sarrazin? Ach, ja: „Europa braucht den Euro nicht.“
Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Linke der Forderung von Andrea
Nahles nachkommt. Was ein bisschen schade ist. Denn je pathetischer etwas
ausgedrückt wird, desto größer ist das Vergnügen sich auszumalen, wie denn
die Erfüllung einer Forderung konkret aussehen könnte. Zum Beispiel so: Die
Partei- und Fraktionsführung der Linken versammelt sich vor dem Reichstag
und gelobt im Schein von Fackeln, „dem Euro treu zu dienen“.
In Form und Wortlaut könnte sich das Zeremoniell an den feierlichen
Gelöbnissen von Soldaten orientieren. Auch so eine Veranstaltung, die
früher viele vernünftige Leute für überflüssig gehalten haben und die man
inzwischen toll finden muss, wer für „erwachsen“ gehalten werden will. Eben
koalitionsfähig sein möchte.
Bekenntnisse sind eine heikle Angelegenheit, wie gerade Sozialdemokraten
mit wenigstens halbwegs funktionierendem Gedächtnis wissen sollten. Es war
ein Tiefpunkt der SPD-Geschichte, als sie 1972 den Radikalenerlass
durchsetzte, mit dem Beamtenanwärter gezwungen wurden, sich fest auf den
Boden der FDGO zu stellen – eine Abkürzung, die alle möglichen
Assoziationen wachruft, aber bestimmt nicht die an Freiheit.
Pathos und Bekenntnisse sind also Glückssache. Verschiedene Firmen
versuchen immer mal wieder, Bekenntnis mit Konsum zu verbinden, sind dabei
aber auch nicht durchgängig erfolgreich. Wer sich in den USA mit
Hähnchenburgern der Kette Chick-fil-A vollstopft, protestiert damit derzeit
zugleich gegen die Schwulenehe. Seit sich der Chef des Fast-Food-Konzerns
als homophob geoutet hat, halten zahlreiche Kunden nun den Kauf eines
Burgers für eine Großtat im Kampf für ihr Verständnis christlicher Werte.
Blöd nur, dass Schwule jetzt zum Boykott aufrufen. Das Ganze zahlt sich
also für die Läden unterm Strich vermutlich nicht aus.
Ob der Regenwald damit gerettet werden kann, dass man möglichst viel
Krombacher-Bier säuft, ist auch umstritten. Die Frage, ob die entsprechende
Werbung irreführend ist, beschäftigte mehrere Gerichtsinstanzen. Und die
Freunde des israelischen Militärs, die jahrelang literweise Kaffee bei
Starbucks in sich hineinschütteten? Sie haben offenbar vergeblich
getrunken. Der Konzern dementiert nämlich das hartnäckige Gerücht, dass ein
Teil seiner Einnahmen an die israelischen Streitkräfte fließt. Jetzt gibt
es im Netz Boykottaufrufe von Enttäuschten, die das nun für einen Verrat an
Israel halten.
Man sieht: Die Chancen stehen gut, dass man sich mit der Forderung nach
oder der Abgabe von Bekenntnissen ziemlich lächerlich macht. Ob man nicht
stattdessen doch zur politischen Diskussion zurückkehren sollte? Sogar über
den Euro?
10 Aug 2012
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Kanzlerkandidatur
Gold
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