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# taz.de -- Kolumne Macht: Die Queen spricht
> Elisabeth II. hat nächste Woche wieder einmal einen großen Auftritt. Von
> Zeit zu Zeit seh' ich die Alte gern.
Es gibt schon lange kein Haus und keine Wohnung mehr, die ich bereits als
Kind kannte und zu der ich noch immer selbstverständlichen Zugang habe.
Tanten, Nachbarn, Freunde, auch Eltern und Großeltern: Niemand ist
geblieben, wo er war.
Ich wohne schließlich auch schon in der 18. Bleibe. Nun ist das in
mittleren Lebensjahren kein ungewöhnliches Schicksal. Aber sogar meiner
Tochter, die erst 24 ist, geht es bereits ähnlich. Ihr letztes
„Kindheitshaus“ ist im vergangenen Jahr verkauft worden. Und sie ist keine
Ausnahme in ihrem Freundeskreis
Eine flexible Gesellschaft bietet wenig Beständigkeit. Was die Sehnsucht
danach – und die damit einhergehende Sentimentalität – stärkt. Wer oder w…
begleitet einen schon durchs ganze Leben? Sogar Helmut Kohl ist abgewählt
worden. Wie gut, dass es die Queen gibt. Sie kann nicht abgewählt werden,
und sie hat deutlich gemacht, dass sie ihre Aufgabe erst mit ihrem Tod für
erfüllt hält. Wie tröstlich.
Beharrlichkeit ist kein Wert an sich? Von wegen. Niemals hätte ich gedacht,
dass ausgerechnet ich als glühende Republikanerin diese biedere, etwas
unintelligent und sehr humorlos wirkende Frau mit milder, etwas
unbestimmter Sympathie anschauen würde und mich freute, wenn sie mal wieder
im Fernsehen auftaucht. Von Zeit zu Zeit seh’ ich die Alte gern.
Nächste Woche wird Elisabeth II. wieder einmal eine Thronrede halten. Seit
60 Jahren verliest sie mit der Staatskrone auf dem Kopf brav das, was ihr
die jeweilige Regierung aufgeschrieben hat. Sogar Churchill hat noch für
sie getextet. Churchill! Die Queen scheint schon immer da gewesen zu sein.
Und vermutlich bleibt sie auch noch, wenn der Rest der Menschheit längst
ausgestorben ist. Ich bin sicher: Sie wird selbst dann noch ihre Handtasche
so fest an sich pressen, als fürchte sie Straßenräuber.
## 16 Länder weg
Dabei ist die britische Monarchie keineswegs die ewige, unumstößliche
Institution, als die sie von außen erscheint. Immerhin die Hälfte der 32
Länder, deren Oberhaupt die Queen einst war, haben sich im Laufe ihrer
Amtszeit zu Republiken erklärt. Und der schottische Krönungsstein, der als
Kriegsbeute in den englischen Thron eingebaut worden war und auf dem 700
Jahre lang die Königinnen und Könige unverrückbar fest zu sitzen schienen,
ist wieder zu Hause in Edinburgh. Und wird Schottland überhaupt ein Teil
des Vereinigten Königreiches bleiben?
Man sieht: auch die Queen hat es nicht immer leicht. Aber das ist für den
Rest der Welt so wunderbar egal. Darin genau liegt der Charme der
britischen Monarchie. Sie erfüllt den Wunsch nach Dauer und
Verlässlichkeit, und sie ist zugleich vollständig ohne jeden Einfluss, kann
also keinen größeren Schaden anrichten. Natürlich gibt es auch bei uns
Dinge, die Bestand haben und für die Ähnliches gilt. Aber so ganz dasselbe
ist die Randale zum 1. Mai in Kreuzberg dann eben doch nicht.
Das Blöde ist: Nicht alles, was einem beim Nachbarn gut gefällt, kann man
in die eigenen Lebensumstände integrieren. Die Habsburger sollte man nicht
zurückholen, der Freiherr von und zu Guttenberg hat sich auch nicht als
wünschenswerte Alternative erwiesen, und nicht einmal für Joachim Gauck ist
bislang eine Krönungsmesse im Gespräch. Die Monarchie in Deutschland ist
endgültig Geschichte. Wer bei uns sinnfreie Beständigkeit wünscht, ist
darauf zurückgeworfen, die FDP in die Parlamente zu wählen. Britin müsste
man sein.
4 May 2012
## AUTOREN
Bettina Gaus
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