# taz.de -- Kolumne Macht: Sommerloch? Mund halten! | |
> Was ist an 15 Minuten Ruhm so schön, dass man sich dafür bereitwillig zum | |
> Horst macht? Politiker sollten manchmal lieber nichts sagen. Besonders im | |
> Sommer. | |
So besonders lustig war der Sommer nie. Jedenfalls nicht für die | |
Journalistinnen und Journalisten, die – aus welchem Grund auch immer – | |
Stallwache halten mussten, statt in den Urlaub zu fahren. Aber war das | |
Sommerloch auch früher so schauerlich und abgründig tief? Man möchte es | |
nicht glauben müssen. Zumal man weiß, dass das Gras in der eigenen Jugend | |
nicht ganz so grün war, wie man es in Erinnerung hat. Aber war es wirklich | |
schon damals so … welk? | |
Zwei FDP-Abgeordnete, einer nach Brüssel und einer nach Berlin gewählt, | |
schlagen vor, man möge Deutschen eine hohe Prämie zahlen, die in | |
Krisenländer wie Griechenland reisen. So ließe sich dort die Konjunktur | |
beleben. Was sie nicht sagen, aber wohl meinen, ist, dass sich außerdem | |
hierzulande damit die Laune verbessern ließe. Ein Parteifreund, der das | |
absurd findet, erklärt nun, er schäme sich für die beiden. Hat er’s nicht | |
ein bisschen kleiner? Und er lässt sich mit dem Satz zitieren: „Zu viel | |
griechischer Wein tut auch nicht gut.“ | |
Damit haben alle drei Parlamentarier das erreicht, worauf sie gehofft haben | |
dürften: Sie waren Gegenstand von Berichterstattung. Zur Schlagzeile hat es | |
nicht gereicht, jeder Artikel war mit Häme unterlegt – aber immerhin. Es | |
gab Artikel, mit Namensnennung sogar. Das ist doch in jedem Falle schön, | |
was auch immer drinsteht. | |
Warum? Warum ist das eigentlich schön? Bitte, die Frage ist nicht | |
sarkastisch gemeint. Was ist an den 15 Minuten Ruhm so schön, dass man sich | |
dafür bereitwillig zum Horst macht? | |
Eine Freundin von mir, strenggläubige Atheistin, sagt, manchmal stelle sie | |
sich das Jüngste Gericht vor. Dann fände sie es schade, nicht daran glauben | |
zu können. Weil sie furchtbar gern dabei wäre, wie manche Leute vom lieben | |
Gott gefragt werden: „Und was, mein Sohn, hast du mit deinem Leben | |
angefangen?“ Sofort, so sagt sie, würden die Leute, an die sie denkt, das | |
Kreuz durchdrücken und ganz laut sagen: „Ich – ICH – war Programmdirektor | |
von Radio 518.“ Oder von Radio 472. Oder 123. | |
Der liebe Gott wäre dann total beeindruckt und würde sofort den Platz zu | |
seiner Rechten freimachen. Für den Programmdirektor von Radio 518. Was die | |
Direktoren der anderen Sender in Stellung brächte. Das Jüngste Gericht | |
würde plötzlich ziemlich lustig. | |
Gut, all das kann ich verstehen. Das wäre zwar eine ziemlich langfristige | |
Planung, aber doch immerhin eine Planung. Aber was geht in denen vor, die | |
bei idiotischen Äußerungen nicht ans Jüngste Gericht denken? | |
Volksfreund.de hat gerade ein Interview geführt mit Dionys Jobst. Den | |
kennen Sie nicht? Doch, den kennen Sie. Zumindest wissen Sie, was er | |
gemacht hat: Im Sommer 1993 hat der damalige CSU-Abgeordnete vorgeschlagen, | |
Mallorca zu kaufen und zum 17. Bundesland zu machen. Jetzt sagt er, er habe | |
das damals gar nicht ernst gemeint und es der Bild-Zeitung „verübelt“, dass | |
sie daraus eine „bierernste Sache“ gemacht habe. | |
Einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Stern ist jetzt zu entnehmen, dass eine | |
große Mehrheit der Deutschen unzufrieden ist mit der Arbeit von | |
Politikerinnen und Politikern. Der Tenor der Umfrage ist populistisch, es | |
wird sogar das alte Schätzchen hervorgeholt, was denn die Leute vom oft | |
leeren Bundestagsplenum halten. Statt dass danach gefragt wird, ob es dem | |
Ansehen von Volksvertretern dienlich sein könnte, wenn sie gelegentlich | |
einfach den Mund hielten. Zum Beispiel im Sommer. | |
22 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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